VwGH 27.11.1968, 0290/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | EStG 1967 §23 Abs1 Z1 lita; |
RS 1 | Der Begriff der "Anschaffung" schließt den Erwerb durch Erbschaft aus. Unter Erbschaft ist nicht nur der unentgeltliche Erwerb der Erben, sondern auch der gleichfalls unentgeltliche Erwerb der Noterben und des Legatars zu verstehen (Hinweis: Das hat auch dann zu gelten, wenn - wie im Beschwerdefall - der Pflichtteilsberechtigte IN ANRECHNUNG AUF DEN PFLICHTTEIL ein GRUNDSTÜCK AUS DEM EIGENTUM DES ERBEN ÜBERNOMMEN HAT). * E , 290/68 #1 VwSlg 3819 F/1968 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp, Hofstätter und Dr. Reichel, als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Finanzkommissär Dr. Glöckel, über die Beschwerde des Dr. RF, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI-2919/6/67, betreffend Einkommensteuer 1963 und 1964, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Seine Gattin war in den Jahren 1963 und 1964 als Konzipientin in seiner Kanzlei voll mitbeschäftigt. Ihr Vater Rudolf Sch. starb im Jahre 1955. Er hinterließ ein beträchtliches Vermögen, zu dem hauptsächlich Aktien der Sch. Werke und Liegenschaften gehörten. Er setzte seine Gattin Lucie Sch. und seinen Sohn Rudolf Sch. jun. zu Erben ein. Die Gattin des Beschwerdeführers machte ihren Anspruch auf den Pflichtteil geltend, der von ihr mit S 457.138,-- errechnet wurde. Im Wege der Auseinandersetzung mit den Erben übernahm die Gattin des Beschwerdeführers eine Liegenschaft aus dem Nachlaß zum Werte von S 16.000,-- und eine weitere, im Eigentum ihres Bruders Rudolf Sch. stehende Liegenschaft (EZ. 420 der Katastralgemeinde X), zum Werte von S 140.000,-- in Anrechnung auf den Pflichtteil. Die erwähnten Liegenschaften wurden von der Gattin des Beschwerdeführers in den Jahren 1963 und 1964 um S 600.000,-- bzw. S 100.000,-- verkauft. Anläßlich einer Betriebsprüfung errechnete der Prüfer Veräußerungsgewinne im Betrage von S 465.000,-- und S 92.000,--, die das Finanzamt dem berichtigten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1963 und der endgültigen Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1964 zugrunde legte.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Er bestritt die für die Annahme eines Spekulationsgeschäftes (§ 23 EStG) notwendige Anschaffung der Grundstücke. Im weiteren Verfahren wurde auch die Frage erörtert, ob bei der Übertragung der gegenständlichen Liegenschaften ein Kauf, eine Schenkung oder eine gemischte Schenkung anzunehmen sei. Der Berufungssenat wies die Berufung mit Bescheid vom ab. Nach der Sachlage seien die für die Annahme eines Spekulationsgewinnes erforderlichen zeitlichen Voraussetzungen erfüllt. Strittig könne nur sein, ob die vom Gesetz geforderte "Anschaffung" des veräußerten Gegenstandes vorliege, weil im Falle eines unentgeltlichen Erwerbes (durch Erbschaft oder Schenkung) nach Lehre und Rechtsprechung keine Anschaffung im Sinne des § 23 EStG angenommen werde. Der Einwand der Berufung, daß ein solcher unentgeltlicher Erwerb gegeben sei, sei jedoch unbegründet. Das Recht auf den Pflichtteil stelle nach der österreichischen Rechtsauffassung nur einen Wertanspruch dar. Dieser müsse vom Erben in Geld honoriert werden. Er könne sich gegen den Willen des Pflichtteilsberechtigten nicht durch Überlassung eines Anteiles an Gegenständen des Nachlasses von der Erfüllung des Pflichteilanspruches befreien; wenn der Erbe hingegen damit einverstanden sei, liege eine Hingabe an Zahlungs Statt vor. Eine solche gelte aber als "Anschaffung" im Sinne des § 23 EStG. Dies treffe im Berufungsfall zu, wobei die wertvollere der beiden Liegenschaften überdies nicht aus dem Nachlaß selbst, sondern aus dem Vermögen des Testamentserben Rudolf Sch. (des Schwagers des Beschwerdeführers) stamme. Es seien auf Erwerb von Eigentum gerichtete, entgeltliche Geschäfte abgeschlossen worden. Hinsichtlich der wertvolleren Liegenschaft sei