VwGH 30.01.1953, 0323/52
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Zur Gründung einer offenen Handelsgesellschaft ist zwar ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht erforderlich, doch muß ein mündliches Übereinkommen, wenn es steuerlich anerkannt werden soll, ausreichend zum Ausdruck kommen, weil sonst steuerliche Folgen willkürlich herbeigeführt werden könnten. Zumal bei Familiengesellschaften muß das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses besonders vorsichtig geprüft werden. |
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RS 2 | Wird eine vor dem angeblich mündlich begründete OHG nach Errichtung des (mit Rückwirkung ausgestatteten) Gesellschaftsvertrages mit Rückwirkung in das Handelsregister eingetragen und geschieht dies eingestandenermaßen unter Berufung auf die größere steuerliche Belastung des Einzelkaufmanns, dann ist dieser rückwirkenden Eintragung (bzw der damit zum Ausdruck gebrachten Rückwirkung des Gesellschaftsverhältnisses) die steuerliche Anerkennung zu versagen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde der Firma J B in J gegen die Entscheidung der Berufungskommission für das Burgenland bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI-1427/1950, betreffend Einkommen-, Umsatz und Gewerbesteuer 1949, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Ein Kostenzuspruch entfällt.
Begründung
Die beschwerdeführende Firma war bis zum im Handelsregister als Einzelfirma eingetragen. Mit Eingabe vom hatte der Firmeninhaber dem Finanzamt angezeigt, dass er infolge seines hohen Alters nicht mehr in der Lage sei, das Unternehmen allein zu führen. Schon seit Jahren seien seine Schwiegertochter und seine Enkel bzw. Schwiegerenkel in dem Unternehmen als gleichberechtigte Teilhaber beschäftigt. Der Gewinn sei zu je einem Drittel auf die Gesellschafter aufgeteilt worden. Er beantrage die Personenvereinigung rückwirkend für das Jahr 1949 steuerlich anzuerkennen. Das Finanzamt wies dieses Begehren mit der Begründung ab, dass die beschwerdeführende Firma im Handelsregister als Einzelfirma eingetragen sei und deshalb als solche steuerlich behandelt werden müsse. Es stehe dem Antragsteller jedoch frei, die Einzelfirma ab in eine offene Handelsgesellschaft umzuwandeln. Gegebenenfalls sei dem Finanzamt eine Abschrift des Gesellschaftsvertrages und die Abschrift der Anmeldung der Gesellschaft an das Handelsregister vorzulegen. Gegen diese Mitteilung wandte die Firma mit einen als Beschwerde bezeichneten Schriftsatz vom ein, dass für die steuerliche Beurteilung des Gesellschaftsverhältnisses die tatsächlichen Umstände entscheidend seien. Der bisherige Firmeninhaber habe wegen seines hohen Alters seinen im Jahre 1943 verstorbenen Sohn als Gesellschafter beschäftigt, so dass die Firma auch steuerlich bis dahin als Gesellschaft behandelt worden sei. Im Jahre 1946 habe die Enkelin des Firmeninhabers geheiratet. Seither seien ausser dem Firmeninhaber noch die beiden Eheleute, sowie seine Schwiegertochter und sein Enkel (deren Sohn) ständig im Unternehmen tätig und werde der Lebensunterhalt der drei Familien aus dem Geschäft bestritten. Ein Gesellschaftsvertrag könne erst nach Ausarbeitung durch den Rechtsanwalt vorgelegt werden. Der Eingabe schloss die Firma eine Abschrift des Gesuches um Eintragung der offenen Handelsgesellschaft im Handelsregister für die Zeit ab bei. Das Handelsregister Wien bewilligte mit Beschluss vom die Eintragung der offenen Handelsgesellschaft mit Wirkung vom . In der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1949 wies die nunmehr registrierte offene Handelsgesellschaft einen Gewinn von 186.761 S aus und teilte sie diesen zu je einem Drittel auf J B, H und F D und K und W B auf. In der Folge legte die Firma auch eine Bestätigung des Gemeindeamtes J vor, wonach die Firma seit 1938 als Personenvereinigung bestanden hat, nach dem Tod des Sohnes J B´s im Jahre 1943 wieder in eine Einzelfirma umgewandelt wurde, aber seither von den Enkeln J B´s und dem Gatten der Enkelin geleitet wird und aus den Erträgnissen der Firma die drei Familien J B, dessen Schwiegertochter mit ihrem Sohn und deren Tochter mit ihrem Mann den Lebensunterhalt bestreiten. Die Firma sei daher als offene Handelsgesellschaft anzusehen. Das Finanzamt veranlagte die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1949, ohne eine Aufteilung des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorzunehmen, unter dem Namen J B. In den Erläuterungen des Steuerbescheides wurde angeführt, dass die Umwandlung der Einzelfirma ab in eine offene Handelsgesellschaft nicht anerkannt werden könne, weil die diesbezügliche Eintragung im Handelsregister erst am erfolgt sei. Hiedurch erledige sich die Beschwerde vom .
