VwGH 07.05.1969, 0125/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | BAO §26 Abs1; |
RS 1 | Während der Wohnsitz nach bürgerlichem Recht durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung begründet wird, knüpft der steuerliche Wohnsitzbegriff an die tatsächliche Innehabung einer Wohnung an. Die Begründung eines Wohnsitzes ist also vom Vorhandensein einer Wohnung abhängig. Eine Wohnung ist der Inbegriff von Räumlichkeiten und Einrichtungen, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind. Ein Wohnsitz im Inland und damit unbeschränkte Einkommensteuerpflicht wird nicht schon durch die Absicht, einen Wohnsitz in Österreich aufzuschlagen, begründet. |
Norm | EStG 1953 §1 Abs1; |
RS 2 | Die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen ist für die Frage der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht belanglos. |
Norm | EStG 1953 §97 Abs3; |
RS 3 | Hinweis auf die Rechtsprechung des VfGH (zB E vom , Zl B 390/59, und E , Zl B 43/66), wonach keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen bestehen, daß unbeschränkt Steuerpflichtige nach dem Mindestsatz statt nach der allenfalls günstigeren Steuergruppe 2 besteuert werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr. Eichler, Dr. Kaupp und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde der LM in B, USA, vertreten durch Dr. Alexander Hörtlehner in Wien XIII, Fichtnergasse 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat) vom , Zl. 18/89-II-1967, betreffend Einkommensteuer 1962, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Kärnten) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mag. pharm. Hubert G. hatte auf der Liegenschaft EZ. 77 der Katastralgemeinde Kl. im Hause R.-Straße Nr.20 eine Apotheke betrieben. Er starb am . Auf Grund des von Mr. Hubert G. am errichteten Testamentes fiel der Nachlaß zur Hälfte seiner Gattin und zu je 1/4 seinen beiden Töchtern zu. Diese schlossen am zum Zwecke der Weiterführung der Apotheke einen Gesellschaftsvertrag ab, in dem u.a. auch die Wohnrechte der Gesellschafterinnen, betreffend das oben genannte Haus, geregelt wurden (§ 16 des Vertrages). Eine der beiden Töchter des Erblassers, Frau Linda G., verehelichte M. (die Beschwerdeführerin), gab für das Jahr 1962 eine Einkommensteuererklärung für unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige ab, in der sie ihren Gewinnanteil an der Apotheke als Einkünfte aus Gewerbebetrieb auswies. Das Finanzamt schrieb jedoch der Genannten die Einkommensteuer mit dem Mindestsatz für beschränkt Einkommensteuerpflichtige (20,06 %) vor. Die Beschwerdeführerin sei seit dem Jahre 1959 mit einem Staatsbürger der USA verheiratet und lebe in den Vereinigten Staaten. Bisher sei sie nur einmal, nämlich im Jahre 1963, für einige Wochen auf Urlaub in Österreich gewesen. Eine Übersiedlung hierher komme den gepflogenen Erhebungen zufolge nicht in Betracht. Bei der Wohnung im Hause R.-Straße 20 in Kl. handle es sich um die Wohnung der Eltern, in der die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Eheschließung gewohnt habe. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete die Beschwerdeführerin ein, sie sei während ihrer Mittelschulzeit (in den Jahren 1957 und 1959) immer wieder in die elterliche Wohnung zurückgekehrt und habe auch ihren gegenwärtigen Aufenthalt in den USA aufgegeben bzw. geändert. Sie trage sich mit dem Gedanken, nach Europa zurückzukehren. Mithin sei mindestens ein Doppelwohnsitz anzunehmen und in Österreich unbeschränkte Einkommensteuerpflicht gegeben. Das Finanzamt vernahm daraufhin die Witwe nach Mr. G., Frau Gertrude G. (wiederverehelichte K., die Stiefmutter der Beschwerdeführerin). Vor dem Berufungssenat fand schließlich die von der Beschwerdeführerin beantragte mündliche Berufungsverhandlung statt, zu der der Vertreter der Beschwerdeführerin erschienen war. Nach Verlesung der Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahmen wurde die Schwester der Beschwerdeführerin bei der Verhandlung ebenfalls einvernommen. Darauf wies die belangte Behörde die Berufung - soweit sie die beschränkte Einkommensteuerpflicht betraf - mit Bescheid vom ab. Eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht werde durch einen Wohnsitz im Inland im Sinne des § 26 Aba. 1 BAO begründet. Hiezu sei das "Innehaben einer Wohnung" im Inland erforderlich. Bei dem zum Nachlaß nach Mr. Hubert G. gehörigen Haus in Kl. handle es sich um ein zweistöckiges Gebäude. Im Erdgeschoß werde die Apotheke betrieben, das zweite Stockwerk sei vermietet. Die im ersten Stockwerk gelegene Wohnung werde allein von der Witwe nach Mr. Hubert G, benützt. Diese betreibe in der Wohnung seit Jahren einen Kosmetiksalon. Im § 16 des Gesellschaftsvertrages sei festgehalten, daß das Mietrecht an der Wohnung der Witwe des Mr. Hubert G. selbst für den Fall ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft weiterhin zugestanden bzw. eingeräumt werde. In der Wohnung befänden sich nur Einrichtungsgegenstände, die der Frau G. gehörten. Die Beschwerdeführerin hingegen sei nach ihrer Verehelichung im Jahre 1959 ihrem Gatten in die Vereinigten Staaten gefolgt und habe sich seither nur in den Jahren 1963 und 1965 einige Wochen hindurch in Kl. besuchsweise aufgehalten, ohne die elterliche Wohnung aufzusuchen. Sie habe seit ihrer Ausreise in die USA weder über die Wohnung noch über einzelne Räume wie eine Wohnungsinhaberin verfügt. Es sei also die wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Wohnsitzes, nämlich die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Wohnung im Inland, nicht gegeben gewesen. Daran ändere die Tatsache nichts, daß der Beschwerdeführerin 25 % der Einkünfte aus dem Hause zuflößen. Die Beschwerdeführerin habe sich auch laut einer Auskunft der Polizeibehörde am aus dieser Wohnung nach den USA abgemeldet: Auf die Absicht, sich einmal wieder in Österreich niederzulassen, komme es bei der Beantwortung der Frage, ob im Jahre 1962 ein Wohnsitz in Österreich bestanden habe, nicht an.