VwGH 13.10.1975, 0171/75
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauO Wr §85 Abs1 litb; BauRallg impl; |
RS 1 | Ein "seitlich offener oder verglaster Türvorbau mit oder ohne Stiegen" ist ein vom freien unmittelbar oder bloß über eine Stiege erreichbarer Türzutritt. |
Normen | BauerleichterungsV Wien 1939 Abschn5; BauO Wr §115 Abs2; |
RS 2 | Abschnitt V der Verordnung des Bürgermeisters von Wien vom , VO-Blatt Nr 25, ermächtigt nicht zur Gewährung von Erweiterungen, durch welche in das subjektive öffentliche Nachbarrecht auf Einhaltung der Baufluchtlinien eingegriffen würde (Hinweis E , Slg 3844 A/1955 und E , VwSlg 7615 A/1969). |
Normen | AVG §59 Abs1 impl; BauRallg; |
RS 3 | Ein Bauvorhaben ist grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Behörde bewilligt oder abgelehnt werden kann. Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung folgt nämlich, dass die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen und der Baubeschreibung ergibt, abzusprechen hat (Hinweis E , 3349/54). Liegen allerdings die Bewilligungsvoraussetzungen nur für einen Teil des Bauvorhabens vor und ist dieser Teil von dem übrigen Vorhaben trennbar, dann hat die Behörde im Zweifel davon auszugehen, dass eine Teilbewilligung vom Parteibegehren mitumfasst ist. Eine Trennbarkeit in mehrere Teile ist aber jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine - der Baubehörde verwehrte - Einflussnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich ist. |
Normen | VwGG §48 Abs3 litb; VwGG §59 Abs2; |
RS 4 | Der Antrag auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes der mitbeteiligten Partei ist als verspätet zurückzuweisen, wenn er erst bei der mündlichen Verhandlung gestellt wird. |
Norm | VwGG §59 Abs2; |
RS 5 | Barauslagen aus Anlass einer mündlichen Verhandlung vor dem VwGH, welche zwar beantragt, aber nicht begründet werden, können nicht zugesprochen werden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0139/75 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Draxler und Öhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerde des KK in W, vertreten durch Dr. Paul Appiano, Rechtsanwalt in Wien I, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XII/-7/74, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Ing. RH in W, vertreten durch Dr. Gustav Teicht Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 7), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Paul Appiano, des Vertreters der belangten Behörde, Obermagistratsrat Dr. FT, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Gustav Teicht, zu Rechet erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 1.560,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 5.030,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird insoweit, als es auf den Ersatz eines Schriftsatzaufwandes für die Gegenschrift in der Höhe von S 400,-- gerichtet ist, zurückgewiesen und insoweit, als es auf den bei der mündlichen Verhandlung angesprochenen Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 45,-- gerichtet ist, abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte beim Magistrat der Stadt Wien die - nachträgliche - Erteilung der Baubewilligung für einen Zubau zu einem Wohngebäude auf der Liegenschaft EZ. 2989 des Grundbuches der Katastralgemeinde X. Bei der hierüber am stattgefundenen Bauverhandlung gab der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens folgende Erklärung zu
Protokoll: "Der Anrainer .... wendet ein, daß der als Windfang
deklarierte Vorbau im Seitenabstand mit dem Vorraum zusammenhängt, weitere Wohnräume davon zugängig sind und unterkellert ist".
Mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde gemäß § 70 der Bauordnung für Wien für die folgende Bauführung die Baubewilligung erteilt: "Unter Einhaltung
der .... Fluchtlinien wird an der linken Hausseite ein
unterkellerter, ebenerdiger Zubau, enthaltend zwei Zimmer, Küche, Bad, Abort und Vorraum, errichtet. Im Seitenabstand wird ein Windfang hergestellt. Von der Küche aus wird eine Tür zum bestehenden Wohnzimmer geschaffen ..." Im Spruch des Bescheides hieß es ferner: "Unter einem wird die Bauführung in öffentlichrechtlicher Beziehung für zulässig erklärt. Die Einwendungen des
Anrainers .... werden als im Gesetz nicht begründet abgewiesen".
