VwGH 23.03.1977, 0308/75
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Ausführungen zur Frage des Mittelpunktes der Lebensinteressen (96 und 120 Tage Aufenthalt in Österreich, übrige Zeit in der BRD). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Rosenmayr, über die Beschwerde des AB in N, vertreten durch Dr. Peter Raits, Rechtsanwalt in Salzburg, Imbergstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 39- VBK-DW/1975, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1972, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist persönlich haftender Gesellschafter der U.-Schuhfabrik A. B. KG., die in N. am W.-see eine Betriebsstätte unterhält. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1972 verweigerte das Finanzamt Salzburg den Abzug der in den Jahren 1968 und 1969 erlittenen Verluste mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer in Österreich beschränkt steuerpflichtig sei. In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er zwar keinen Wohnsitz, wohl aber einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe, weil die kaufmännische und technische Leitung des Unternehmens seine laufende Anwesenheit in Österreich erfordere und er sich monatlich ca. 8 bis 10 Tage in N. am W.-see aufhalte; bei seinen Aufenthalten in Österreich wohne der Beschwerdeführer regelmäßig bei seiner in St. verheirateten Tochter. In der Berufungsvorentscheidung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß der Beschwerdeführer "zweifellos neben der Begründung eines Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt" habe. In seinem Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer vor, er habe in der Berufung in keiner Weise bestritten, daß die persönlichen Bindungen zu seinem Wohnsitz wesentlich stärker seien als zu Österreich; ferner habe er nicht bestritten, daß der Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Bundesrepublik Deutschland liege. Bei den Begriffen "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" im § 26 BAO handle es sich um Tatbestände, die räumlich nur nebeneinander, also an verschiedenen Orten gleichzeitig, bestehen können. Ein gewöhnlicher Aufenthalt könne auch bei einer unter Umständen auch wesentlich kürzeren Aufenthaltsdauer in Österreich vorliegen, sofern nur der Aufenthalt unter Umständen genommen werde, die erkennen lassen, daß es sich um ein (zu ergänzen offenbar: "nicht") bloß vorübergehendes Verweilen handle. Es sei daher nach Auffassung des Beschwerdeführers zu prüfen, ob er in der Bundesrepublik Deutschland über einen Wohnsitz verfüge und ob die vorliegenden Umstände für einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich sprechen. Zum ersten Punkt erklärte der Beschwerdeführer ausdrücklich, daß sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland durch das Finanzamt Salzburg-Land außer Streit stehe. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer überwiegender Eigentümer der Firma U.-Schuhfabrik A. B.KG. sei, die kaufmännische und technische Leitung dieses Unternehmens innehabe und daß seine einzige Tochter in St. verheiratet sei, stellten zweifellos Umstände dar, die darauf schließen lassen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nicht nur vorübergehender Natur sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Salzburg die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Sie führte in der Begründung aus, es stehe außer Streit, daß der Beschwerdeführer im Veranlagungszeitraum nicht nur einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, sondern dort auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und damit auch den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, weil seine persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen dorthin stärker gewesen seien. In Österreich habe er sich dagegen nur 8 bis 10 Tage im Monat aufgehalten. Daß seine Tochter in Österreich verheiratet und wohnhaft sei, habe für die Beurteilung der Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes keine Bedeutung. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich komme nur dann in Betracht, wenn ein Abgabepflichtiger im Ausland einen oder mehrere Wohnsitze habe ohne sich dort aufzuhalten, sich aber im Inland unter gewissen, im Gesetz umschriebenen Umständen aufhalte, ohne einen Wohnsitz zu begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1967 sind natürliche Personen die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren Aufenthalt haben, mit inländischen Einkünften im Sinne des § 96 beschränkt einkommensteuerpflichtig. Zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften im Sinne des § 96 leg. cit. gehören auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19), die im Inland ausgeübt wird. Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat gemäß § 26 Abs. 2 BAO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde als außer Streit stehend festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Veranlagungszeitraum in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur einen Wohnsitz, sondern dort auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und damit auch den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, weil er dorthin seine stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hatte; in Österreich dagegen habe er sich nur 8 bis 10 Tage monatlich aufgehalten. Die Beschwerde hebt hervor, es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer "mit einer gewissen Dauer und Regelmäßigkeit in Österreich verweilt" und bringt vor, es sei weder aus dem Bescheid noch aus dem Akteninhalt zu ersehen, auf welche Erhebungen bzw. auf welche konkreten Umstände sich die Sachverhaltsfeststellung des Finanzamtes stütze. Nach Auffassung der Beschwerde ergibt sich aus dem der Berufungsentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt, daß sich der Beschwerdeführer im Streitjahr und auch heute unter Umständen in N. am W.-see aufgehalten hat bzw. aufhält, aus denen ersichtlich ist, daß er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilen wird, sondern ständig an diesen Ort zurückkehrt. Der Beschwerdeführer habe sich zwischen 96 und 120 Tagen im Jahr in N. am W.-see aufgehalten, um ständig dort eine seinen wirtschaftlichen Interessen förderliche Tätigkeit auszuüben. In rechtlicher Hinsicht geht die Beschwerde davon aus, daß der Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Zeitraum einen Wohnsitz in der BRD gehabt habe, nicht aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt, daß auch keine Anhaltspunkte für einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Land hervorgekommen seien und daß er in Österreich einen Wohnsitz begründet habe.
Der von der Beschwerde geltend gemachte Feststellungs- und Begründungsmangel ist deshalb nicht gegeben, weil die belangte Behörde bei ihren Feststellungen von dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ausgegangen ist. Der Beschwerdeführer hat, und zwar in seiner Berufung und in seinem Vorlageantrag, nicht nur erklärt, es gehe aus seinen Ausführungen "eindeutig hervor, daß (er) zwar über keinen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften in Österreich verfügt", wohl aber über einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich und daß er seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland habe, sondern auch vorgebracht,
daß seine "persönlichen Bindungen .... zu seinem Wohnsitzstaat
(Bundesrepublik Deutschland) wesentlich stärker seien als zur Republik Österreich", ferner, daß der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Bundesrepublik Deutschland liege. In der nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch als Vorhalt gemäß § 115 BAO anzusehenden Berufungsvorentscheidung hat das Finanzamt die Auffassung vertreten, daß jemand nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben könne und daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Dagegen hat der Beschwerdeführer in seinem Vorlageantrag weder vorgebracht, daß er in der Bundesrepublik Deutschland nur einen (von mehreren), Wohnsitzen habe und auch nicht bestritten, daß die Voraussetzungen für die Annahme auch des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland gegeben seien. Soweit die Beschwerde im Widerspruch zu dem tatsächlichen Vorbringen im Verwaltungsverfahren steht, erweist sie sich als gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung.
Da der Steuerpflichtige nur einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 1 Abs. 2 EStG 1967 haben kann (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 1113/63, Slg. Nr. 3021/F), konnte die belangte Behörde rechtlich einwandfrei davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer in Österreich keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1977:1975000308.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-52578