Die Firma berief. Sie wiederholte die in ihrer Eingabe und ihren Einwendungen an das Finanzamt angeführten Gründe und wies insbesondere darauf hin, dass J B, der frühere Firmeninhaber, infolge seines Alters (geboren 1866) nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Unternehmen allein zu führen. Er habe zwar die Gewinne für das Jahr 1945 bis 1946 allein versteuert, jedoch sei die steuerliche Belastung inzwischen derart gestiegen, dass die Firma die tatsächlich an die Gesellschafter erfolgte Gewinnaufteilung bereits ab dem Jahre 1949 steuerlich in Anspruch nehmen müsse. Indem das Finanzamt der auf den rückwirkenden Eintragung der offenen Handelsgesellschaft in das Handelsregister keine rechtliche Bedeutung beimesse, verstosse es gegen den Grundsatz der Publizität des Handelsregisters. Daraufhin vernahm das Finanzamt am den Schwiegerenkel des Beschwerdeführers, H D, ein. Der erklärte u.a., dass bis zum ein Kapitalkonto und ein Privatkonto für die Gesellschafter der Firma nicht geführt worden sei. Der Gewinn des Jahres 1949 sei vielmehr dem bis dahin bestandenen Kapitalkonto zugeführt und „ausserbücherlich auf die Gesellschafter zu je einem Drittel aufgeteilt“ worden.
Die Berufungskommission wies die Berufung als unbegründet ab. Welche Umstände das seinerzeit zuständige Finanzamt bewogen hätten, für 1939 eine Gewinnaufteilung vorzunehmen, sei nicht mehr aktenkundig. Keinesfalls aber könne aus dieser Veranlagung der Schluss abgeleitet werden, dass die ab 1924 bis Anfang 1950 als Einzelfirma eingetragene Firma, die ihre Gewerbesteuererklärungen, soweit feststellbar‚ bis 1948 auch als solche abgegeben habe, ab 1949 steuerlich als offene Handelsgesellschaft zu behandeln sei. Ebensowenig werde durch die Mitarbeit von Familienmitgliedern ein Recht auf deren Behandlung als Gesellschafter begründet. Die Bestätigung des Gemeindeamtes J über die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familienmitglieder und die Meinung, es handle sich demnach um eine offene Handelsgesellschaft, sei für die steuerliche Betrachtung unerheblich. Warum erst im Jahre 1950 um die Umwandlung der Einzelfirma in eine offene Handelsgesellschaft beim Handelsgericht eingeschritten worden sei, sei unerheblich. Tatsache sei, dass diese Umwandlung erst anfangs 1950 eingeleitet und vollzogen worden sei. Die Eintragung im Handelsregister, wonach die Firma ab , also rückwirkend, offene Handelsgesellschaft sei, sei steuerlich unerheblich. Massgebend seien allein die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Weder durch mündliche Vereinbarungen der Beteiligten noch durch eine Eintragung ins Handelsregister könnten nachträglich für die Einkommenbesteuerung der Vergangenheit andere Grundlagen geschaffen werden. Insbesondere bei der Gründung von Familiengesellschaften sei auf genaue Festlegung aller Einzelheiten des Vertrages besonderer Wert zu legen. Bisher sei ein Gesellschaftsvertrag noch nicht abgeschlossen worden. Die Firma habe auch bei der im September 1949 durchgeführten Betriebsprüfung dem Prüfer von dem Bestehen des Gesellschaftsvertrages keine Kenntnis gegeben. Schliesslich deuteten die Ausführungen der Berufung darauf, dass die Firma die Umwandlung in eine offene Handelsgesellschaft nur aus Ersparungsgründen schon für das Jahr 1949 geltend machen wolle. Es handle sich deshalb um eine nach den §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes unbeachtliche Scheinhandlung.
Diesen Bescheid hat die Firma nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten. Sie wiederholt ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und beantragt unter Hinweis auf einige Urteile des Reichsfinanzhofes, in denen die Mitunternehmerschaft von Familienmitgliedern anerkannt wurde, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Gesetzwidrigkeit des Inhaltes. Sie rügt es ferner als Verfahrensmangel, dass die belangte Behörde keine weiteren Erhebungen über die Entlohnung der Gesellschafter durchgeführt habe, obzwar diesen im Jahre 1949 die Gehälter nicht ausbezahlt worden seien, und beantragt schliesslich den Zuspruch von Kosten im Betrage von 1.615'- S.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 215 Abs. 2 Abgabenordnung (AO.) werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an diesem mehrere Personen beteiligt sind. Der Feststellungsbescheid hat nach § 216 Abs. 1 Z. 2 AO. auch die Feststellung zu treffen, wie der Gewinn auf die Mitunternehmer zu verteilen ist. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb werden also nur dann gesondert und einheitlich festgestellt und aufgeteilte wenn mehrere an den Einkünften beteiligt sind. Ob eine Beteiligung vorliegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen.