Begründend wurde ausgeführt, es seien die Einwendungen des Anrainers abzuweisen gewesen, weil nach § 85 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien gegen den Seitenabstand mit Türvorbauten auf die halbe Breite des Seitenabstandes vorgetreten werden könne. Der gegenständliche Vorbau entspreche dieser Bestimmung, da er nicht mehr als 1.50 m gegen den Seitenabstand vortrete. Weiters gebe es keine Bestimmung, wonach nur ein Wohnraum vom Türvorbau aus zugängig sein dürfe und daß ein solcher Vorbau nicht unterkellert sein dürfe.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung. Im wesentlichen machte er geltend, es stehe der - 4.50 m lange - Vorbau im direkten Zusammenhang mit dem Vorzimmer (der angrenzenden Wohnung) und sei daher auch ein solches. Der als "Windfang" bezeichnete Raum sei in Massiv-Bauweise mit Unterkellerung hergestellt; er sei kein offener oder verglaster Türvorbau.
Bei der am stattgefundenen Berufungsverhandlung erklärte der Beschwerdeführer laut Verhandlungsprotokoll "im Hinblick auf die gegen die Zulässigkeit des Vorbaues im Seitenabstand entstandenen Bedenken" zunächst, er wäre allenfalls bereit, sein Projekt durch die Abmauerung des Einganges vom Windfang zum Wohnzimmer sowie durch die Verwendung von Glasbausteinen als Begrenzung des Windfanges zur Anrainerliegenschaft abzuändern. Die Größe des Verbaues im Seitenabstand bleibe hiebei unverändert. Als Zugang zum Wohnzimmer würde allenfalls ein Durchbruch zur Küche hergestellt. Dazu gaben der Mitbeteiligte und der technische Amtssachverständige Erklärungen ab. Sodann heißt es in der Verhandlungsniederschrift:
"Der Bauwerber vertritt nach wie vor die Meinung, daß der in den Plänen dargestellte Türvorbau gesetzlich zulässig ist. Eine allfällige Abänderung kommt für ihn erst in Betracht, wenn sich sein Standpunkt nicht durchsetzen sollte". Die - kurzschriftlich aufgenommene - Niederschrift wurde nach dem Hinweis, es werde auf die Verlesung der Verhandlungsschrift verzichtet, unter anderem vom Beschwerdeführer unterzeichnet.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid der Behörde
erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahingehend abgeändert,
daß der Spruch zu lauten habe: "Gemäß § 70 der Bauordnung für
Wien wird nach dem mit dem Versagungsvermerk versehenen Plan die
Bewilligung versagt, auf der Liegenschaft EZ. 2989 .... einen
Zubau und bauliche Änderungen durchzuführen". Zur Begründung führte die Behörde nach einer Darstellung der wesentlichen Verfahrensergebnisse aus: Der Mitbeteiligte sei linker Anrainer des Beschwerdeführers und habe als solcher ein subjektivöffentliches Recht auf Freihaltung des Seitenabstandes entlang der gemeinsamen Grundgrenze. Er erachte sich dadurch beschwert, daß in diesem Seitenabstand, welcher gemäß § 76 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der Bauklasse I mindestens 3 m zu betragen habe, ein Bauteil hineinrage, auf den die Ausnahmebestimmungen des § 85 der Bauordnung für Wien nicht zuträfen. Gemäß § 85 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien dürfe gegen den Seitenabstand mit Schutzdächern über Eingängen, seitlich offenen oder verglasten Türvorbauten mit oder ohne Stiegen auf die halbe Breite des Seitenabstandes, jedoch höchstens bis 2 m Vorsprung vorgetreten werden. Die Bauoberbehörde für Wien sei nun in Übereinstimmung mit dem Mitbeteiligten der Ansicht, daß der vom Beschwerdeführer im Seitenabstand geplante Bauteil nicht als verglaster Türvorbau im Sinne der ebenzitierten Gesetzesbestimmung zu bezeichnen sei. Eine Qualifikation als bloßes Schutzdach oder als seitlich offener Türvorbau scheide wohl von vornherein aus. Der Bauteil im Seitenabstand erfülle nicht mehr bloß die für Türvorbauten typische Funktion, beim Betreten oder Verlassen des Gebäudes einen Schutz gegen die Witterung zu bieten. Er sei vielmehr, was die Größe des Raumes und die technische Ausführung der Wände anlange, als integrierender Bestandteil einer Wohnungseinheit so angelegt, daß er als Vorzimmer angesprochen werden müsse, zumal dieser Raum auch den Zugang