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VwGH 28.06.1963, 0324/62

VwGH 28.06.1963, 0324/62

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
EStG 1953 §15 Abs1 Z1;
EStG 1953 §18 Abs1 Z1;
GewStG §1 Abs1;
RS 1
Grundsätzlich ist die sogenannte "Vervielfältigungstheorie" auch bei Ausübung des ärztlichen Berufes anwendbar, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß eine entscheidend ins Gewicht fallende Vervielfältig der Arbeitskraft des freiberuflich tätigen Arztes auch wirklich vorliegt (Hinweis: Es handelt sich hier um ein medizinisch-diagnostisches Laboratorium, deren Inhaber auch andere Ärzte sowohl im Angestelltenverhältnis als auch auf Grund freier Vereinbarungen beschäftigen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Härtel und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde des Dr. med. AG, der Dr. med. ET und der Dr. med. MG, sämtliche in Wien, gegen die Entscheidung der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI - 2997/4 - 1960, betreffend Gewerbesteuer 1956 bis 1958, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführer betreiben gemeinsam ein medizinischdiagnostisches Laboratorium, in welchem ärztliche Untersuchungen von Patienten auf bestimmte Krankheitssymptome durchgeführt und hierüber ärztliche Zeugnisse ausgestellt und Gutachten erstattet werden.

Im Zuge einer Betriebsprüfung, die sich auf die Jahre 1956 bis 1958 bezog, stellte der Prüfer fest, daß die Beschwerdeführer im Prüfungszeitraum in ihrem bzw. für ihr Laboratorium auch andere Ärzte sowohl im Angestelltenverhältnis wie auch auf Grund freier Vereinbarung beschäftigt hatten. Da die Tätigkeit dieser Ärzte der Tätigkeit der Beschwerdeführer gleichwertig sei, liege eine Vervielfachung der persönlichen Arbeitsleistung der Inhaber des Laboratoriums vor, weshalb das Unternehmen der Beschwerdeführer als Gewerbebetrieb anzusehen sei. Das Finanzamt schloß sich dieser Auffassung des Prüfers an und erließ im Anschluß an die Betriebsprüfung berichtigte Steuerbescheide, mit welchen es die von den Beschwerdeführern in den Jahren 1956 bis 1958 erzielten Gewinne u. a. auch der Gewerbesteuer unterwarf.

Die Beschwerdeführer beriefen. Sie führten dabei zunächst aus, daß im gegenständlichen Falle das Vorliegen eines Gewerbebetriebes schon deshalb zu verneinen sei, weil es sich hier ausschließlich um eine ärztliche Berufstätigkeit handle, welche als Ausübung eines freien Berufes nach § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG anzusehen sei. Im übrigen liege aber auch eine "Vervielfältigung" der Arbeitskraft der Beschwerdeführer nicht vor. Denn die an andere Ärzte gezahlten Beträge


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1956
 
1957
 
1958
in der Höhe von
S
82.182
S
90.096
S
104.014
entfielen größtenteils, d. i. mit
"
39.662
"
55.720
"
70.909

auf Dr. med. OZ, mit dem bereits seit Jahrzehnten eine Arbeitsgemeinschaft für den Bereich der elektrokardiographischen Untersuchungen bestehe. In den übrigen Fällen der Inanspruchnahme anderer Ärzte mit einem


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1956
 
1957
 
1958
Aufwand von
S
42.520
S
34.376
S
33.104

handle es sich um die Heranziehung selbständiger Ärzte und Institute für bestimmte Prüfungen (z. B. serotherapeutische oder serologische Untersuchungen). Im Verhältnis zu den im Prüfungszeitraum erzielten


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1956
 
1957
 
1958
Umsätzen von
S
1,082.931
S
1,380.416
S
1,379.376
stelle dieser Aufwand einen Anteil von
 
3,9 %
 
2,5 %
 
2,4 %

dar, sodaß auch aus diesem Grunde nicht von einer "Vervielfachung" der Arbeitskraft der Beschwerdeführer gesprochen werden könne. Dies könne aber schließlich ebensowenig hinsichtlich der im Prüfungszeitraum angestellt gewesenen drei Ärzte behauptet werden, weil der Erstbeschwerdeführer im Hinblick auf sein hohes Alter eine Assistenz benötige, die Zweitbeschwerdeführerin vorübergehend eine Assistenz beschäftigen mußte, um sich der Vollendung ihrer Ausbildung als Facharzt zu widmen und das Dienstverhältnis der dritten Ärztin lediglich zu Ausbildungszwecken eingegangen worden sei. Die Annahme eines Gewerbebetriebes sei daher nach keiner Richtung hin begründet.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine freiberufliche Tätigkeit zu einer gewerblichen werde, wenn die Arbeitskraft des Unternehmers durch andere Arbeitskräfte vervielfacht werde. Im vorliegenden Falle hätten die Beschwerdeführer die Feststellung der Betriebsprüfung, daß Ärzte sowohl in freier Vereinbarung als auch im Angestelltenverhältnis mittätig seien, grundsätzlich unwidersprochen gelassen. Sie hätten im wesentlichen bloß eingewendet, daß die Honorierung der anderen Ärzte im Verhältnis zu den erzielten Umsätzen minimal gewesen sei. Hiebei hätten jedoch die Beschwerdeführer zu Unrecht den Umsatz und nicht den Gewinn als Vergleichsmaßstab herangezogen. Vergleiche man aber die in den Jahren 1956 bis 1958 ausbezahlten Befundhonorare mit den auf die einzelnen Beschwerdeführer im gleichen Zeitraum entfallenen Gewinnen, so könne man feststellen, daß jene Honorare den auf den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin entfallenden Gewinnen nahegekommen seien und die auf die Drittbeschwerdeführerin entfallenden Gewinne sogar überstiegen hätten. Das Unternehmen der Beschwerdeführer sei daher als gewerbliches Unternehmen anzusehen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügen die Beschwerdeführer, daß der Berufungskommission, die über ihre Berufung entschieden hat, kein Beisitzer angehört habe, welcher von der Ärztekammer entsendet worden sei. Sie stützen sich dabei auf die Bestimmung des § 35 Abs. 1 AbgRG, wonach dem Berufungssenat mindestens ein Beisitzer angehören soll, der von der gesetzlichen Berufsvertretung des Berufungswerbers entsendet wurde. Dabei handelt es sich aber nur um eine Sollvorschrift, deren Nichteinhaltung keine Rechtsfolgen nach sich zieht (vgl das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1305/57).

