VwGH 29.03.1962, 0197/61
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AVG §68 Abs4 litd; DentG §4 Abs3; |
RS 1 | Die aufsichtsbehördliche Nichtigerklärung eines Bescheides über die Genehmigung der Nichtzulassung als Dentist auf Grund des § 68 Abs. 4 lit. d AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 des Dentistengesetzes wegen eines der Unterbehörde unterlaufenen Irrtums bei der Sachverhaltsannahme ist nicht zulässig. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Guggenbichler und die Räte Dr. Borotha, Dr. Krzizek, Penzinger und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Polizeikommissärs Dr. Primmer als Schriftführer, über die Beschwerde des WB in E gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , Zl. 5-10.576- 27/I A/61, betreffend Nichtigerklärung eines Bescheides im Aufsichtswege, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom als nichtig erklärt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom war dem Beschwerdeführer auf sein Ansuchen die Genehmigung zur Niederlassung als Dentist im Sinne des § 7 des Dentistengesetzes vom , BGBl. Nr. 90, erteilt worden. In Abänderung dieses Bescheides hatte die belangte Behörde auf Grund einer von der Österreichischen Dentistenkammer ergriffenen Berufung das Ansuchen des Beschwerdeführers abgewiesen. In Stattgebung einer Beschwerde des WB hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Berufungsbescheid mit dem Erkenntnisse vom , Zl. 150/60-4, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Wie den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses zu entnehmen ist, war hiefür die Erwägung maßgebend, daß der Österreichischen Dentistenkammer im konkreten Fall ein Berufungsrecht nicht zukam. Die Kammer hatte das von ihr gemäß § 7 Abs. 2 des Dentistengesetzes zu erstattende Gutachten weder fristgerecht abgegeben noch hatte sie darin die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers (Erfordernis nach § 4 Abs. 1 lit. b des Dentistengesetzes) in Zweifel gezogen. Sie hatte gegen das Ansuchen des Beschwerdeführers nur eingewendet, daß dieser den Nachweis für die Ablegung der Dentistenprüfung (Erfordernis nach § 4 Abs. 1 lit. d des Dentistengesetzes) nicht durch Urkunden habe erbringen können. Die belangte Behörde hatte daher auf Grund der Berufung der Dentistenkammer zu Unrecht eine Sachentscheidung über das Ansuchen des Beschwerdeführers gefällt. Sie hätte bei richtiger Beurteilung der Rechtslage die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen.
Dieser Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes trug die belangte Behörde in ihrem Ersatzbescheide vom insofern Rechnung (§ 50 Abs. 1 VwGG 1952), als sie die Berufung der Dentistenkammer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom als unzulässig zurückwies. Zugleich erklärte sie jedoch den Bescheid des Landeshauptmannes, mit dem dem Beschwerdeführer die Genehmigung zur Niederlassung als Dentist erteilt worden war, gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 als nichtig.
Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Über sie hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. § 4 des Dentistengesetzes, dessen Absatz 1 zufolge die Genehmigung zur Niederlassung als selbständiger Dentist unter anderem nur Personen erteilt werden darf, welche die staatliche Dentistenprüfung mit Erfolg abgelegt haben und im Anschluß daran durch ein Jahr als Dentistenassistenten tätig gewesen sind (lit. d), bestimmt in seinem Absatz 3: "Eine Genehmigung, die entgegen den Vorschriften des Abs. (1) erteilt wurde, leidet an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler". Diese Vorschrift ermöglicht daher die Anwendung des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950. Die belangte Behörde erachtete sich im konkreten Falle zur Nichtigerklärung deshalb für befugt, weil sie auf Grund der von ihr im seinerzeitigen Berufungsverfahren gepflogenen Erhebungen zu der Auffassung gelangte, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach er im Jahre 1944 die staatliche Dentistenprüfung abgelegt habe, unzutreffend sei. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung verstieß die Erteilung der Genehmigung allerdings gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 lit. d des Dentistengesetzes. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hatte jedoch auf Grund eines von ihm durchgeführten Zeugenbeweises als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer die Prüfung im Jahre 1944 abgelegt hatte. Auf Grund des von ihm als erwiesen angenommenen Sachverhaltes stand die von ihm getroffene Entscheidung mit der Vorschrift des § 4 Abs. 1 lit. d des Dentistengesetzes im Einklang. Die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt daher davon ab, ob die belangte Behörde als Oberbehörde im Rahmen der ihr durch § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 übertragenen Aufsichtsbefugnisse unter den eben dargelegten Umständen berechtigt war, anzunehmen, daß mit dem Bescheide der Unterbehörde die Niederlassungsbewilligung dem Beschwerdeführer entgegen der Vorschrift des § 4 Abs. 1 des Dentistengesetzes erteilt worden ist, wenn dies nur unter Zugrundelegung eines anderen Sachverhaltes als desjenigen möglich war, von dem die Unterinstanz bei der von ihr getroffenen Entscheidung ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof mußte der belangten Behörde diese Befugnisse absprechen. Dies aus folgenden Erwägungen:
