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VwGH 10.10.1978, 0167/76

VwGH 10.10.1978, 0167/76

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
a) Auch bei einem Turnprofessor können Anschaffungskosten für Sportgeräte nur zu Werbungskosten führen, wenn die Sportgeräte ausschließlich oder fast ausschließlich beruflich genutzt werden.

b) Trainingsanzug, Turnleiberl, Turnhose und Turnschuhe stellen bei einem Turnprofessor typische Berufskleidung dar, nicht hingegen grundsätzlich Skibekleidung. Bei typischer Berufsbekleidung ist es nicht erforderlich, daß diese ausschließlich oder fast ausschließlich beruflich verwendet wird. Es genügt überwiegende berufliche Verwendung.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde des Mag. FS in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 184-11/75, betreffend Lohnsteuer 1974, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.539,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Mittelschulprofessor für Geographie und Leibesübungen. Er beantragte für das Kalenderjahr 1974 die Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten durch Eintragung eines entsprechenden Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte. Strittig im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof war bzw. ist die Abzugsfähigkeit eines Betrages von S 8.687,--, geltend gemacht unter dem Titel "Berufskleidung und Geräte". Nach den unwidersprochenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides handelt es sich bei der Berufskleidung um Sportkleidung wie Trainingsanzug, Anorak und Hose, Turnleibchen, Turnhose und Turnschuhe sowie bei den Geräten um Sportgeräte wie Schier, Tennisschläger, Tennisbälle, Schlittschuhe und um einen Expander. Nach einem Vermerk im Verwaltungsakt dürfte im Betrag von S 8.687,-

- auch der Anschaffungsaufwand für einen Tischtennisschläger enthalten sein.

Das zuständige Finanzamt wies die begehrte Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte bescheidmäßig ab. Bei einer geschätzten Privatnutzung der Sportausrüstung in Höhe von 30 % und einer Nutzungsdauer von zwei Jahren blieben die geltend gemachten Aufwendungen unter dem Werbungskostenpauschale und der gewährten Bildungszulage.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Der Ansatz einer Privatnutzung sei ungerechtfertigt, da er die Verpflichtung habe, sich außerhalb des Unterrichtes in den einzelnen Sportdisziplinen praktisch - methodisch weiterzubilden. Die Berücksichtigung einer zweijährigen Nutzungsdauer der Ausrüstung vernachlässige zudem, daß der Beschwerdeführer auch in den Jahren 1973 und 1975. Neuanschaffungen gehabt habe.

Eine abweisende Berufungsvorentscheidung brachte zum Ausdruck, daß keine typische Berufskleidung vorliege und daher der Bekleidungsaufwand nicht als Werbungskosten abzugsfähig sei. Aufwendungen für Sportgeräte aber könnten nur dann als Abzugsposten berücksichtigt werden, wenn der Teil der Aufwendungen, der ausschließlich auf die berufliche Nutzung entfalle, sich einwandfrei von den Ausgaben, die der privaten Lebensführung dienen, trennen lasse. Andernfalls gehöre der Gesamtbetrag derartiger Aufwendungen zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben. Dies treffe nun auf den Beschwerdefall zu.

Der Beschwerdeführer setzte die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes durch einen rechtzeitigen Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer Kraft. Er bestritt in diesem Antrag die Annahme des Finanzamtes, daß er seine Berufskleidung und Sportausrüstung für private Zwecke benütze. Er habe schon in der Berufung seine Verpflichtung betont, sich außerhalb des Unterrichtes in den einzelnen Sportdisziplinen praktisch und methodisch weiterzubilden. Die Arbeitszeit im Lehrberuf sei nicht nur auf die Unterrichtstätigkeit beschränkt, sondern gehe weit darüber hinaus. Neben der Weiterbildung falle auch die Vorbereitung in die unterrichtsfreie Zeit. Wenn in anderen Berufsgruppen Arbeitsmantel oder Overal typische Berufskleidung seien, so müsse das auch bei ihm als Lehrer im Fache Leibesübung auf die zum Abzug beantragte Sportkleidung zutreffen. Dasselbe gelte bezüglich der Sportgeräte, die der Beschwerdeführer in seiner beruflichen Tätigkeit unbedingt benötige.

Auch die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Werbungskosten müßten in einem unmittelbaren, ursächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den entsprechenden Einkünften stehen, sonst wären sie nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung. Beim Beschwerdeführer sei nun zu berücksichtigen, daß es sich bei der Sportkleidung um keine typische Berufskleidung handle. Eine solche Kleidung könne auch ohne weiteres für private Zwecke benützt werden und werde erfahrungsgemäß auch dafür benützt (z.B. von Personen, die Fitnessmärsche freiwillig absolvieren oder sich dem Turnsport aus rein gesundheitlichen Gründen hingeben). Die Sportgeräte aber stünden mit der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers zwar in einem gewissen Zusammenhang, doch könnten solche Aufwendungen nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn der Teil der Aufwendungen, der ausschließlich auf die berufliche Nutzung entfalle, sich einwandfrei von den Ausgaben trennen lasse, die der privaten Lebensführung dienen. Sei eine solche Trennung nicht möglich, dann sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1401/66) der Gesamtbetrag derartiger Aufwendungen den nichtabzugsfähigen Ausgaben der Lebensführung zuzuordnen. Diese Betrachtung greife im Beschwerdefall Platz.