Im vorliegenden Fall haben die Finanzbehörden ein Gesellschaftsverhältnis für das Jahr 1949 nicht als gegeben erachtet. Die von der beschwerdeführenden Firma vorgebrachten Gründe, die dazu geführt haben sollen, dass die Geschäfte der Firma tatsächlich von den Familienmitgliedern gemeinsam geführt wurden, reichen nicht hin, den Schluss zu rechtfertigen, dass diese Tätigkeit in einem Gesellschaftsverhältnis ausgeübt wurde. Die belangte Behörde hat den dahingehenden Ausführungen deshalb mit Recht keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Wenn die Beschwerdeführerin ferner im Verwaltungsverfahren eine Bestätigung des Gemeindeamtes J vorgelegt hat, dass Familienmitglieder des Firmeninhabers aus den Erträgnissen des Unternehmens ihren Lebensunterhalt bestritten haben sollen, so besagt auch das noch nicht, dass zwischen dem damaligen Firmeninhaber und seinen Verwandten ein Gesellschaftsverhältnis bestanden hat, das jedem Gesellschafter bestimmte Rechte und Pflichten auferlegt. An die darin vom Bürgermeister geäusserte Rechtsansicht war die Behörde nicht gebunden. Sie konnte vielmehr aus der Tatsache, dass die Verwandten mit dem Firmeninhaber im gemeinsamen Haushalt leben, eher auf eine steuerlich unmassgebliche Gewinnverwendung als auf eine Gewinnaufteilung auf Grund eines Gesellschaftsverhältnisses schliessen. Es ist richtig, dass zur Gründung einer offenen Handelsgesellschaft ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag nicht erforderlich ist. Ein mündliches Übereinkommen muss aber, wenn es steuerlich anerkannt werden soll, ausreichend zum Ausdruck kommen, weil sonst steuerliche Folgen willkürlich herbeigeführt werden könnten. Zumal bei Familiengesellschaften muss das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses besonders vorsichtig geprüft werden. Das von der Beschwerdeführerin behauptete Gesellschaftsverhältnis hat aber im Jahre 1949 nicht einmal in den Büchern der Firma seinen Niederschlag gefunden. Es wurde weder ein Kapitalkonto, noch ein Privatkonto der Gesellschafter geführt. Dagegen boten die Ausführungen der Firma in der Berufung, dass die Eintragung des Gesellschaftsverhältnisses im Handelsregister wegen der unerträglich gewordenen steuerlichen Belastung eines Einzelkaufmannes notwendig geworden sei, der belangten Behörde eine hinreichende Grundlage für den im angefochtenen Bescheid niedergelegten Schluss, dass die rückwirkende Eintragung in das Handelsregister aus Gründen der Steuerersparung erfolgt sei. Die Behörde war deshalb im Recht, wenn sie diese rückwirkende Eintragung unter Hinweis auf die Bestimmungen der steuerlichen Anerkennung gemäss §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes versagt hat.
Demgegenüber kann auch der Einwand der Beschwerde nicht durchdringen, dass die Familienmitglieder für ihre Mitarbeit seit Jahren keinen Lohn erhalten haben. Denn eine Entlohnung war im Rahmen der Haushaltegemeinschaft auch in der Form einer Gewinnverwendung des Firmeninhabers möglich, wenn ein verschiedenen, zum Teil vielleicht als lästig empfundenen gesetzlichen Vorschriften unterworfenes Dienstverhältnis der Verwandten zum Firmeninhaber nicht bestanden haben sollte. Bei diesem Sachverhalt musste die Behörde auch keine weiteren Ermittlungen darüber anstellen, ob den im Unternehmen mittätigen Verwandten des Firmeninhabers etwa an Stelle einer Entlohnung Gewinnanteile zugebilligt waren. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf des Verfahrensmangels ist deshalb nicht begründet.
Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Urteile des Reichsfinanzhofes beruft, die ihrem Standpunkt Rechnung zu tragen scheinen, muss darauf verwiesen werden, dass diese Entscheidungen, die übrigens die österreichischen Finanzbehörden nicht zu binden vermöchten, durch eine Reihe scheinbar gegenteiliger Entscheidungen aufgewogen werden, ein Zeichen, dass auch der Reichsfinanzhof sein Urteil jeweils von den besonderen Umständen des einzelnen Falles abhängig zu machen pflegte.
Da die belangte Behörde also das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses im Jahre 1949 mit Recht verneinen konnte, kann der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig befunden werden. Die dagegen erhobene Beschwerde musste deshalb nach § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden. Ein Kostenzuspruch hatte daher nach § 47 VwGG 1952 zu entfallen.
Bemerkt wird, dass der Verwaltungsgerichtshof in eine Prüfung der Beschwerdeberechtigung, was die Einkommensteuer anlangt, nicht eingegangen ist, weil derjenige, der die Beschwerde namens der Firma erhoben hat, mit dem Einkommensteuerpflichtigen personengleich ist.
Wien,
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 708 F/1953 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1953:1952000323.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-52607