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VwGH 04.12.1969, 0310/69

VwGH 04.12.1969, 0310/69

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Ausführungen zur Frage eines inländischen Wohnsitzes in einem Erbschaftssteuerverfahren.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde JS und der ES, beide in N, vertreten durch Dr. Artur Ehrenhaft, Rechtsanwalt in Wien VIII, Alserstraße 15, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII- 168/5/69, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die in N wohnhaften Beschwerdeführerinnen sind die Witwe bzw. die Tochter nach dem am in N verstorbenen PS. Dieser hatte testamentarisch die Erstbeschwerdeführerin zu einem Drittel und die Zweitbeschwerdeführerin zu zwei Dritteln zu Erben eingesetzt. In diesem Sinn erging die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes H. vom . PS lebte bis zu seinem Tode mit seiner Gattin, der Erstbeschwerdeführerin, im gemeinsamen Haushalt und war am Todestage Staatsbürger der USA, wo er als Vertreter einer österreichischen Metallwarenfabrik tätig war.

Gemeinsam mit seiner Schwester MS war PS je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ. XX des Grundbuches H., Haus in der G.-gasse Nr. 12 und

T.-gasse Nr. 58.

In dieser Villa befand sich eine dem PS gehörige Fünfzimmerwohnung, in der drei Zimmer mit Möbeln teilweise eingerichtet waren.

Wie das abgabenbehördliche Ermittlungsverfahren ergab, kam PS jährlich einmal nach W in Österreich, wo er sich meist im Sommer einige Wochen hindurch aufhielt. So war er im Jahre 1963 ca. vier Wochen, im Jahre 1964 von Juli bis August und im Jahre 1965 vom 1. bis in W., wobei er in seiner Wohnung abstieg. Vorher war die Wohnung des PS an einen Angehörigen der Indonesischen Botschaft vermietet gewesen. Seit Jahren war der Verstorbene bemüht gewesen, das Haus bzw. seinen Hälfteanteil zu verkaufen. Im Sommer 1963 hatte er vom Dorotheum die Wohnungseinrichtung schätzen lassen.

Aus einem im Abhandlungsverfahren nach PS ergangenen Beschluß des Bezirksgerichtes H. vom ist zu ersehen, daß das Verlassenschaftsgericht gemäß § 23 Abs. 3 des Außerstreitpatentes mit der Begründung vorgegangen ist, daß der Erblasser PS seinen Wohnsitz im Inland gehabt habe, welche Tatsache durch das Vorhandensein einer eingerichteten Wohnung und eines im Jahre 1957 angeschafften Personenkraftwagens erhärtet werde.

Im Zuge des Verfahrens zur Bemessung der Erbschaftssteuer vom Erbanfall an die Beschwerdeführerinnen forderte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in W. den Vertreter der Beschwerdeführerinnen am auf, die Erbschaftssteuererklärung unter Einbeziehung des in Amerika befindlichen Vermögens nach dem verstorbenen PS abzugeben, da nach Ansicht des Finanzamtes der Genannte in Österreich einen Wohnsitz innegehabt habe.

Diesem Auftrag kamen die Beschwerdeführerinnen unter Vorbehalt des Rechtsstandpunktes nach, daß mangels Wohnsitzes des Verstorbenen im Inland nur das im Inlande befindliche unbewegliche Vermögen des Erblassers der Erbschaftssteuer zu unterziehen sei.

Diesem Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerinnen folgte das Finanzamt nicht. Vielmehr forderte es mit Bescheid vom von den Beschwerdeführerinnen Erbschaftssteuer von insgesamt S 48.716,-- zuzüglich einer Rechtsgebühr von S 45,-- zur ungeteilten Hand zur Entrichtung an, wobei das Finanzamt der Abgabenbemessung nicht nur das inländische Nettovermögen, sondern auch das in den USA vorhandene Vermögen des Erblassers im Grunde des § 6 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Z. 2 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141 (ErbStG), zugrunde legte.