Die vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde hiezu erstattete Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1972 (EStG 1972) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Nach der Z. 7 der Gesetzesstelle sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Arbeitsmittel (z.B. Werkzeug und Berufskleidung). Aus § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 EStG 1972 allerdings erhellt, daß Aufwendungen für die Lebensführung grundsätzlich zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben zählen, und zwar auch dann, wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Sportgeräte der hier in Rede stehenden Art dienen im allgemeinen der Freizeitgestaltung oder der körperlichen Ertüchtigung und stellen mit den für sie getätigten Ausgaben typische Aufwendungen für die Lebensführung dar. Bei einem Mittelschulprofessor mit dem Lehrfach Leibesübungen (Turnprofessor) kann zwar die Eignung der genannten Sportgeräte, den Beruf oder die Tätigkeit des Steuerpflichtigen (Beschwerdeführers) zu fördern, durchaus gegeben sein, doch reicht dies, wie die zuletzt angeführte Gesetzesstelle zeigt (beachte insbesondere die Worte "... auch wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen,"), noch nicht aus, um die fraglichen Aufwendungen aus dem Kreis der nichtabzugsfähigen Aufwendungen des § 20 Abs. 1 EStG 1972 auszuscheiden. Wird doch auch bei Turnprofessoren nach allgemeiner Erfahrung Eislaufen, Schifahren und Tennis (Tischtennis) nicht ausschließlich oder nicht fast nur ausschließlich aus beruflichen Gründen, sondern vielmehr auch aus Vergnügen am Sport zur Freizeitgestaltung bzw. werden Übungen mit einem Expander zwecks allgemeiner körperlicher Ertüchtigung betrieben. Somit sind aber auch bei einem Turnprofessor die Aufwendungen für die einschlägigen Sportgeräte den nichtabzugsfähigen Aufwendungen der Lebensführung zuzurechnen. Der belangten Behörde ist daher in diesem Zusammenhang kein Rechtsirrtum, zudem aber auch kein Verfahrensmangel unterlaufen; denn spätestens in Anbetracht der Berufungsvorentscheidung, in der es bereits entsprechend dem eigenen Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers um die Frage der ausschließlichen beruflichen Nutzung der Sportgeräte ging und die bei Beurteilung dieser Frage im Sinne vorstehender Ausführungen allgemeiner Lebenserfahrung Rechnung trug, wäre es in der Folge am Beschwerdeführer gelegen gewesen, die in seinem Fall zumindest weitaus überwiegende beruflich bedingte Nutzung der Sportgeräte nicht nur zu behaupten, sondern für die Behauptung auch entsprechende Beweise vorzulegen oder anzubieten (z.B. über eine ausschließliche Nutzung der Schier in Schulschikursen). Da dies unterblieb, geht in diesem Punkt auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ins Leere.

Aufwendungen für Berufskleidung bilden nach Lehre und Rechtsprechung Werbungskosten, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt (siehe Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, Tz 7 zu § 16 Abs. 1 allgemein, Stichwort "Arbeitskleidung", und die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2429/53, Slg. Nr. 1212/F, sowie vom , Zl. 1890/58, Slg. Nr. 2464/F). Schibekleidung (sofern es sich bei den Posten "Anorak" und "Hose" darum handelt) ist zwar bei einem berufsmäßigen Schilehrer eine typische Berufskleidung, nicht aber bei einem Turnprofessor, bei dem wie beim Beschwerdeführer aus den oben angeführten Gründen schon die Anerkennung der Kosten der Schi als Werbungskosten nicht in Betracht kommen konnte. Die Zuordnung von Aufwendungen für Schibekleidung im Sinne des angefochtenen Bescheides zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben ist somit rechtlich gedeckt. Anders verhält es sich jedoch mit der Beurteilung der Aufwendungen für Trainingsanzug, Turnleibchen, Turnhose und Turnschuhe. Diese Kleidungsstücke müssen nach allgemeinem Erfahrungsgut als typische Berufskleidung eines Turnprofessors angesehen werden, genauso wie die in Schrifttum oder Rechtsprechung erwähnten Arbeitsanzüge der Maurer, Schlosser und Kanalräumer, der Frack des Kellners, Gummischutzkleidung und Arbeitsmantel der Tierärzte und bei Richtern weiße Hemden und schwarze Krawatten (siehe Hofstätter-Reichel, a.a.O., Tz 5 zu § 16 Abs. 1 Z. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nicht entscheidend ist es entgegen der Meinung der belangten Behörde, daß der Turnprofessor die Turnbekleidung auch für private Zwecke benützen kann und eine solche Bekleidung erfahrungsgemäß auch für private Zwecke benützt wird; daß dieses Kriterium nicht dem von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Begriff der typischen Berufskleidung abträglich ist, erhellt daraus, daß in den meisten der angeführten Beispielsfälle die typische Berufskleidung auch für "untypische" bzw. "private" Zwecke verwendet werden kann und verwendet wird (Arbeitsanzüge z.B. für privaten Hausbau, Frack für