auch der Vertrag nicht als Schenkung, sondern als Kauf bezeichnet worden. Schließlich wurde in der Berufungsentscheidung der zusätzliche Einwand, es habe beim Erwerb der Schenkungscharakter überwogen, mit dem Hinweis darauf entkräftet, daß der Schätzwert der Liegenschaften deshalb nur mit S 156.000,-- angenommen worden sei, weil auch die in den Nachlaß fallenden Aktien niedriger bewertet worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 EStG sind Einkünfte aus Spekulationsgeschäften einkommensteuerpflichtig. Zu den Spekulationsgeschäften gehören nach der genannten Gesetzesstelle auch Veräußerungsgeschäfte über Grundstücke unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen. Im vorliegenden Falle ist nur zu beurteilen, ob die Frau des Beschwerdeführers die gegenständlichen Grundstücke "angeschafft hat". Als Anschaffung gilt nach Lehre und Rechtsprechung nicht der Erwerb durch Erbschaft oder Schenkung. Es war daher entscheidend, ob die Beschwerdeführerin die beiden Grundstücke im Erbweg unentgeltlich erworben hat (ein Erwerb durch Schenkung wird in der Beschwerde nicht mehr geltend gemacht). Der Beschwerde ist zuzustimmen, wenn sie geltend macht, daß der Anspruch des Noterben auf den Pflichtteil unentgeltlich erworben wird. Dieser unentgeltliche Erwerb ist aber für die Entscheidung der Frage, ob eine Anschaffung im Sinne des Gesetzes vorliegt, als allein maßgebend anzusehen. Wenn auch nach bürgerlich rechtlicher Beurteilung zwischen dem Erwerb des Erben und dem Erwerb des Noterben ein Unterschied zu machen ist, weil der Erbe nach § 532 ABGB das "ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben in Besitz zu nehmen" erwirbt, während der Noterbe kein Recht auf die Verlassenschaft oder einen Teil derselben hat, so hat hier doch das den beiden Erwerbsakten Gemeinsame, nämlich die Unentgeltlichkeit des Erwerbes, in den Vordergrund zu treten. Auch dem Noterben kann übrigens nach § 774 ABGB der Pflichtteil in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses hinterlassen werden. In einem solchen Falle wäre der Erwerb des Noterben unzweifelhaft nicht als Anschaffung im Sinne des § 23 EStG anzusehen. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob der Pflichtteil in der im § 774 dargestellten Form oder in anderer Form anfällt, er wird jedenfalls als "im Erbwege", d. h. als unentgeltlich erworben, anzusehen sein. Es spricht auch § 764 ABGB ausdrücklich davon, daß der "Erbteil", den diese Personen (denen gemäß §§ 762 und 763 ein Pflichtteil, gebührt) zu fordern berechtigt sind, Pflichtteil heißt.
Der Begriff der "Anschaffung" schließt nach Lehre und Rechtsprechung den Erwerb durch Erbschaft aus. Nach dem bisher Gesagten ist in diesem Zusammenhang unter "Erbschaft" nicht nur der unentgeltliche Erwerb des Erben, sondern auch der gleichfalls unentgeltliche Erwerb des Noterben und des Legatars zu verstehen. Insbesondere wird dies auch nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geboten sein, weil bei allen Arten des Erwerbes von Todes wegen gleichermaßen die Unentgeltlichkeit nur wirtschaftlich gesehen ausschlaggebend ist.
Bei einer solchen Auffassung muß es als unmaßgeblich angesehen werden, in welcher äußeren Form sich die notwendige Auseinandersetzung zwischen den Erben und Noterben abspielt. Es wird daher auch im vorliegenden Falle, in dem es sich ausschließlich um steuerrechtliche Beurteilung nach § 23 EStG handelt, der Abschluß einer "Vereinbarung" bzw. eines "Kaufvertrages" zwischen den Erben und der Noterbin nichts daran ändern, daß der Noterbin, der Frau des Beschwerdeführers, die später verkauften Grundstücke in Wahrheit im Erbwege zukamen, d.
h. von ihr nicht angeschafft wurden.
Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | EStG 1967 §23 Abs1 Z1 lita; |
Sammlungsnummer | VwSlg 3819 F/1968 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1968:1968000290.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-52555