VwGH 06.11.1980, 0215/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Bei einem Darlehensvertrag bildet die Hingabe und Rückgabe der Darlehensvaluta nicht Gegenstand des umsatzsteuerlich erheblichen Leistungsaustausches. Gegenstand des Leistungsaustausches ist vielmehr das Dulden der Kapitalnutzung gegen Entgelt. Erfolgt diese Nutzung des Kapitals im Ausland, so liegen insoweit nichtsteuerbare Auslandsumsätze vor. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Müller, über die Beschwerde der C-Bank AG in W, vertreten durch Dr. Erich Zeiner, Rechtsanwalt in Wien I, Schellinggasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. 6 - 3009/77, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1974 und 1975, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Erich Zeiner, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberkommissär Dr. KK, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 7.090,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Bankgeschäft im Inland betreibt, reichte für das Jahr 1974 eine Umsatzsteuererklärung ein, in der sie den Großteil der von ihr vereinbarten Entgelte als nicht steuerbar bezeichnete. Ein Vorsteuerabzug wurde nicht geltend gemacht.
Das Finanzamt für Körperschaften in Wien wich bei Festsetzung der Umsatzsteuer durch Bescheid für das Jahr 1974 insofern von dieser Erklärung ab, als es neben Richtigstellung einer rechnerischen Unrichtigkeit den Großteil der von der beschwerdeführenden Partei vereinbarten Entgelte nicht als nicht steuerbar, sondern als umsatzsteuerfrei gemäß § 6 Z. 8 UStG 1972 behandelte. Ein Vorsteuerabzug wurde wie in der Jahreserklärung nicht angesetzt.
Die beschwerdeführende Partei berief und führte insbesondere aus, sie habe bei der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1974 nicht berücksichtigt, daß ein Teil der Entgelte aus nicht steuerbaren Auslandsleistungen erzielt worden sei. Die Kredit- bzw. Darlehensgewährung im Ausland sei gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 nicht steuerbar. Gemäß Abschnitt 89 Abs. 3 DE-USt trete der Ausschluß vom Vorsteuerabzug nicht ein, wenn die erworbenen Gegenstände oder die in Anspruch genommenen Leistungen der Ausführung von Umsätzen im Ausland dienten. Dies gelte auch für jene Fälle, in denen die im Ausland erbrachte sonstige Leistung im Inland unter eine unechte Steuerbefreiung fallen würde. Da eine direkte Zurechnung von Vorsteuern zu bestimmten Entgelten nicht möglich sei, werde die Aufteilung der Vorsteuern nach dem Verhältnis der zum Ausschluß von Vorsteuern führenden Entgelte zu den nicht vom Ausschluß von Vorsteuern führenden Entgelten beantragt. Auf Grund dieses Verhältnisses seien 77,46 % der angefallenen Vorsteuern abziehbar. Derselbe Prozentsatz sei auch zur Berechnung der Selbstverbrauchsteuer heranzuziehen.
Das Finanzamt wies die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung, deren Zahlenmaterial auf den Feststellungen einer bei der beschwerdeführernden Partei durchgeführten Betriebsprüfung beruhte, als unbegründet ab.
Durch den fristgerechten Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz verlor die Berufungsvorentscheidung nach der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des § 276 BAO ihre Wirkung.
Im erwähnten Vorlageantrag widerholte die beschwerdeführende Partei die bereits in der Berufung vertretene Rechtsansicht und führte weiters aus, daß durch eine im Entwurf des Abgabenänderungsgesetzes 1977 vorgesehene Ergänzung der Bestimmungen des § 12 Abs. 3 UStG 1972, wonach ab dem Jahre 1978 entgegen der bisherigen Rechtslage nicht steuerbare Leistungen im Ausland, die, würden sie im Inland ausgeführt, unecht steuerbefreit wären, nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigten, ihre Rechtsansicht gestützt werde.
Auch für das Jahr 1975 reichte die beschwerdeführende Partei eine Umsatzsteuererklärung ein, in der sie den Großteil der von ihr vereinbarten Entgelte als nicht steuerbar bezeichnete. In dieser Erklärung wurde nur ein geringfügiger Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Etwa ein halbes Jahr später reichte die beschwerdeführende Partei für das Jahr 1975 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, in der sie etwas mehr als die Hälfte der von ihr vereinbarten Entgelte als nicht steuerbar bezeichnete. Für einen Großteil der als steuerbar erklärten Umsätze wurde die Befreiung gemäß § 6 Z. 8 UStG 1972 in Anspruch genommen. Die beschwerdeführende Partei teilte die ihr in Rechnung gestellten Vorsteuern nach dem Verhältnis der ihres Erachtens nach zum Ausschluß von Vorsteuern führenden Entgelten zu den nicht zum Ausschluß von Vorsteuern führenden Entgelten auf und zog daher 57,42 % der angefallenen Vorsteuern von der errechneten Umsatzsteuer ab. Zur Berechnung der Selbstverbrauchsteuer zog die beschwerdeführende Partei denselben Prozentsatz heran.
