VwGH 05.09.1974, 0216/73
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Der Entstehung der GrESt-Schuld für den Erwerb eines Gebäudes auf fremdem Grund steht nicht entgegen, daß sich der Erwerber verpflichtet, das Gebäude abzubrechen, Nur wenn das Gebäude vom Verkäufer abgebrochen und auf einem anderen Grundstück wieder zum Gebrauch durch den Käufer aufgestellt worden wäre, wäre eine GrESt-Pflicht zu verneinen gewesen (Vgl U d BFH vom , BStBl III 69 und E , 2630/49, VwSlg 453 F/1951). |
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RS 2 | Zur Gegenleistung für den Erwerb von Gebäuden auf fremden Boden gehört auch der für die Ablöse des Bestandrechtes am Grundstück bezahlten Betrag, wenn es dem Erwerber hauptsächlich auf die Erwerbung des Gebäudes ankommt. War dagegen der Erwerber am Erwerb des Gebäudes nicht interessiert und hat er es nur erworben, weil dessen Eigentümer sonst nicht zur Ablösung der Bestandrechte bereit gewesen wäre, dann bildet nur der Teil der gesamten Gegenleistung, der auf die Erwerbung des Gebäudes entfällt, die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0072/63 E VwSlg 3005 F/1964 RS 1 |
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RS 3 | Leistungen, die der Erwerber dem Veräußerer erbringt, um aus der zu erwerbenden Sache eine für ihn möglichst vorteilhafte Nutzung zu erzielen, gehören zu den unmittelbar mit der Erwerbung wirtschaftlich zusammenhängenden sonstigen Leistungen und mithin zur Gegenleistung iSd § 11 GrEStG 1955 (Hinweis E , 141/55 VwSlg 1665 F/1957). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0072/63 E VwSlg 3005 F/1964 RS 2 |
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RS 4 | Der Betrag, den ein Miteigentümer einer Liegenschaft dem anderen Miteigentümer anläßlich der Erwerbung von dessen Anteilen neben dem Kaufpreis noch dafür entrichtet, daß dieser die bisher von ihm auf der Liegenschaft benützte Wohnung (Geschäftslokal) räumt, kann nur zu dem Anteil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zugeschlagen werden, der verhältnismäßig auf den verkauften Liegenschaftsanteil entfällt (Hinweis E , 141/55 VwSlg 1665 F/1957). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0072/63 E VwSlg 3005 F/1964 RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerde der Firma M KG in W, vertreten durch Dr. Friedrich Grohs, RA in Wien I, Freyung 7, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom GA 11-1322/1972, betreffend Grunderwerbsteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrags des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde RA Dr. Friedrich Grohs und des Vertreters der belangten Behörde Oberfinanzrat Dr. FM, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 4.593,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Auf Grund einer Mitteilung des FA f d IV., V. u X. Bezirk in Wien vom wurde das FA für Gebühren- und Verkehrssteuern in Wien davon in Kenntnis gesetzt, daß ein auf fremdem Grund und Boden gelegenes Gebäude in Wien X von der Fa. S. & Co GesmbH durch "Kauf" auf die Beschwerdeführerin übergegangen sei.
Das FA schrieb hierauf der Beschwerdeführerin, ausgehend von einem Gesamtkaufpreis von S 1,5 Millionen, mit Bescheid vom gestützt auf § 1 Abs 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 19 55 BGBl 140 (GrEStG) Grunderwerbsteuer im Betrage von S 120.000,-- vor. Zur Begründung wurde in diesem Bescheid darauf verwiesen, daß die Beschwerdeführerin die wirtschaftliche Verfügungsmacht zur Abtragung des vorgenannten Gebäudes erworben habe, weshalb dieser Vorgang der Grunderwerbsteuer unterliege.
Die Beschwerdeführerin berief und machte geltend, der Bescheid spreche von einem Superädifikat. Die Erwerbung eines solchen falle jedoch nicht unter die Bestimmungen des § 2 Abs 2 Z 2 GrEStG. Sie sei aus wirtschaftlichen Gründen an der Miete eines Bahngrundstücks interessiert gewesen. Es habe sich die Möglichkeit ergeben, daß die von der Fa. S. & Co GesmbH gemieteten Grundstücke von der Liegenschaftseigentümerin (der ÖBB) an die Beschwerdeführerin vermietet würden. Die genannte Fa habe nun auf ihre Mietrechte gegen Zahlung eines Ablösebetrags von S 1,500.000,-
- verzichtet und in die Abtragung des in Rede stehenden Gebäudes auf Kosten der Beschwerdeführerin eingewilligt. Nach Abtragung dieses Bauwerks sei das Grundstück von der ÖBB der Beschwerdeführerin vermietet worden. Die Beschwerdeführerin habe demnach weder ein Grundstück noch ein Gebäude auf fremden Grund erworben.
