VwGH 08.02.1963, 0126/62
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Entschädigung in Enteignungsfällen ist kein echter Schadenersatz, sondern ein Entgelt für eine Leistung. Die Entschädigung, die ein Waldeigentümer für die Einräumung von Leitungsrechten für elektrische Hochspannungsleitungen an seiner Liegenschaft erhält, ist daher, auch wenn die Einräumung der Leitungsrechte durch behördlichen Bescheid verfügt wird, umsatzsteuerbar (Abgehen vom Vorerk. Zl. 0138/60 vom ) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Dietmann und die Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek und Dr. Borotha sowie die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Striebl und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek, über die Beschwerde der Firma G, P, gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. 18/48-II-1961, betreffend Umsatzsteuer für 1957, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Robert Amhof, und des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialoberkommissärs Dr. Alexander Kranich, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer einer Land- und Forstwirtschaft. Laut Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom wurden auf einer Reihe der zum Gutsbesitz der Beschwerdeführer gehörigen Liegenschaften (hauptsächlich Wald- und Wiesenparzellen) die zur Errichtung und Erhaltung der Stromleitung St. Andrä (Dampfkraftwerk) - Hessenberg (Umspannwerk) erforderlichen Leitungsdienstbarkeiten zugunsten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG., Verbundgesellschaft, eingeräumt und die grundbücherliche Einverleibung angeordnet. Die Beschwerdeführer wurden - ebenso wie die anderen von dem Bau der Leitung betroffenen Grundstückseigentümer - verpflichtet, die Aufstellung der Maste, die Führung der Leitungen im Luftraum über ihren Grundstücken, das Ausästen bzw. die Entfernung der für die Leitung hinderlichen Bäume und alle Vorkehrungen zu dulden, die zur Errichtung und zur Erhaltung der Leitungsanlage notwendig sind. Die Errichtung von Baulichkeiten aller Art innerhalb des Schutzstreifens von 30 m beiderseits der Leitungsachse wurde von der Zustimmung des Leitungsberechtigten abhängig gemacht. Der Bauwerberin wurde empfohlen, sich wegen der Entschädigung mit den Grundstückseigentümern gütlich zu einigen.
Im Jahre 1960 fand im Betrieb der Beschwerdeführer eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer sah die auf Grund des erwähnten Bescheides im Jahre 1957 ausgezahlte Entschädigung von S 292.913,-- , die nicht als Betriebseinnahme verbucht war, als steuerpflichtigen Umsatz an.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen den vom Finanzamt gemäß § 24 Abs. 5 AbgRG erlassenen, berichtigten Bescheid über die Umsatzsteuer 1957 Berufung. Sie wendeten ein, daß es sich um einen echten Schadenersatz handle, der nicht der Umsatzsteuer unterliege. Sie nahmen aber auch auf § 4 Z. 9 UStG Bezug und machten geltend, daß eine Entschädigung für die Enteignung von Grund und Boden und für die in der Folge eintretenden Erschwernisse bei der Bewirtschaftung des verbleibenden Grundstücksbestandes nicht umsatzsteuerpflichtig sei.
Die Berufungskommission wies die Berufung ab. Die Berufung entbehre der Berechtigung. Auch ein auf behördlichem Zwang beruhender Leistungsaustausch begründe Umsatzsteuerpflicht, sodaß eine Enteignungsentschädigung grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliege; die Steuerfreiheit nach § 4 Z. 9 oder Z. 10 könne mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Anspruch genommen werden.
Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach § 1 Z. 1 UStG 1934, DRGBl. I S. 942, unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Gemäß § 7 Abs. 1 UStDB 1938, DRGBl. I, S. 1935, sind sonstige Leistungen solche, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen. Nach § 10 UStDB ist Entgelt alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufwendet, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten. Die Beschwerdeführer bestreiten die Umsatzsteuerpflicht des Betrages von S 292.913,--, den sie von der Verbundgesellschaft erhalten haben, mit der Begründung, es handle sich um einen Schadenersatz. Das Umsatzsteuergesetz und die Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen kennen aber den Begriff "Schadenersatz" nicht. Nach den erwähnten Vorschriften des Umsatzsteuerrechtes kommt es vielmehr allein darauf an, ob einer Lieferung oder Leistung eine Gegenleistung des Leistungsempfängers gegenübersteht, also ein Leistungsaustausch gegeben ist. Die Beschwerdeführer waren durch den Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung vom , der auf Grund des Energiewirtschaftsgesetzes (Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 156/1939) ergangen ist, veranlaßt, der Verbundgesellschaft Leitungsdienstbarkeiten einzuräumen. Deswegen kann aber das Vorliegen eines Leistungsaustausches noch nicht mit Grund in Abrede gestellt werden; denn § 1 Z. 1 Satz 2 UStG bestimmt ausdrücklich, daß die Umsatzsteuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird. Die Beschwerdeführer können sich aber auch nicht mit Erfolg auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes, die die Leistung von Schadenersatz zum Gegenstand haben, berufen. Eine Enteignungsentschädigung ist nämlich von einem Schadenersatz nach den Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB grundsätzlich verschieden. Wohl kann im vorliegenden Fall in der zwangsweisen Begründung der Leitungsdienstbarkeiten eine Entziehung subjektiver Privatrechte aus Gründen des öffentlichen Wohles zugunsten eines anderen, somit eine "Enteignung" erblickt werden. § 365 ABGB läßt aber eine Enteignung grundsätzlich nur gegen eine "angemessene Entschädigung" zu. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Entschädigung das Entgelt für die Aufhebung oder Einschränkung eines Rechtes, den sogenannten Enteignungspreis, darstellt. Diese "Entschädigung" hat also mit einem Schadenersatz im Sinne der Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB, der in der Regel ein Verschulden des Ersatzpflichtigen voraussetzt und keineswegs eine "Lieferung" oder "Leistung" des Geschädigten, nichts zu tun (vgl. auch Klang, Kommentar zum bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Auflage, 2. Band, S. 194, und das dort bezogene Schrifttum). Schließlich machen die Beschwerdeführer noch die Steuerfreiheit des Entgeltes von S 292.913,-- nach § 4 Z. 9 und 10 UStG geltend. Bei der Begründung der Leitungsdienstbarkeiten handelt es sich aber weder um die Verpachtung oder Vermietung von Grundstücken oder von Berechtigungen, auf die die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke Anwendung finden, noch liegt ein Umsatz vor, der der Grunderwerbsteuer unterliegt. Für die anderen im § 4 Z. 9 und Z. 10 UStG genannten Steuerbefreiungen fehlt aber hier von vornherein eine Anwendungsmöglichkeit.
Da sich der erkennende Senat mit der vorstehenden Auffassung mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 138/60, in Widerspruch gesetzt hat, mußte zur Erledigung der Beschwerde der Senat im Sinne des § 11 Abs. 4 Z. 1 VwGG 1952 verstärkt werden. Er hat sich mit der gemäß § 14 dieses Gesetzes für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung erforderlichen Mehrheit zu der im vorstehenden dargelegten Auffassung bekannt.
Die Beschwerde war daher, soweit sie die Umsatzsteuer betrifft, unbegründet und mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abgewiesen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 2795 F/1963 |
Schlagworte | Stromleitungsrecht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1963:1962000126.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-52315