zu zwei weiteren Räumen vermittle. Bei einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren sei die Frage der Qualifikation des "Windfanges" mit dem Mitbeteiligten und dem Beschwerdeführer ausführlich erörtert und dem Beschwerdeführer schließlich nahegelegt werden, sein Projekt abzuändern. Der Beschwerdeführer habe zwar zunächst eine gewisse Bereitschaft zum Einlenken erkennen lassen, sei aber dann doch bei seiner Meinung geblieben, daß der in den Plänen dargestellte Türvorbau gesetzlich zulässig sei. Er habe ausdrücklich erklärt, eine Abänderung komme für ihn erst dann in Betracht, wenn sich sein Standpunkt nicht durchsetzen sollte. Die Berufungsbehörde lege dies dahingehend aus, daß der Beschwerdeführer ein neues Projekt erst dann vorzulegen beabsichtige, wenn sich der Standpunkt des Beschwerdeführers im anhängigen Verfahren nicht durchsetzen und auch ein allfälliges außerordentliches Rechtsmittel ohne Erfolg bleibe. Angesichts der Untrennbarkeit des Bauvorhabens (die durch den "Windfang" verbundenen Teile wären als selbständige Wohnungseinheiten aus Gründen der Größe und des Abschlusses unzulässig) und der Weigerung des Bauwerbers, eine Projektsänderung vorzunehmen, habe die Bewilligung für das gesamte Vorhaben versagt werden müssen
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die Gegenschriften der belangten Behörde und des Mitbeteiligten erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "Recht auf Errichtung eines Windfanges (Türvorbau) gemäß § 85 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien verletzt‚ und zwar allenfalls im Zusammenhalt dieser Bestimmung mit den Bestimmungen der Verordnung vom , Verordnungsblatt Nr. 25, über Erleichterungen für Kleinwohnungshäuser, Kleinhäuser, Einfamilien- und Siedlungshäuser". Das Gesetz enthalte, so führt der Beschwerdeführer diesen Beschwerdepunkt aus, keine Definition des Begriffes "Türvorbau". Die gesetzlichen Erfordernisse des § 85 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien seien erfüllt. Eine Beschränkung hinsichtlich der Größe des Türvorbaues, und seiner technischen Ausführung der Wände finde sich im Gesetz ebensowenig wie ein Verbot, daß ein solcher Türvorbau den Zugang zu zwei Räumen vermittle. Ebenso sei es unerfindlich, warum dieser Türvorbau nach Ansicht der belangten Behörde als Vorzimmer angesprochen werden müsse, da von einem Zimmer nur bei einem allseits umschlossenen Raum gesprochen werden könne, während der gegenständliche Türvorbau seitlich zur Gänze offen sei. Selbst wenn die typische Funktion eines Türvorbaues im Schutz gegen Witterung bei Betreten oder Verlassen des Gebäudes liegen sollte, so erfülle der gegenständliche Türvorbau eben diesen Zweck, da er weder beheizbar noch bewohnbar sei und unmittelbar vom Garten über Stufen erreicht werden könne, zumal der Vorbau nicht unterkellert sei, sondern auf Pfeilern ruhe. Jedenfalls wäre aber der Türvorbau unter Bedachtnahme auf die Verordnung vom betreffend Bauerleichterungen für Siedlungshäuser zu bewilligen gewesen, da keine öffentlichen Rücksichten entgegenstünden und auch Interessen des Anrainers nicht verletzt werden könnten, da "der Türvorbau im gesetzlichen Seitenabstand erst dort beginnt, wo das Haus des Anrainers endet". Es sei daher weder die Belichtung oder Belüftung des Anrainergrundstückes beeinträchtigt, noch könnten feuerpolizeiliche Überlegungen gegen diese Art des Türvorbaues sprechen. Der angefochtene Bescheid verstoße ferner gegen den Grundsatz der Baufreiheit. Dieser sei zumindest im Rahmen der Auslegung bestehender Vorschriften in dem Sinn anzuwenden, daß dem Bauwerber nur die geringste Beschränkung aufzuerlegen sei.
Die erschöpfende Aufzählung jener Bauteile, mit welchen nach § 85 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien über die seitliche Baufluchtlinie vorgetreten werden kann, erfaßt - in einem bestimmten Ausmaß, das nach dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt im Beschwerdefall eingehalten wird - "Schutzdächer über Eingängen, seitlich offene oder verglaste Türvorbauten mit oder ohne Stiegen".
