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VwGH 18.06.1974, 0278/74

VwGH 18.06.1974, 0278/74

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Ein Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO tritt - im Gegensatz zu den Fällen des § 251 BAO - nicht an die Stelle eines früheren Bescheides. Vielmehr entfaltet er Rechtswirkung nur, soweit er einen anderen, in seinem Rechtsbestand unberührt bleibenden Bescheid berichtigt. Der Berichtigungsbescheid ist daher nur insoweit anfechtbar, als sein Spruch den Spruch des berichtigten Bescheides ändert und dadurch in einer Weise in Rechte des Abgabepflichtigen eingegriffen wurde, die bisher durch den berichtigten Bescheid nicht berührt worden sind.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Mag. DDr. Heller, Dr. Simon und Dr. Seiler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Heinrich, über die Beschwerde des Dr. ES in A, der Dr. HS in W und des Dipl.-Ing. OS in B, vertreten durch Dr. Gunther Bast, Rechtsanwalt in Amstetten, Schulstraße 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 6-2338/73, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 2.049,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer eines Miethauses, aus dem sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen. Für 1970 erklärten sie einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten von S 4.799,--. Unter den Werbungskosten wurde unter der Bezeichnung "Tilgungsraten an den WWF" auch ein Betrag von S 51.912,80 geltend gemacht. Im Feststellungsbescheid für das Jahr 1970 vom sprach das Finanzamt in der Begründung aus, daß neben der Absetzung für Abnutzung, die vom Einheitswert zum berechnet worden war, der Abzug der geltend gemachten Rückzahlungsraten nicht in Betracht komme. Im Spruch dieses Bescheides stellte das Finanzamt dennoch einen Gesamtverlust von S 47.115,-- fest, weil es irrtümlich den Betrag von S 51.912,80 statt ihn dem erklärten Ergebnis hinzuzurechnen, von diesem abzog. Dieser Feststellungsbescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Bescheid vom berechtigte das Finanzamt den Bescheid vom unter Berufung auf § 293 BAO dahin, daß es im Spruch einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten von S 56.711,-- feststellte.

Gegen den Bescheid vom erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Sie räumten einen Rechenfehler ein, begehrten aber die Abänderung der Feststellung dahin, daß die strittige Post von S 51.912,80 zum Abzug zugelassen werde.

Das Finanzamt wies die Berufung mit der Begründung als unzulässig zurück, daß der Berichtigungsbescheid lediglich den Spruch des fehlerhaften Bescheides richtiggestellt habe, aber keine neue Sachentscheidung gefällt worden sei. Der bisherige Bescheid gehöre nach wie vor dem Rechtsbestand an, denn der berichtigende Bescheid sei nur als ein den ursprünglichen Bescheid richtigstellender, somit lediglich ergänzender Bescheid anzusehen. Eine Berufung gegen den Berichtigungsbescheid könne sich daher nur gegen den Spruch des Berichtigungsbescheides selbst richten und könne nicht dazu führen, daß auch der bereits in Rechtskraft erwachsene Spruch des berichtigten Bescheides angefochten werden könne. Der Berichtigungsbescheid trete nicht an die Stelle des früheren Bescheides. Die Berufung sei daher wegen eingetretener Rechtskraft als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die von der belangten Behörde mit dem nun angefochtenen Bescheid aus folgenden Gründen abgewiesen wurde:

Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, daß der Feststellungsbescheid im Zuge der Berichtigung nach § 293 BAO auch in anderer Richtung abgeändert werden könne. Sie begehrten diese Abänderung hei der AfA. Die Beschwerdeführer stützten sich dabei auf § 251 BAO, wonach Bescheide, die an die Stelle eines früheren Bescheides treten, in vollem Umfang anfechtbar seien. Die Beschwerdeführer könnten jedoch dabei für ihren Standpunkt nichts gewinnen. Denn die Änderung eines Bescheides nach § 293 BAO infolge eines Rechenfehlers bedeute nicht, daß der bisherige, nun als fehlerhaft erkannte Bescheid aufgehoben werde und an seine Stelle ein neuer (nicht mehr mit dem Rechenfehler behafteter) Bescheid trete. Der gemäß § 293 BAO erteilte Berichtigungsbescheid trete nur zu dem ersten (fehlerhaften) Bescheid hinzu und ergänze diesen. Der gemäß § 293 BAO geänderte Bescheid stelle lediglich den Spruch des ergangenen, zufolge eines Rechenfehlers unrichtigen Bescheides richtig, er fälle jedoch keine neue Sachentscheidung. Das bedeute, daß der bisherige, nur berichtigte Bescheid weiterhin dem Rechtsbestand angehöre. Daraus folge, daß sich eine Berufung gegen den Berichtigungsbescheid (§ 293 BAO) nur gegen den Spruch des Berichtigungsbescheides selbst richten und nicht auch der Spruch des berichtigten Bescheides angefochten werden könne (vgl. Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Reeger-Stoll, S. 908 ff.). Genau diese Rechtsansicht werde auch in dem von den Beschwerdeführern zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1881/62, vertreten. Der von den Beschwerdeführern behauptete Unterschied liege nur darin, daß es sich in dem dortigen Beschwerdefall um die nach § 293 BAO durchgeführte Berichtigung eines seinerzeit durch die Behörde unrichtig zum Ausdruck gebrachten Gedankens gehandelt habe, der jedoch, wie der Gerichtshof festgestellt habe, ebenfalls unter die Berichtigungsvorschrift des § 293 BAO falle. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch in dem ins Treffen geführten

Erkenntnis wörtlich weiter ausgeführt: " ..... Soweit aber in der

Beschwerde die Sachentscheidung bekämpft wird, ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie ausführt, daß mit dem angefochtenen Bescheid lediglich der Spruch der ergangenen Rechtsmittelentscheidung richtiggestellt, nicht aber eine Sachentscheidung gefällt wurde". Was das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 4082/A, betreffe, so sei dort ein anderer Sachverhalt als im gegenständlichen Berufungsfall gegeben gewesen. Ein Bescheid des Landesinvalidenamtes sei infolge eines Schreibfehlers berichtigt worden (§ 62 Abs. 4 AVG 1950). Dies deswegen, weil der Spruch des Bescheides anstatt "Herzleiden ist keine Dienstbeschädigung" den Satz "Herzleiden ist eine Dienstbeschädigung" enthalten habe. In einem solchen Fall sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst aus der berichtigten Fassung des Bescheides ein Eingriff in die Rechte des Betroffenen erkennbar, und nur in einem solchen Fall könne dieser nicht nur die Überprüfung der Zulässigkeit der Berichtigung sondern auch die Überprüfung des (gesamten) Bescheides in seiner berichtigten Fassung begehren. Diese Voraussetzungen lägen jedoch bei den Beschwerdeführern nicht vor. Aus all dem ergebe sich, daß durch eine Berufung gegen einen gemäß § 293 BAO berichtigten Bescheid eine Änderung der von der Berichtigung nicht betroffenen Sachentscheidung des Erstbescheides nicht möglich sei. Werde eine solche in der Berufung gegen den Berichtigungsbescheid gestützt auf § 251 BAO irrigerweise trotzdem begehrt, so müsse dieses Begehren mit Rücksicht auf die eingetretene Rechtskraft gemäß § 273 BAO wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde in ihrem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten berichtigen. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind sich darüber einig, daß der Abzug einer Ausgabenpost, die das Finanzamt nicht anzuerkennen dürfen glaubt, statt ihrer Hinzurechnung zu dem erklärten Ergebnis ein einer Berichtigung gemäß § 293 BAO zugänglicher Fehler ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist dieser Meinung.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß ein Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO den berichtigten Bescheid nicht ersetzt, sondern nur NEBEN dem berichtigten Bescheid Rechtswirkungen entfaltet. Es trifft daher auch zu, daß der Berichtigungsbescheid nur insoweit angefochten werden kann, als sich die Berufung gegen den Spruch des Berichtigungsbescheides richtet. Der von der Berichtigung nicht erfaßte Teil des Spruches des berichtigten Bescheides erfährt keine Änderung hinsichtlich seiner Rechtsbeständigkeit. Das bedeutet, daß der berichtigte Bescheid, falls er bereits rechtskräftig geworden ist, jedenfalls insoweit nicht mit einem Beweismittel gegen den berichtigenden Bescheid erfolgreich bekämpft werden kann, als sein Spruch durch den berichtigenden Bescheid nicht geändert wird. Insbesondere trifft auch die Rechtsmeinung der belangten Behörde zu, daß auf Berichtigungen gemäß § 293 BAO die Vorschrift des § 251 BAO nicht anwendbar ist, da der Berichtigungsbescheid kein Bescheid ist, der AN DIE STELLE eines früheren Bescheides tritt (vgl. zu den dargelegten Rechtsausführungen Reeger-Stoll, große Ausgabe der Bundesabgabenordnung, Anm. 8 zu § 293, und das dort zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 1881/62).