Das FA für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien wies die Berufung zunächst mit Berufungsvorentscheidung vom ab, doch gehört diese Entscheidung nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil die Beschwerdeführerin rechtzeitig die Vorlage ihres Rechtsmittels an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.
Die FLD für Wien, NÖ und Bgld hat mit dem angefochtenen Bescheid vom die Berufung endgültig abgewiesen. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat sie angeführt:
Bei dem gegenständlichen Gebäude habe es sich um Holzhallen gehandelt, die mit dem Grund und Boden fest verbunden gewesen seien. Superädifikate, die "zivilrechtlich zu den Beweglichkeiten zählen", seien steuerrechtlich als Grundstücke anzusehen. Seien Gebäude bereits nach Zivilrecht unbewegliche Sachen, so seien sie immer Bestandteile eines Grundstücks und fielen damit schon unter den Begriff des Grundstücks iS des bürgerlichen Rechts. Der im GrEStG verwendete Ausdruck "Gebäude auf fremden Boden" könne daher nur die bewegliche Sache "Superädifikat" betreffen, weil sonst die im § 2 Abs 2 Z 3 leg cit (richtig: § 2 Abs. 2 Z 2) enthaltene Aufzählung überflüssig gewesen wäre.
Die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das gegenständliche Gebäude habe die Beschwerdeführerin deshalb erlangt, weil es ihr erst nach Bezahlung einer bestimmten Geldsumme möglich gewesen sei, das Gebäude auf eigene Rechnung zu verwerten, also darüber so zu verfügen, als ob sie die Eigentümerin dieser Baulichkeiten wäre. Daß der Erwerb nur in der Absicht erfolgt sei, das Gebäude abzutragen, stehe der Steuerpflicht nicht entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der VwGH nach Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung erwogen hat:
Gem § 2 Abs 2 Z 2 GrEStG sind den Grundstücken iS dieses Gesetzes Gebäude auf fremdem Boden gleichgestellt. Der Erwerb eines solchen unterliegt daher gleichfalls der Grunderwerbsteuer. Was ein "Gebäude" ist, sagt das Gesetz nicht nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen muß es sich um eine mit dem Boden fest verbundene Einrichtung handeln, die durch ihre räumliche Umfriedung Menschen und Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewähren kann. Daß das Gebäude nicht für Dauer, sondern nur für vorübergehende Zwecke errichtet wurde, ist bei dessen steuerrechtlicher Beurteilung ohne Belang.
Die Beschwerdeführerin bekämpft nun unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Feststellung der belangten Behörde, es habe sich um Holzhallen gehandelt, die mit dem Boden fest verbunden gewesen seien. Wie die belangte Behörde zu ihrer Feststellung gelangt sei, es handle sich im Streitfall um Gebäude, sei weder begründet worden, noch sonst aus dem Akteninhalt ersichtlich, da keine Beweisaufnahme erfolgt sei. In Wahrheit seien die Holzhallen mit dem Boden nicht fest verbunden gewesen und offen.
Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerdeführerin das Neuerungsverbot des § 41 Abs 1 erster Satz verletzt. Nach dieser Rechtsvorschrift ist der VwGH nämlich gehalten, den bei ihm angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalts zu überprüfen. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren aber weder darauf hingewiesen, daß die in Rede stehenden Lagerhallen offen noch daß sie nicht mit dem Grund und Boden fest verbunden sind. Im übrigen konnte sich die belangte Behörde aber auf die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens stützen, denen zufolge das in Rede stehende Gebäude unbestrittenermaßen rechtskräftig als Gebäude auf fremden Grund und Boden (§ 51 Abs 3 BewG 1955) festgestellt worden ist. Wenngleich der einschlägige Einheitswertbescheid noch an die Vorgängerin im Mietrecht, nämlich an die Fa. S. & Co GesmbH, ergangen ist, so bindet ein solcher Bescheid, insolange er - was im Streitfall unbestrittenermaßen nicht geschehen ist - nicht behoben oder ersetzt wird, gem § 191 Abs 3 BAO auch hinsichtlich der festgestellten Grundstücksart den Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt übergegangen ist. Es ist daher im Streitfall davon auszugehen, daß auf die Beschwerdeführerin ein Gebäude auf fremden Grund und Boden übergegangen ist, dessen Erwerb zufolge § 2 Abs 2 Z 2 in Zusammenhalt mit § 1 GrEStG die Pflicht zur Entrichtung von GrESt auslöst. Daß die Beschwerdeführerin ein solches Gebäude auf fremdem Grund und Boden iS des GrEStG erworben hat, kann nicht bestritten werden, hat sie doch das Recht erlangt, das Gebäude abzutragen, dh die Sache auf eigene Kosten zu vernichten, ein Recht, das idR nur vom Eigentümer ausgeübt werden kann. Die Beschwerdeführerin meint zwar, daß gerade dieses Recht einen Erwerb nicht als gegeben annehmen lasse. Doch ist auch in diesem Belange der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß - wie dies schon der dBFH in seinem U v 4. 2. 1953 II 254/52 U BStBl III 69 treffend zum Ausdruck gebracht hat - der Entstehung der GrESt-Schuld für den Erwerb eines Gebäudes auf fremdem Grund nicht entgegensteht, daß sich der Erwerber verpflichtet, das Gebäude abzubrechen. Nur wenn das Gebäude vom Verkäufer abgebrochen und auf einem anderen Grundstück wieder zum Gebrauch durch die beschwerdeführende Partei aufgestellt worden wäre, wäre eine GrESt-Pflicht zu verneinen gewesen (vgl etwa VwGH v Slg 453(F)). Die Abgabenbehörden haben die Steuerpflicht allerdings zu Unrecht auf § 1 Abs. 2 GrESt gegründet. Dieser Rechtsvorschrift war der streitige Erwerb aber nicht zu unterstellen, weil ein Erwerb nach dieser Rechtsvorschrift die künftige Nutzung oder Verwertung voraussetzt. Das Gebäude wurde jedoch zwecks Abbruchs erworben. Dieser Rechtsirrtum, dem auch die belangte Behörde unterlegen ist, war jedoch nicht von entscheidender rechtlicher Bedeutung , weil sich aus den vorhandenen Aktenunterlagen unbestrittenermaßen ergibt, daß die Beschwerdeführerin zwecks Abbruchs des Gebäudes einen Anspruch auf Übereignung desselben erworben hat, ohne den sie ja nach der Sachlage den Abbruch gar nicht vornehmen hätte können. Ein solcher Vorgang unterliegt aber bereits nach § 1 Abs 1 Z 1 leg cit der GrESt.
Die Beschwerdeführerin hat schon im Abgabenverfahren (siehe die Berufungsschrift S 2) aber auch die Höhe der Bemessungsgrundlage bekämpft. Sie hält auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren daran fest, daß die Abgabenbehörden nicht berechtigt waren, vom gesamten von ihr an die Fa. S. & Co GesmbH bezahlten Betrag in Höhe von S 1,500.000,-- die Abgabe anzufordern. Dies mit Recht. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß das Hauptanliegen der Beschwerdeführerin nicht der Erwerb des streitigen Gebäudes war, sondern die Möglichkeit, die Mietrechte an einer Liegenschaft, die die Fa S. & Co GesmbH besaß, zu erlangen. Die zuletzt genannte Fa war zwar bereit, diese Mietrechte aufzugeben, doch nur gegen Bezahlung einer Ablöse dafür sowie für den von ihr getätigten Aufwand für das Gebäude. Beim Kauf eines Gebäudes auf fremden Grund und Boden ist aber stets zu prüfen, welches der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts war. Nach der Sachlage im Streitfall war der Hauptzweck der Erwerb der Mietrechte und nicht des Gebäudes. Die Feststellung der belangten Behörde, der Ersatz für Aufschließungskosten sei zu der Übergabe des Grundstücks in einer solchen Wechselbeziehung gestanden, daß der frühere Eigentümer ohne die Gesamtzahlung nicht die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über das Gebäude eingeräumt hätte, entsprach demnach nicht dem Gesetz (vgl VwGH v Slg 3005 (F)). Der angefochtene Bescheid war daher wegen der unrichtigen Ermittlung der Gegenleistung gem § 42 (2) lit a VwGG 1965 aus dem Grund einer Rechtswidrigkeit des Inhalts aus dem Rechtsbestand zu beseitigen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965; das Mehrbegehren war abzuweisen, da im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein Ersatz der Umstatzsteuer und eines Einheitssatzes nicht vorgesehen ist und an Stempelgebühren lediglich S 93,80 (S 90,-- für die Beschwerde und S 3,80 an Beilagenstempel) beizubringen waren. Stempelgebühren für vom VwGH nicht verlangte Schriftsätze werden nicht ersetzt. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4719 F/1974; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1974:1973000216.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-52466