In der gegen den Erbschaftssteuerbescheid rechtzeitig erhobenen Berufung bekämpften die Beschwerdeführerinnen die unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne der vorzitierten Gesetzesstelle und rügten überdies das Fehlen einer entsprechenden Begründung des angefochtenen Bescheides. Es dürfe Erbschaftssteuer nur vom inländischen Vermögen des PS eingehoben werden, da dieser bei seinem Ableben im Inland keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung vom , BGBl. Nr. 194 (BAO), gehabt habe. Die gegenständliche Wohnung sei bis 1963 überhaupt nicht vom Erblasser benützt worden, sondern vermietet gewesen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses im Jahre 1963 habe sich PS bemüht, seinen Hausanteil samt Wohnung und Einrichtung zu verkaufen. Der Erblasser habe lediglich in den Jahren 1963 bis 1965 während des Sommerurlaubes jedes Jahr durch einige Tage die Wohnung als Stützpunkt für seine Urlaubsreisen benützt. Das Finanzamt habe jede Angabe darüber unterlassen, welche konkreten Umstände für die Annahme maßgebend gewesen seien, der Erblasser habe auch in Zukunft die Wohnung in W. beibehalten und benützen wollen. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe darüber nicht nur keine amtswegigen Erhebungen und Feststellungen durchgeführt, sondern auch die von den Beschwerdeführerinnen gestellten diesbezüglichen Beweisanbote übergangen.

In der abweislichen Berufungsvorentscheidung vom , die infolge des rechtzeitigen Antrages der Beschwerdeführerinnen, ihr Rechtsmittel der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen, nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, hatte das Finanzamt den Beschwerdeführerinnen folgendes entgegengehalten. Ob ein Wohnsitz im Einzelfall vorliege, sei nach den äußeren Erscheinungsformen, nicht nach der Absicht des Abgabepflichtigen zu beurteilen. Es sei weder verlangt, daß die Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Inhabers bilde, noch daß der Wohnungsinhaber polizeilich gemeldet oder Hauptmieter sei. Es sei daher unmaßgeblich, ob der Beschwerdeführer seine Staatsbürgerschaft und seinen Wohnsitz in den USA gehabt habe. Auch das Abhandlungsgericht habe das Innehaben eines, wenn auch nur sporadisch benutzten Wohnsitzes im Inland bejaht. PS habe übrigens auch in den Einkommensteuererklärungen einen Wohnsitz im Inland angegeben.

Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung vom hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung der Beschwerdeführerinnen endgültig abgewiesen. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens sei - so hat die belangte Behörde begründend ausgeführt - durch die Begründung der Berufungsvorentscheidung saniert worden. Wenn auch diese Berufungsvorentscheidung außer Wirksamkeit getreten sei, bleibe sie doch als Vorhalt aufrecht. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführerinnen im übrigen entgegengehalten, daß PS in allen Steuererklärungen bis einschließlich 1965 als seinen Wohnsitz W., G-gasse 12, angegeben habe. Eine Haushaltsliste anläßlich der Personenstands- und Betriebsaufnahme zum sei allerdings nicht abgegeben worden. Durch Einvernahme der ehemaligen Hausbesorgerin des inzwischen abgetragenen Hauses Ggasse 12 als Auskunftsperson sei festgestellt worden, daß die Wohnung Tür Nr. 2 der MS und die Wohnung Tür Nr. 3 dem PS gehört habe. Diese Wohnung sei mit den wichtigsten Möbelstücken ausgestattet gewesen, sodaß PS immer, wenn er aus den Vereinigten Staaten nach Österreich gekommen sei, dort habe wohnen können. Von den fünf Zimmern der Wohnung seien drei teilweise, und zwar mit Betten, Kästen und Schreibtisch usw. eingerichtet gewesen. Dieses Erhebungsergebnis sei den Beschwerdeführerinnen zur allfälligen Stellungnahme bekanntgegeben worden. Eine solche sei jedoch nicht erfolgt.

Demnach habe der Erblasser PS - so hat die belangte Behörde den Beschwerdeführerinnen abschließend entgegengehalten - seine inländische Wohnung unter Umständen innegehabt, die darauf schließen ließen, daß er sie beibehalten und benützen werde. Somit habe PS einen inländischen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO gehabt, weshalb der Berufung kein Erfolg habe beschieden sein können.

Gegen diese Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zwischen den Beschwerdeführerinnen und der belangten Behörde besteht Streit darüber, ob der Erblasser PS, der als Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika dort im Jahre 1965 gestorben ist, neben seinem Wohnsitz in N. auch einen Wohnsitz in W., G-gasse 12, gehabt hat.