Um ein Schutzdach über einem Eingang handelt es sich im vorliegenden Fall offensichtlich nicht.
Die Bauordnung für Wien enthält keine nähere Umschreibung des Begriffes "Türvorbau". Ob das Gesetz, wie die belangte Behörde dem Sinne nach ausführte, schon mit diesem Ausdruck allein die Bedeutung eines - an anderer Stelle, nämlich. im § 86 Abs. 2 lit. e, allerdings ausdrücklich genannten - Windfanges verbindet, kann dahingestellt bleiben. Aus dem Zusammenhang mit den weiteren Tatbestandsmerkmalen, daß nämlich Türvorbauten "seitlich offen oder verglast" sein müssen, sowie "mit oder ohne Stiegen" hergestellt werden können, wird jedenfalls die Absicht des Gesetzgebers deutlich, diesen Bauteil, soweit er in den Seitenabstand hineinragt, für den Nachbarn lediglich als einen vom Freien unmittelbar oder bloß über eine Stiege erreichbaren Türzutritt wirksam werden zu lassen. Gebäudevorsprünge, die sich aus der Sicht des Nachbarn als etwas anderes darstellen (und nicht Schutzdächer über Eingängen sind), fallen daher nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 85 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien. Da der Inhalt des Gesetzes insoweit klar ist, hat der "Grundsatz der Baufreiheit" als Auslegungshilfe außer Betracht zu bleiben.
Nach dem der Baubehörde vorgelegenen Bauplan dient der in den Seitenabstand hineinragende Vorbau, welcher über eine an der Ostseite angebrachte Außenstiege zugänglich ist und - ohne Stiege -
eine Länge von 4.30 m aufweist, dem Zugang zum Vorraum einer Wohnung und zugleich zur Tür eines von dieser Wohnung sonst getrennten Wohnzimmers. Die geringste Entfernung zwischen den beiden Eingängen beträgt 1.80 m. Der Vorbau wird laut Plan in Massivbauweise mit zwei Fensteröffnungen - von 0.80 m x 0.60 m - an der dem Nachbarn zugekehrten Seite hergestellt.
Soweit der Bauteil die Verbindung mit dem Eingang zu dem Wohnzimmer herstellt, handelt es sich nicht mehr um einen vom Freien unmittelbar oder bloß über eine Stiege erreichbaren Türzutritt. In diesem Umfang ist der Gebäudevorsprung vielmehr als ein Außengang zu qualifizieren, welcher in der Aufzählung des § 85 Abs, 1 lit. b der Bauordnung für Wien nicht enthalten ist. Wegen des Längenausmaßes des Vorsprunges ist die angeführte Doppelfunktion (als Türzutritt und als Verbindungsgang) auch für den Nachbarn erkennbar. Die Auffassung der belangten Behörde, es träfen auf den in Rede stehenden Bauteil die Merkmale der mehrmals zitierten Gesetzesstelle nicht zu, erweist sich daher als zutreffend.
An dieser Beurteilung könnte eine dem Gesetz entsprechende - seitlich offene oder verglaste - Ausführung des Bauteiles nichts ändern, weil in diesem Fall die angeführte Doppelfunktion für den Nachbarn umso deutlicher in Erscheinung tritt. Der Verwaltungsgerichtshof muß sich daher mit dem - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften stehenden - Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei dessen bei der Berufungsverhandlung bekundete Bereitschaft, das Bauvorhaben durch eine "Verglasung der Vorderwand" des Vorbaues abzuändern, nicht richtig protokolliert worden, nicht weiter auseinandersetzen.
In diesem Zusammenhang ist noch zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer beantragte Baubewilligung, wie in der Beschwerde vorgebracht wird, unter Bedachtnahme auf die Verordnung des Bürgermeisters der Stadt Wien vom , Verordnungsblatt für den Amtsbereich des Bürgermeisters von Wien Nr. 25, über Erleichterungen für Kleinwohnungshäuser, Kleinhäuser, Einfamilien- und Siedlungshäuser zu erteilen gewesen wäre.
