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VwGH 09.06.1969, 0163/69

VwGH 09.06.1969, 0163/69

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
BauRallg;
RS 1
Für ein und denselben Bauplatz kann auch während der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung um eine oder mehrere andere Baubewilligungen angesucht werden. Weiters grundlegende Ausführungen zum Begriff und der Gebrauchnahme einer Baubewilligung.
Normen
BauRallg;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs3 Z9;
GdO Slbg 1965;
NatSchG Slbg 1957;
RS 2
Der Schutz des Landschaftsbildes kann von der Gemeinde nicht im eigenen Wirkungsbereich besorgt werden. (Hinweis auf E vom , Zl. 1082/68)
Normen
BaugestaltungsV 1936;
BauRallg;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs3 Z9;
GdO Slbg 1965;
RS 3
Die Anwendung der Verordnung über die Baugestaltung vom , DRGBl. I, Seite 939 im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ist insoweit möglich, als es sich hiebei um den Schutz des Orts- und Straßenbildes handelt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Leibrecht und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Magistratskommissär Dr. Macho, über die Beschwerde des R und der I H in St., vertreten durch Dr. Josef Georg Schnirch, Rechtsanwalt in Tamsweg, gegen den Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom , Z1. I- 3353/11-1967, betreffend Abweisung einer Vorstellung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am suchten die Beschwerdeführer bei der Marktgemeinde St. um die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf der Liegenschaft Grundstück Nr. 233/5 in EZ. 458 des Grundbuches über die Katastralgemeinde St. an. Bei der hierüber am an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Bauverhandlung wurde festgestellt, daß sich der gegenständliche Bauplatz an einem markanten Punkt der Marktgemeinde St. befinde und daß durch die vom heimischen Baustil abweichende Dachform des geplanten Neubaues - ein flaches Satteldach - das Markt- und Landschaftsbild nachteilig beeinflußt würde. Ein Walmdach wurde als mit der ortsüblichen Dachneigung noch annehmbar bezeichnet. Da die Beschwerdeführer eine Änderung ihres Vorhabens ablehnten, wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde St. vom das Bauansuchen gemäß § 11 Abs. 5 der Salzburger Landbauordnung 1952, § 13 des Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 67/1929, des § 28 des Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 72/1952 (richtig 1957), und § 1 der "Baugestaltungsverordnung" abgelehnt.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit dem vom Bürgermeister gefertigten, nach dem Wortlaut aber auf einem Beschluß des Gemeinderates beruhenden Bescheid des Marktgemeindeamtes vom als unbegründet abgewiesen wurde. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wurde jedoch dahin abgeändert, daß der Bescheid nicht auf § 28 des Naturschutzgesetzes 1957 gegründet wurde. Auf Grund einer von den Beschwerdeführern ergriffenen Vorstellung behob das Amt der Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom den vorangeführten Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Maßgebend für diese Erledigung war, daß der Bescheid vom Bürgermeister gefertigt und daher diesem zuzurechnen sei, der Bescheid sohin als von einer unzuständigen Behörde erlassen angesehen werden müsse.

Mit dem auf einem Beschluß des Gemeinderates der Marktgemeinde St. vom beruhenden Bescheid des Marktgemeindeamtes vom wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid neuerlich keine Folge gegeben. Auch hiebei wurde der erstinstanzliche Bescheid dahin berichtigt, daß die Anführung des § 28 des Naturschutzgesetzes 1957 zu entfallen habe. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der abgelehnte Plan weise ein flaches Satteldach mit einer Dachneigung von 26 Grad auf. Die eingeholten Sachverständigengutachten haben ergeben, daß diese Dachform der im Lungau heimischen Dachform und Neigung widerspreche, weil der Lungau ein ausgesprochenes "Steildachgebiet" sei. Neben dem typischen Lungauer Schopfdach sei auch das steile Walm- und Satteldach heimisch. Alle anderen Dachformen störten das Orts- und Landschaftsbild erheblich. Als "Umgebung" sei das Gesamtbild und nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft des Bauplatzes zu werten, die übrigens das Lungauer Steildach aufweise.

Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, der die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge gab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Bauakt der Gemeinde gehe hervor, daß der Erstbeschwerdeführer in der Folgezeit neuerlich um die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf der gegenständlichen Liegenschaft, jedoch mit einer geänderten Dachform, angesucht habe. Darüber habe am die Bauverhandlung stattgefunden. Für das gleiche Haus, nur mit der von der Baubehörde akzeptierten Dachform, sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom die Baubewilligung erteilt worden. Dieser Bescheid sei rechtskräftig geworden. Der Bauwerber habe mit der Bauausführung auch bereits begonnen und das Gebäude im Rohbau fertiggestellt. Die Bauführung sei mit Bewilligung der Ehefrau des Beschwerdeführers als Alleineigentümerin des Baugrundes erfolgt. Dies bedeute aber für das gegenständliche Vorstellungsverfahren, daß die Beschwerdeführer wegen Wegfalles eines Rechtsverletzungstatbestandes infolge der erteilten Baubewilligung in ihren Rechten nicht mehr verletzt sein könnten und somit klaglos gestellt seien. Es erübrige sich daher, auf die Vorstellung im einzelnen einzugehen.