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist im vorliegenden Falle davon auszugehen, daß die ärztliche Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG zwar grundsätzlich zu den freien Berufen zählt und die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen daher den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzurechnen sind. Doch liegen, wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausführlich begründet hat, Einkünfte aus selbständiger Arbeit dann nicht mehr vor, wenn sich der freiberuflich Tätige, um die in seinem Unternehmen anfallende Arbeit zu bewältigen, bei wesentlichen Berufsverrichtungen von anderen Personen vertreten läßt, die für das betreffende Arbeitsgebiet die entsprechende berufliche Ausbildung besitzen (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1988/F). Dabei handelt es sich um einen Grundsatz, der für alle freiberuflichen Tätigkeiten und keineswegs - wie die Beschwerdeführer meinen - bloß für die unterrichtende Tätigkeit gilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1739/56),

Grundsätzlich ist daher die sogenannte "Vervielfältigungstheorie" auch bei Ausübung des ärztlichen Berufes anwendbar, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß eine entscheidend ins Gewicht fallende Vervielfältigung der Arbeitskraft des freiberuflich tätigen Arztes auch wirklich vorliegt. In dieser Hinsicht läßt jedoch der angefochtene Bescheid die erforderlichen Feststellungen vermissen. Insbesondere hat die belangte Behörde die Frage, inwieweit die bei den Beschwerdeführern im Angestelltenverhältnis tätig gewesenen Ärzte eine maßgebliche Vervielfachung der Arbeitskraft der Beschwerdeführer darstellten, überhaupt nicht geprüft. Sie beschränkte sich vielmehr auf die Feststellung, daß die an andere, nicht im Unternehmen der Beschwerdeführer tätigen Ärzte für gelegentliche Untersuchungen besonderer Art gezahlten Honorare in ihrer Gesamtheit ungefähr der Höhe des Gewinnanteiles eines Beschwerdeführers entsprächen, und glaubte daraus allein schon die Tatsache einer Vervielfältigung der Arbeitskraft der Unternehmer und somit die Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführer ableiten zu können. Diese Feststellung ist jedoch für die von der belangten Behörde gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen völlig unzureichend. Denn die bloße Tatsache, daß die Beschwerdeführer bestimmte Untersuchungen, für die sich offenbar ihr Laboratorium nicht eignete, durch andere Ärzte und Laboratorien bzw. durch serotherapeutische und serologische Institute durchführen ließen, sagt hinsichtlich der Vervielfältigung der Arbeitskraft der Beschwerdeführer überhaupt nichts aus. Denn dabei handelte es sich ja ihrer Behauptung nach um Arbeiten, die sie selbst mangels entsprechender Ausstattung ihres Laboratoriums oder wegen fehlender Spezialkenntnisse nicht durchführen konnten und nicht - wie sonst bei der Vervielfältigung der Unternehmerleistung - um Tätigkeiten, die sie selbst hätten ausführen können und bloß zwecks Erhöhung der Arbeiteleistung an andere Mitarbeiter weitergaben. Um die wirtschaftliche Bedeutung solcher "außer Hause" gegebenen Arbeiten für das Unternehmen richtig abschätzen zu können, ist es auch falsch, die an andere Unternehmer gezahlten Honorare mit den von den Beschwerdeführern erzielten Gewinnen zu vergleichen, wie dies die belangte Behörde getan hat. Hier gibt - wie die Beschwerdeführer mit Recht einwenden - nur ein Vergleich mit den getätigten Umsätzen ein richtiges Bild; dieses zeigt aber im vorliegenden Falle, daß die an die fremden Ärzte und Laboratorien gezahlten Honorare im Verhältnis zu den von den Beschwerdeführern erzielten Umsätzen bloß geringfügige Prozentsätze ausmachten.

Da somit die belangte Behörde den für die Annahme einer Gewerbesteuerpflicht der Beschwerdeführer maßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend erforschte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Anberaumung einer Verhandlung, die von den Beschwerdeführern übrigens erst nach Ablauf der Beschwerdefrist beantragt worden war, wurde gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1952 abgesehen.

Wien, am

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Normen
EStG 1953 §15 Abs1 Z1;
EStG 1953 §18 Abs1 Z1;
GewStG §1 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1963:1962000324.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-52610