Diese Verordnung erging unter Berufung auf § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 2, § 117 Abs. 2 und § 118 Abs. 3 der Bauordnung für Wien. Im § 115 Abs. 2 der Bauordnung für Wien wird die behördliche Zuständigkeit zur Erlassung "allgemeiner Vorschriften" geregelt, deren näherer Inhalt in den übrigen Bestimmungen des § 115 sowie in den §§ 116 bis 118 der Bauordnung für Wien vorherbestimmt wird. Da die Verordnung vom für Kleinwohnungshäuser, Kleinhäuser, Einfamilien- und Siedlungshäuser "Erleichterungen" trifft, ist bei der Auslegung der darin enthaltenen Vorschriften insbesondere auf § 115 Abs. 1 der Bauordnung für Wien Bedacht zu nehmen. Darnach können für besondere Arten von Bauanlagen - dazu zählen, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 115 Abs. 3 ergibt, auch jene Arten von Wohnhäusern, auf die sich die Verordnung vom bezieht - von Fall zu Fall oder allgemein Erleichterungen gewährt werden, wenn weder in der Bauordnung begründete subjektive öffentliche Rechte noch Privatrechte verletzt werden und die Erleichterungen mit den öffentlichen Rücksichten vereinbar sind. Demnach ermächtigen, wie der systematische Zusammenhang aller angeführten Bestimmungen erkennen läßt, auch jene Vorschriften der Bauordnung für Wien, auf die sich die Verordnung vom ausdrücklich beruft, nur im Rahmen der im § 115 Abs. 1 der Bauordnung für Wien genannten Grundsätze zur Gewährung von Erleichterungen. Nach einem dieser Grundsätze dürfen durch die Gewährung. allgemeiner Erleichterungen die in der Bauordnung begründeten subjektiven öffentlichen Rechte nicht verletzt werden.
Nach § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien begründen subjektive öffentliche Nachbarrechte jene Bestimmungen der Bauordnung, die nicht nur dem öffentlichen Interesse sondern auch den Interessen der Nachbarn dienen. Dazu zählen auch die Bestimmungen über die Verpflichtung zur Einhaltung der Baufluchtlinien (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 3844/A, und vom , Sig. N.F. Nr. 7615/A).
In den Abschnitten I bis IV der Verordnung vom sind Erleichterungen vorgesehen, die sich auf die Höhe der Wohnräume, die Höhe der Häuser, die Anlage gemeinschaftlicher Feuermauern, die Ausführung bestimmter Bauteile unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Sicherheit und der Feuersicherheit und den Ausbau des Dachgeschosses beziehen.
Keine dieser Vorschriften erlaubt somit eine Überschreitung der Baufluchtlinien. Wohl können nach dem Abschnitt V der Verordnung vom für Siedlungs-, Einfamilien- und Zweifamilienhäuser sowie für Kleinhäuser und Kleinwohnungshäuser, "von Fall zu Fall, wenn keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen, noch weitergehende Erleichterungen zugestanden werden"; da aber eine Verordnung, die als Durchführungsverordnung erlassen wurde - auch dann, wenn sie aus einer Zeit stammt, in der Art. 18 B-VG nicht wirksam war -, im Zweifel gesetzeskonform auszulegen ist, ermächtigt auch diese Verordnungsbestimmung nicht zur Gewährung von Erleichterungen, durch welche in das subjektive öffentliche Nachbarrecht auf Einhaltung der Baufluchtlinien eingegriffen würde.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt aus diesen Gründen die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift niedergelegte Auffassung, es sei für den Beschwerdeführer auch durch den Hinweis auf die Verordnung vom nichts zu gewinnen.