Aus dieser Rechtslage glaubt die belangte Behörde ableiten zu müssen, daß es den Beschwerdeführern verwehrt sei, aus Anlaß der Berichtigung des ursprünglichen Bescheides über die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung deren Höhe mit Berufung gegen den Berichtigungsbescheid zu bekämpfen. Das tritt bei der gegebenen Sachlage nicht zu. Die Behörde schließt sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides selbst den Gedankengängen des hg. Erkenntnisses vom , Slg. Nr. 4082/A, an. Aus jenem zu § 62 Abs. 4 AVG 1950 (der im wesentlichen dem § 293 BAO entspricht) ergangenen Erkenntnis läßt sich der folgende Rechtssatz ableiten: "Wurde ein verwaltungsbehördlicher Bescheid später berichtigt und ist erst aus der berichtigten Fassung des Bescheides zu erkennen, daß oder in welchem Ausmaß dieser einen Eingriff in die Rechte oder rechtlichen Interessen des Betroffenen bedeutet, dann eröffnet dies die Möglichkeit, mit einem Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist gegen den Berichtigungsbescheid nicht nur die Überprüfung der Zulässigkeit der Berichtigung, sondern auch die Überprüfung des Bescheides in seiner berichtigten Fassung zu begehren."

Die belangte Behörde vertritt die Rechtsansicht, die Verhältnisse des Beschwerdefalles seien nicht so gelagert wie im Falle des zitierten Erkenntnisses vom . Das ist unrichtig. Es ergibt sich vielmehr eindeutig, daß durch den Berichtigungsbescheid des Finanzamtes der Spruch des Bescheides vom in einer in die Rechtssphäre der Beschwerdeführer eingreifenden Weise abgeändert wurde. Das dadurch, daß statt eines Verlustes von S 47.115,-- ein Überschuß von S 56.711,-- festgestellt wurde. Die Beschwerdeführer traf keine Rechtspflicht, den Bescheid vom zu bekämpfen. Das gilt, auch wenn sie erkannt haben, daß sich das Finanzamt bei der Erlassung dieses Bescheides zu ihren Gunsten geirrt hat. Somit haben es die Beschwerdeführer nicht zu vertreten, daß die Frage der Abzugsfähigkeit der streitgegenständlichen Absetzung nicht im Berufungsweg gegen den seinerzeitigen, nunmehr berichtigten Bescheid ausgetragen worden ist. Ein Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer ist erstmals durch den Berichtigungsbescheid vom dadurch erfolgt, daß ihre Einkünfte nicht der Erklärung entsprechend mit S 4.799,-- , sondern mit S 56.711,-- festgestellt wurden. Daraus folgt - im Gegensatz zur Rechtsansicht der belangten Behörde - die Parallelität des gegebenen Sachverhaltes zu dem, der dem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4082/A, zugrunde lag. Durch den Spruch des Berichtigungsbescheides erfolgte somit eine Änderung des berichtigten Bescheides, und zwar in einem Punkt, der bis dahin nicht zu bekämpfen war.

Im übrigen ist der Berufungsschrift gegen den berichtigten Bescheid, obwohl sie sich als "Berufung gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1970" bezeichnet, zu entnehmen, daß bei der gegebenen Sachlage Gegenstand der Berufung nur der Berichtigungsbescheid im Umfang der durch ihn vorgenommenen Berichtigung war. Da die belangte Behörde das verkannt hat, hat sie die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes zu Unrecht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer nicht ersetzt wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 4706 F/1974
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1974:1974000278.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-52541