Die belangte Behörde hat das Bestehen eines inländischen Wohnsitzes des Erblassers bejaht und hat daher den gesamten gegenständlichen Erbanfall im Grunde des § 6 Abs. 1 Z. 1 und § 6 Abs. 2 Z. 2 ErbStG der Erbschaftssteuer unterzogen.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 ErbStG ist die Steuerpflicht für den gesamten Erbanfall gegeben, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit des Eintrittes der Steuerpflicht ein Inländer ist. Als Inländer im Sinne des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 gelten u. a. gemäß § 6 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. Ausländer, die im Inland einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen einen gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Die Beschwerdeführerinnen behaupten nun, daß der Erblasser im Zeitpunkte seines Ablebens keinen Wohnsitz im Inland gehabt habe, weshalb der Erbanfall nur der beschränkten Steuerpflicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 2 ErbStG - also im konkreten Fall nur hinsichtlich des inländischen Grundvermögens - unterliege. Die Frage, ob PS einen Wohnsitz im Inland gehabt hat, ist von den Abgabenbehörden unter Heranziehung des § 26 Abs. 1 BAO bejaht worden. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Im vorliegenden Fall kam es mangels eines entsprechenden Staatsvertrages zwischen Österreich und den USA zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbanfalls- oder Nachlaßsteuern nicht darauf an, ob auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers PS in Österreich gelegen war.

Nach der Aktenlage hatte der Erblasser PS in dem ihm und seiner Schwester je zur Hälfte gehörigen Haus in W. eine aus fünf Zimmern bestehende Wohnung, in der drei Zimmer teilweise eingerichtet waren und die der Erblasser PS bei seinen alljährlichen Besuchen in W. als Absteigquartier benutzte. Dies war in den Jahren 1963 bis 1965 jeweils durch einige Wochen der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun der Ansicht der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie aus den von ihr festgestellten tatsächlichen Umständen den rechtlichen Schluß gezogen hat, PS habe seine Wohnung in Österreich unter Umständen innegehabt, die darauf schließen ließen, daß er sie beibehalten und benützen werde. Nach der Sachlage besaß der Erblasser in seiner Wohnung für seine Aufenthalte in W. ein den Verhältnissen entsprechendes Heim. Daß diese Wohnung im Hause, das PS zur Hälfte gehörte, nur anläßlich der Aufenthalte des PS in W. von diesem benutzt wurde, ändert nichts an der Wohnsitzeigenschaft, so wie es auch nicht maßgebend sein kann, daß der Erblasser in den USA einen Wohnsitz hatte. Auch konnte es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommen, daß sich PS mit - bei seinen Lebzeiten nicht mehr verwirklichten - Verkaufsabsichten hinsichtlich des gegenständlichen Hauses bzw. der ihm gehörigen Hälfte und des Wohnungsinventars getragen hat. Demnach fehlt es auch an der von den Beschwerdeführerinnen gerügten Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn die belangte Behörde über die beabsichtigte Veräußerung der Wohnung keine Beweise aufgenommen hat, da eine solche Absicht an dem sichtbaren Umstand der Innehabung der gegenständlichen Wohnung nichts geändert hätte.

Im übrigen blieb die Feststellung der Abgabenbehörden unbestritten, daß ja auch PS selbst in den bis zu seinem Ableben abgegebenen Einkommensteuererklärungen einen inländischen Wohnsitz, nämlich W., G-gasse Nr. 12, angegeben hatte.

Aus den angeführten Gründen konnte der vorliegenden Beschwerde demnach kein Erfolg beschieden sein; sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf das von den Beschwerdeführerinnen und der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattete sonstige schriftliche Vorbringen weiter einzugehen war.

Die belangte Behörde hat für den Fall ihres Obsiegens einen Aufwandersatz in der Höhe von S 390,-- (S 60,-- an Vorlageaufwand und S 330,-- an Schriftsatzaufwand) geltend gemacht. Diesem Begehren war gemäß § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b, § 48 Abs. 2 lit. a und b, § 49 Abs. 2, § 53 Abs. 1 letzter Satz und § 59 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4, zu entsprechen.

Die Festsetzung der zweiwöchigen Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs. 4 VwGG 1965.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1969:1969000310.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-52584