Das Finanzamt erließ den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1975, dessen Zahlenmaterial auf den Feststellungen der bereits erwähnten, bei der beschwerdeführenden Partei durchgeführten Betriebsprüfung beruhte, wobei es den Großteil der von der beschwerdeführenden Partei vereinbarten Entgelte nicht als nicht steuerbar, sondern als steuerfrei gemäß § 6 Z. 8 UStG 1972 behandelte. Überdies wurde nur ein geringfügiger Betrag, dessen Höhe nicht strittig ist, als Vorsteuerabzug zum Ansatz gebracht. Zur Begründung des Bescheides verwies das Finanzamt auf den Betriebsprüfungsbericht und auf die anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung aufgenommene Niederschrift.
Die beschwerdeführende Partei berief auch gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1975 und verwies bezüglich ihres Rechtsstandpunktes auf ihre Ausführungen in der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1974.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Berufungen als unbegründet ab und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 1974 inhaltlich gleichlautend mit der vorangegangenen Berufungsvorentscheidung fest. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes für das Jahr 1975 festgesetzten Abgabe blieben unverändert. In der Begründung der getroffenen Entscheidung wertete die belangte Behörde die von der beschwerdeführenden Partei als nicht steuerbar erklärten Entgelte für Leistungen im Ausland (Auslands-Bankumsätze) als Entgelte für eine positive (Hingabe von geldwerten Forderungen) und nicht für eine negative (im Dulden der Nutzung einer geldwerten Forderung bestehende) sonstige Leistung. Diese sonstige Leistung werde im Inland ausgeführt, weswegen die gesamten vereinbarten Entgelte steuerbar seien. Gegenstand des Leistungsaustausches bei der Hingabe von geldwerten Forderungen sei einerseits die Kapitalgestellung, andererseits die Zinszahlung bzw. sonstige zinsersetzende Zahlungen, i.e. das Entgelt. Die Hingabe von geldwerten Forderungen in welcher Form auch immer stelle eine positive Leistung dar, auch wenn der diesbezügliche Vertrag auf Kapitalnutzung abgestellt sei. Die entscheidende Handlung der beschwerdeführenden Partei bestehe in der Hingabe von geldwerten Forderungen an den Abnehmer. Bei der Leistung der beschwerdeführenden Partei handle es sich somit nicht um das Unterlassen der vorzeitigen Rückforderung oder um das Dulden der Nutzung einer geldwerten Forderung im Ausland, sondern um ein positives Tun im Inland.
In der gegen diesen Bescheid von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und in dieser die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Verhandlung erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob die der beschwerdeführenden Partei zugeflossenen Zinserträge und Kreditbereitstellungsprovisionen aus Ausleihungen von Kunden im Ausland in ausländischer Währung (in der Folge kurz: Auslands-Bankumsätze) das Entgelt für ein positives Tun (die Zurverfügungstellung von Kapital) oder für eine negative sonstige Leistung (das Dulden der Kapitalnutzung) darstellen. Die belangte Behörde gelangt, wiewohl sie ebenso wie die beschwerdeführende Partei zutreffend davon ausgeht, daß bei der Darlehensgewährung das hiebei zufließende Entgelt aus Zinsen, Gebühren und Provisionen sowie erstatteten Auslagen besteht und die Darlehensvaluta selbst nicht zum Entgelt gehört, unter vorwiegender Bedachtnahme auf die bürgerlich-rechtliche Konstruktion des Darlehensvertrages als Realkontrakt - die Gültigkeit des Darlehensvertrages hängt gemäß § 983 ABGB von der Übergabe der verbrauchbaren Sachen ab - zu der Ansicht, daß die Übergabe der Darlehensvaluta und somit ein positves Tun im Vordergrund der Leistung der beschwerdeführenden Partei steht.
Demgegenüber findet nach dem Standpunkt der beschwerdeführenden Partei der Leistungsaustausch bei einer Kreditgewährung in der Weise statt, daß einerseits der Kreditgeber dem Kreditnehmer die Nutzung eines Kapitals für eine bestimmte Zeit überläßt und andererseits der Kreditnehmer für diese Nutzung Zinsen und sonstige Spesen bezahlt. Daraus sowie aus dem Umstand, daß bei Beginn der Kreditgewährung die Übereignung der Kreditsumme vom Kreditgeber an den Kreditnehmer und bei Beendigung der Kreditgewährung die Übereignung der Kreditsumme vom Kreditnehmer an den Kreditgeber nicht zum umsatzsteuerlich erheblichen Leistungsaustausch gehören, ergebe sich, daß nicht die Hingabe der Kreditsumme durch den Kreditgeber, sondern das Dulden der Nutzung der Kreditsumme durch den Kreditnehmer der rechtlich maßgebende Tatbestand sei. Dies decke sich auch mit den Bestimmungen der §§ 3 und 4 UStG 1972.