Ballbesuche - auch durch den Kellner selbst -, weiße

Hemden und schwarze Krawatten allgemein in Trauerfällen).

Die belangte Behörde bringt in der Gegenschrift zum Ausdruck, Aufwendungen für typische Berufskleidung wären keine Werbungskosten, wenn es sich nicht um eine ausschließlich dem Beruf dienendes Arbeitsmittel handle. Hiezu sei bemerkt, daß der Bekleidungsaufwand an sich zu den typischen Lebenshaltungskosten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 gehört. Nach den Regeln des § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 EStG 1972 könnte Bekleidungsaufwand im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde tatsächlich - wenn überhaupt - nur zu Werbungskosten führen, wenn die Bekleidung ausschließlich oder so gut wie ausschließlich beruflich genutzt würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2470/77). Nun hat aber der Gesetzgeber den Aufwand für Berufskleidung - laut Lehre und Rechtsprechung für typische Berufskleidung - aus den Aufwendungen für die Lebensführung herausgenommen und den Werbungskosten zugeordnet. Diese ausdrückliche Zuordnung einer Komponente des (an sich typische Lebenshaltungskosten bildenden) Bekleidungsaufwandes zur Kategorie der Werbungskosten, und zwar ohnehin bereits eingeschränkt auf typische Berufskleidung, spricht nun dafür, daß der Gesetzgeber bei Aufwand für typische Berufskleidung grundsätzlich Werbungskosten unterstellt, und nicht auch noch fordert, daß die typische Berufskleidung nach den Regeln des § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 EStG 1972 ausschließlich oder so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird. In diesem Sinn anerkannte auch der Verwaltungsgerichtshof Aufwendungen eines Richters für weiße Hemden im Rechtsgrund des § 9 Z. 5 EStG 1953 (Vorgänger des § 16 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972) als Werbungskosten, ohne auf die naheliegende Frage der ausschließlichen oder so gut wie ausschließlichen beruflichen Benützung einzugehen (Erkenntnis vom , Zl. 1419/54).

Diese Betrachtung bedeutet jedoch nicht, daß Bekleidungsaufwand entgegen dem allgemeinen Werbungskostenbegriff abzugsfähig wäre, wenn die typische Berufskleidung gar nicht oder nur in untergeordnetem Maße für den einschlägigen Beruf, überwiegend hingegen für private Zwecke verwendet wird. Bei überwiegend beruflicher Verwendung typischer Berufskleidung steht jedoch einer Anerkennung der entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten nichts entgegen. Eine Feststellung, daß Trainingsanzug, Turnleibchen, Turnhose und Turnschuhe beim Beschwerdeführer nicht überwiegend beruflichen Zwecken gedient hätten, hat nun aber die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht getroffen. Der Beschwerdeführer war in diesem Zusammenhang - anders als bei den Aufwendungen für die Sportgeräte - auch in keiner Weise beweispflichtig, weil die überwiegende berufliche Nutzung typischer Berufskleidung allgemeiner Erfahrung entspricht.

Die eben aufgezeigte unrichtige rechtliche Beurteilung in der Frage der typischen Berufskleidung belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war. Der Verwaltungsgerichtshof übersieht dabei nicht, daß trotz des der belangten Behörde unterlaufenen Rechtsirrtums sämtliche nach dem Gesagten für 1974 als Werbungskosten anerkennbaren Beträge unter dem allgemeinen Werbungskostenpauschbetrag von S 3.276,-- bleiben könnten. Der Gerichtshof konnte dies jedoch bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen, weil aus dem Verwaltungsakt nicht hervorgeht, daß dem Beschwerdeführer die offenbar vom Finanzamt an Hand vorgelegter Rechnungen vorgenommene Aufgliederung des Betrages von S 8.687,-- nach einzelnen Gegenständen (z.B. Tennisschläger S 1.193,--, Bälle S 77,--, Trainingsanzug S 399,-- usw.) vorgehalten worden wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 sowie auf Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 5303 F/1978;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1976000167.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-52388