In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerde wird im wesentlichen geltend gemacht, die Annahme der belangten Behörde, durch die Erteilung der Baubewilligung vom seien die Beschwerdeführer klaglos gestellt, sei unzutreffend. Von einer Klaglosstellung könnte nur darin die Rede sein, wenn das frühere Bauansuchen zurückgezogen worden wäre. Dies sei jedoch nicht geschehen. Die Beschwerdeführer hätten aus finanziellen, aber auch aus anderen Gründen mit dem Bau beginnen wollen und gehofft, daß, bis der Bau in der Höhe des Dachstuhles angelangt sei, auch die (für sie günstige) Entscheidung des Amtes der Salzburger Landesregierung über ihre Vorstellung vorliegen werde. Da gemäß § 63 der Salzburger Gemeindeordnung die Aufsichtsbehörde den Bescheid für den Fall, als die Rechte des Einschreiters verletzt wurden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen habe, dabei aber gleichzeitig ihre Rechtsansicht bekanntzugeben habe, weil im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle das Gemeindeorgan bei der neuen Entscheidung an diese Rechtsanschauung gebunden sei, werde es notwendig sein, in dem gegenständlichen Verfahren sämtliche mit dem angefochtenen Bescheid zusammenhängenden Bauakten beizuschaffen, um auch im Sinne der Naturschutzgesetze, der Baugestaltungsverordnung und der Salzburger Landesbauordnung die Rechtsansicht festzulegen, an die das Gemeindeorgan bei seiner neuerlichen Entscheidung gebunden sein werde.

Die Beschwerde erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als begründet:

Vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ein Bescheid angefochten, mit dem der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den die Abweisung ihres Bauansuchens bestätigenden Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde St. als unbegründet abgewiesen wurde. Abgesehen davon, daß eine Vorstellung, die gegenstandslos geworden ist, zu einer Sachentscheidung nicht mehr angenommen werden kann - auch die Abweisung einer Vorstellung ist eine Sachentscheidung - ist die Annahme der belangten Behörde, daß die Vorstellung gegenstandslos geworden sei, unzutreffend.

Das Begehren der Beschwerdeführer in dem abgewickelten Verwaltungsverfahren war auf die Erlassung eines Baubewilligungsbescheides gerichtet. Ein solcher Bescheid ist eine Polizeierlaubnis, weil mit ihm eine Ausnahme von dem allgemeinen Verbot, eine genehmigungspflichtige Bauführung ohne baubehördliche Bewilligung auszuführen, gewährt wird. Von einer solchen Bewilligung kann, muß aber nicht Gebrauch gemacht werden. Es kann daher der Eigentümer - mit Zustimmung des Eigentümers jeder Dritte - für ein und denselben Bauplatz auch während der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung um eine oder mehrere andere Baubewilligungen ansuchen, die gleichfalls erteilt werden müssen, wenn den Vorhaben kein gesetzliches Hindernis entgegensteht. Eine andere Rechtslage ist nur dann gegeben, wenn von einer Baubewilligung Gebrauch gemacht, das heißt mit dem Bau begonnen wird. In einem solchen Fall ist der Bauherr nur mehr berechtigt, diesen Bau auszuführen, es wäre denn, daß für eine Planabweichung eine entsprechende baubehördliche Bewilligung erwirkt wird. Auch in einem solchen Fall kann aber der Eigentümer während der Bauführung oder nach Abschluß derselben ein anderes Bauvorhaben mit dem Antrag auf Genehmigung vorlegen, das allerdings nur dann verwirklicht werden kann, wenn das bereits begonnene oder das schon fertiggestellte Gebäude, soweit nicht einzelne Bauteile wieder verwendet werden sollen, vorher oder gleichzeitig mit der neuerlichen Bauführung abgetragen wird. Dies ist eine Folge des Umstandes, daß die Baubewilligung nur den Ausspruch zum Inhalt hat, daß gegen die geplante Bauführung aus öffentlichen Rücksichten keine Bedenken obwalten.

Auf den vorliegenden Beschwerdefall angewendet, bedeutet dies, daß die Beschwerdeführer berechtigt waren, auch während des Laufes des gegenständlichen Baubewilligungsverfahrens ein anderes Bauansuchen einzubringen und nach dessen Bewilligung mit dem Bau zu beginnen. Aus diesem Verhalten durfte die Behörde nicht schließen, daß die Beschwerdeführer auf die Erledigung ihrer gegen den gemeindlichen Bescheid erhobenen Vorstellung verzichtet haben.

Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich jedoch veranlaßt, noch auf folgendes hinzuweisen:

Die Versagung der Baubewilligung wurde auf § 11 der Salzburger Landbauordnung, § 13 des Naturschutzgesetzes 1929 und § 1 der Verordnung über die Baugestaltung gegründet. Die Behandlung des Bauvorhabens durch die Gemeinde erfolgte im eigenen Wirkungsbereich. Dagegen bestehen, soweit es sich um die Handhabung der Bestimmungen der Salzburger Landbauordnung handelt, keine Bedenken. Soweit die Versagung auf § 1 der Verordnung über die Baugestaltung (Verordnung vom , DRGB1. I, Seite 939) gegründet wurde, ist eine Anwendung dieser Bestimmungen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde insoweit möglich, als es sich hiebei um den Schutz des Orts- und Straßenbildes handelt. Soweit dagegen die Versagung des Bauansuchens unter Hinweis auf die Bestimmungen des Naturschutzgesetzes 1929 wegen Verletzung des Landschaftsbildes erfolgte, handelt es sich nicht mehr um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, weil der Schutz der Landschaft von der Gemeinde innerhalb ihrer Grenzen nicht besorgt werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1082/68, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965 verwiesen wird). Bei der Erlassung des Ersatzbescheides wird daher die belangte Behörde auch auf diesen Umstand Bedacht zu nehmen haben.

Wien, am

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Normen
BaugestaltungsV 1936;
BauRallg;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs3 Z9;
GdO Slbg 1965;
NatSchG Slbg 1957;
Sammlungsnummer
VwSlg 7586 A/1969
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1969:1969000163.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-52385