Nach seinem weiteren Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in dem "Recht auf Errichtung eines den Bestimmungen der Bauordnung für Wien entsprechenden Zubaues, soweit dieser Zubau (allenfalls mit Ausnahme des Windfanges) das Schlafzimmer, das Bad, das Vorzimmer, die Küche und das WC betrifft," verletzt. Der Beschwerdeführer tritt in diesem Zusammenhang der Rechtsansicht der belangten Behörde entgegen, es sei angesichts der Untrennbarkeit des Bauvorhabens die Bewilligung für das gesamte Vorhaben zu versagen gewesen. Die Möglichkeit, ein Bauvorhaben nur zum Teil zu bewilligen, sei dann gegeben, wenn die Ausführung des bewilligten Vorhabens möglich sei, ohne daß an dem Projekt Änderungen vorgenommen werden müßten, die für sich betrachtet, einer Bewilligung bedürften. Unteilbar sei ein Vorhaben dann, wenn es durch die nur teilweise Stattgebung technisch unausführbar werde. Da der Beschwerdeführer das gesamte Bauprojekt - in der Annahme, daß die von der Baubehörde erster Instanz erteilte Baubewilligung rechtskräftig geworden sei - bereits verwirklicht habe und dies der Behörde bekannt gewesen sei, hätte die belangte Behörde mit besonderer Sorgfalt die Möglichkeit einer teilweisen Baubewilligung überprüfen müssen. Diese Möglichkeit ergebe sich ohne weiteres für den Zubau hinsichtlich des Schlafzimmers, der Küche, des Vorzimmers samt Bad und WC, da diese Räume untereinander verbunden und auch durch den Altbestand durch Türen erreichbar seien.
Ein Bauvorhaben ist grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Behörde bewilligt oder abgelehnt werden kann. Aus der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung folgt nämlich, daß die Baubehörde über das Parteibegehren, wie es sich aus dem Ansuchen, den Plänen und der Baubeschreibung ergibt, abzusprechen hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 3349/54). Liegen allerdings die Bewilligungsvoraussetzungen nur für einen Teil des Bauvorhabens vor und ist dieser Teil von dem übrigen Vorhaben trennbar, dann hat die Behörde im Zweifel davor auszugehen, daß eine Teilbewilligung vom Parteibegehren mitumfaßt ist. Eine Trennbarkeit in mehrere Teile ist aber jedenfalls dann nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine - der Baubehörde verwehrte - Einflußnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich ist.
Wie schon ausgeführt wurde, stellt der Vorbau eine Verbindung zwischen der an den Altbestand anschließenden Wohnung und dem sich daran anschließenden Wohnzimmer in der Weise her, daß von ihm aus der Zutritt einerseits zum Vorzimmer der Wohnung und andererseits zum Wohnzimmer möglich ist. Durch den Wegfall des - nicht bewilligungsfähigen - Vorbaues würde sich ein auf das weitere Vorhaben sich auswirkender bauordnungswidriger Zustand ergeben; insbesondere fehlt in diesem Fall ein dem Gesetz entsprechender Abschluß der beiden vorgesehenen Türöffnungen und ein im Hausinneren gelegener Zugang zu dem Wohnzimmer, das überdies, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist, als eigene Wohneinheit nach § 90 der Bauordnung für Wien nicht bewilligt werden könnte. Zur Beseitigung des bauordnungswidrigen Zustandes standen aber dem Beschwerdeführer mehrere Möglichkeiten offen - so jedenfalls der Verzicht auf das mit der Wohnung nur über den Vorbau zugängliche Wohnzimmer oder die Herstellung einer zulässigen, im Hausinneren gelegenen Verbindung des Wohnzimmers mit der Wohnung -, so daß es, um die Bewilligungsvoraussetzungen für den Zubau ohne Vorbau zu schaffen, eines behördlichen Eingriffes in die Gestaltungsfreiheit des Beschwerdeführers als Bewerber bedurft hätte, solange dieser auf die Ausführung des Vorbaues nicht verzichtete. Nach der dargestellten Rechtslage ist daher die belangte Behörde zutreffend von der Untrennbarkeit des Bauvorhabens ausgegangen.
Da somit der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975. Das erst bei der Verhandlung gestellte Begehren der mitbeteiligten Partei auf Ersatz eines Schriftsatzaufwandes war als verspätet zurückzuweisen. Für das Begehren der mitbeteiligten Partei auf Barauslagenersatz von S 45,-- fehlt die nähere Begründung; es war daher abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §59 Abs1 impl; BauerleichterungsV Wien 1939 Abschn5; BauO Wr §115 Abs2; BauO Wr §85 Abs1 litb; BauRallg impl; BauRallg; VwGG §48 Abs3 litb; VwGG §59 Abs2; |
Sammlungsnummer | VwSlg 8896 A/1975 |
Schlagworte | Trennbarkeit gesonderter Abspruch Baubewilligung BauRallg6 Formelle Voraussetzungen für die Zuerkennung des Aufwandersatzes Rechtzeitigkeit Schriftsatzaufwand |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1975:1975000171.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-52391