Die Beschwerde erweist sich aus den nachstehend angeführten Gründen als berechtigt:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 unterliegen u.a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Sonstige Leistungen sind zufolge § 3 Abs. 9 leg. cit. Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen. Eine sonstige Leistung wird nach § 3 Abs. 11 UStG 1972 in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird oder wenn der Unternehmer eine Handlung im Inland oder einen Zustand im Inland duldet oder eine Handlung im Inland unterläßt. Eine Ergänzung der letztzitierten Bestimmung durch das Abgabenänderungsgesetz 1975, BGBl. Nr. 636, ist für den vorliegenden Beschwerdefall aus inhaltlichen sowie aus zeitlichen Gründen - die ergänzte Vorschrift ist erst auf nach dem ausgeführte Umsätze anzuwenden - nicht bedeutsam.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach, zuletzt im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2198/79, ausgeführt hat, differenziert sohin das Umsatzsteuergesetz in bezug auf den Ort der sonstigen Leistung zwischen positiven Leistungen (Tätigkeiten) und negativen Leistungen (Dulden, Unterlassen). Bei positiven Leistungen ist maßgebend, wo der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird, bei negativen Leistungen, wo er eine Handlung oder einen Zustand duldet oder eine Handlung unterläßt. Bei Zusammentreffen positiver und negativer Leistungskomponenten kommt es jeweils auf das Überwiegen des einen oder anderen Merkmals im Einzelfall an.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, daß die Übereignung des Kapitals nicht Gegenstand des umsatzsteuerlich erheblichen Leistungsaustausches bildet. Gegenstand ist vielmehr das Dulden der Kapitalnutzung gegen Entgelt, nicht aber die Hin- und Rückgabe der Darlehensvaluta. Geht man von dieser Prämisse aus, so kann der belangten Behörde nicht beigepflichtet werden, wenn sie dem bürgerlich-rechtlichen Gültigkeitserfordernis für das Zustandekommen eines Darlehensvertrages, daß nämlich die Darlehensvaluta übergeben wird, entscheidende Bedeutung für die Lösung der umsatzsteuerrechtlichen Frage des Inhaltes dieser Leistung beimißt. Denkt man sich nämlich die Übertragung der Kapitalsumme als umsatzsteuerlich nicht zum Inhalt der Leistung eines Darlehensgeschäftes gehörig hinweg, so liegt das Schwergewicht der Leistung des Darlehensgebers in dem Dulden der Nutzung des Kapitals durch den Darlehensnehmer. So gesehen, liegt aber der wesentliche Inhalt der Bankumsätze der beschwerdeführenden Partei in einer negativen sonstigen Leistung. Da diese Nutzung des Kapitals nach dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt im Ausland erfolgte, liegen insoweit keine steuerbaren Inlandsumsätze, sondern nichtsteuerbare Auslandsumsätze der beschwerdeführenden Partei vor.
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß auch in der deutschen Fachliteratur in der hier maßgeblichen Rechtsfrage zur insofern vergleichbaren bundesdeutschen Rechtslage der Standpunkt vertreten wird, daß in der Darlehensgewährung ein Fall einer Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung zu erblicken ist. (Vgl. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz9, TZ 2361, Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz6, TZ 171 zu § 3.)
Im Hinblick auf obige Darlegungen ergibt sich, daß die belanget Behörde auf Grund unrichtiger Gesetzesauslegung die Auslands-Bankumsätze der beschwerdeführenden Partei zu Unrecht als steuerbare Inlandsumsätze beurteilt hat. Sie hat damit ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.
Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, insoweit für den Schriftsatzaufwand mehr als S 3.000,-- (vgl. Art. I A Z. 1 der zitierten Verordnung), für den Verhandlungsaufwand mehr als S 3.750,-- (vgl. Art. I A Z. 2 der zitierten Verordnung) und für den Aufwand an Stempelgebühren mehr als zusammen S 340,-- (S 210,--
für die drei Beschwerdeausfertigungen S 70,-- für die Vollmacht und S 60,-- für eine Kopie des angefochtenen Bescheides) (§ 28 Abs. 5 VwGG 1965) begehrt worden sind.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5526 F/1980; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1978000215.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-52465