Die Bestimmungen der Absätze 2 bis 4 des § 68 AVG 1950 stellen sich als eine Durchbrechung des Prinzipes der Rechtskraft dar. Sie sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen. Das gleiche hat für die Gesetze zu gelten, die durch Aufzählung jener Fehler, die mit Nichtigkeit bedroht sind, die Anwendung des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 erst ermöglichen. Wenn § 4 Abs. 3 des Dentistengesetzes nun festlegt, daß eine Genehmigung, die entgegen der Vorschrift des Absatzes 1 dieses Gesetzes erteilt wurde, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet, so kann damit nur gemeint sein, daß die Erteilung von Genehmigungen dann als nichtig behandelt werden darf, wenn sich die Unterbehörde bei Anwendung des Gesetzes über die gesetzlichen Voraussetzungen hinweggesetzt hat, nicht aber dann, wenn ein Widerspruch des Bescheides zur Vorschrift des § 4 Abs. 1 des Dentistengesetzes nur dann feststellbar ist, wenn von einem Sachverhalt ausgegangen wird, von dem die Unterbehörde gar nicht ausgegangen ist. In einem solchen Fall ist eine Durchbrechung der Rechtskraft durch neuerliche Aufrollung der Verwaltungsangelegenheit nur unter den im § 69 AVG 1950 bestimmten Voraussetzungen zulässig. Solche Maßnahmen fallen aber nicht in die Zuständigkeit der Oberbehörde und bilden auch gar nicht den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 5005/A, in einem ähnlich gelagerten Falle (es handelte sich damals um die Nichtigerklärung eines Bescheides nach dem Opferfürsorgegesetz, das im § 16 Abs. 2 Bescheide mit Nichtigkeit bedroht, die den materiellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes widersprechen) ausgesprochen, daß das Gesetz keine Handhabe bietet, einen Bescheid gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 für nichtig zu erklären, der nur deshalb objektiv rechtswidrig ist, weil er auf einer unrichtigen Beweiswürdigung beruht. Den gleichen Standpunkt hat der Verwaltungsgerichtshof in bezug auf die durch § 86 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetz geschaffene Möglichkeit zur Nichtigerklärung von Bescheiden, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind, eingenommen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1706/58-2). Nicht anders ist aber der heutige Beschwerdefall geartet. Denn die belangte Behörde konnte einen Widerspruch zu den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 lit. d des Dentistengesetzes nur deshalb feststellen, weil sie auf Grund der von ihr im vorangegangenen Berufungsverfahren gepflogenen Ermittlungen bezüglich der Frage, ob der Beschwerdeführer im Jahre 1944 die Dentistenprüfung abgelegt hat, zu einer anderen Auffassung gelangte wie die Unterbehörde. Hiezu wäre sie wohl im Berufungsverfahren berechtigt gewesen, in dem sie den Bescheid der Unterinstanz in jeder Hinsicht abändern durfte (§ 66 Abs. 4 AVG 1950). Sie durfte dies aber nicht als Oberbehörde in Ausübung der ihr im § 68 Abs. 4 AVG 1950 eingeräumten Befugnisse tun.
Da der angefochtene Bescheid aus den dargelegten Gründen dem Gesetze nicht entsprach, mußte er in dem im Spruch angeführten Umfange gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufgehoben werden, wenngleich die von der Beschwerde der belangten Behörde zur Last gelegten Verstöße gegen die Vorschriften der §§ 66 Abs. 4 und 68 Abs. 2 AVG 1950 nicht vorliegen, weil die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ausschließlich auf der Rechtsgrundlage, auf der er erlassen wurde, nämlich auf Grund der Vorschrift des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 im Zusammenhange mit § 4 Abs. 3 des Dentistengesetzes zu prüfen war.
Auch die der belangten Behörde zur Last gelegte Verletzung des § 50 Abs. 1 VwGG 1952 liegt nicht vor. Die belangte Behörde hat durch die Zurückweisung der Berufung der Dentistenkammer der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wie sie in seinem Erkenntnisse vom zum Ausdruck gebracht worden war, voll Rechnung getragen. Bezüglich ihres Einschreitens als Aufsichtsbehörde sind ihr durch das Erkenntnis keine Bindungen auferlegt worden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §68 Abs4 litd; DentG §4 Abs3; |
Sammlungsnummer | VwSlg 5756 A/1962 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1962:1961000197.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-52435