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Während der Wohnsitz nach bürgerlichem Recht durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung begründet wird, knüpft der steuerliche Wohnsitzbegriff an die tatsächliche Innehabung einer Wohnung an. Die Begründung eines Wohnsitzes ist also vom Vorhandensein einer Wohnung abhängig. Eine Wohnung ist der Inbegriff von Räumlichkeiten und Einrichtungen, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind. Die Beschwerdeführerin hat ihre Behauptung, eine Wohnung in Österreich inne zu haben, im Verwaltungsverfahren auf § 16 des von ihr und den anderen Gesellschafterinnen zum Betrieb der Apotheke in Kl. gegründeten Gesellschaftsvertrages gestützt. Absatz a) dieser Vertragsstelle enthält aber nur die Erklärung, daß bezüglich der Wohnrechte, betreffend die Liegenschaft E7. 77, KG. Kl., eine besondere Regelung vorbehalten bleibt. Ansatz b) hingegen besagt, daß die Gesellschafterin Gertrude G. (wiederverehelichte K.) das "Mietrecht" an der im ersten Stock des Hauses R.-Straße Nr. 20 gelegenen Wohnung besitze und daß ihr im Falle des Ausscheidens aus der Gesellschaft freistehe, weiterhin Mieterin zu bleiben oder sich gegen eine entsprechende Geldleistung (gemeint: der übrigen Gesellschafterinnen) eine Ersatzwohnung zu beschaffen. Es ist also nirgends davon die Rede, daß der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf diese Wohnung zustünde. Da aber unter der von ihr gemeinten Wohnung nur der Inbegriff der Räumlichkeiten im Hause Kl., R.- Straße Nr. 20, verstanden werden könnte, ist für ihren Standpunkt aus der Tatsache, daß es sich um die frühere elterliche Wohnung gehandelt hat, nichts zu gewinnen. In rechtlicher Hinsicht könnte auch aus dem Erbgang nach dem verstorbenen Vater der Beschwerdeführerin nichts zugunsten der Beschwerde abgeleitet werden, weil für den Fall des Miteigentums der Erben an der ererbten Liegenschaft ein Mietverhältnis zugunsten bloß eines der Miterben nicht ausgeschlossen ist. Der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages deutet aber darauf hin, daß die übrigen Miteigentümerinnen des Hauses der Miteigentümerin Gertrude G. (wiederverehelichte K.) das Mietrecht an der gegenständlichen Wohnung eingeräumt haben und es ihr selbst für den Fall der Auflösung der Gesellschaft weiterhin belassen. Auch die Einvernahme der anderen Gesellschafterin (Schwester der Beschwerdeführerin) im Verwaltungsverfahren hat ergeben, daß sich an der Rechtslage laut Gesellschaftsvertrag nichts geändert hat, obschon die Beschwerdeführerin behauptet, eine Realteilung der Wohnung anzustreben. Vielmehr hat die gegenwärtige Inhaberin der Wohnung ausgesagt, daß die Beschwerdeführerin zwar im Jahre 1963 kürzere Zeit in Kl. gewesen sei, jedoch die Wohnung nicht benützt habe. Die belangte Behörde ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin weder rechtlich über die Wohnung verfügen konnte noch tatsächlich dort gewohnt hat. Die behauptete Absicht, einmal nach Europa zurückzukehren und ihrem Gatten hier eine Stellung zu verschaffen, genügt nicht, einen Wohnsitz in Österreich zu begründen. Vielmehr wird die ganze Wohnung gegenwärtig von der Gesellschafterin K. allein benützt und es wird dort von ihr ein Kosmetiksalon betrieben. Die belangte Behörde hat somit zu Recht für das Jahr 1962 einen Wohnsitz der Beschwerdeführerin in Österreich in Abrede gestellt und daher beschränkte Einkommensteuerpflicht angenommen. Angesichts dieser Sachlage konnte der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, oder daß sie die ihr vorliegenden Beweismittel etwa unrichtig gewürdigt hätte.
Die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen aber ist für die Frage der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht belanglos. Selbst ein österreichischer Staatsbürger, der in den USA seinen Wohnsitz hat, würde genauso wie jeder andere Staatsbürger, der in Österreich keinen Wohnsitz hat, mit den Einkünften aus Österreich - unbeschadet abweichender vertraglicher Bestimmungen über die Vermeidung einer Doppelbesteuerung - in Österreich beschränkt einkommensteuerpflichtig sein. Er hätte deshalb die Einkommensteuer mit demselben Mindeststeuersatz zu entrichten wie die Beschwerdeführerin. Von einer Verletzung des im Art. XVIII Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA, BGBl. Nr. 232/1957, normierten Diskriminierungsverbotes kann daher keine Rede sein.
Wenn die Beschwerde darüber hinaus noch verfassungsrechtliche Bedenken an der Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer nach dem Mindestsatz anstatt der für sie günstigeren Steuergruppe II äußert, ist ihr zu entgegnen, daß der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (Erkenntnisse vom , Zl. B 390/59, und vom , Zl. B 43/66) den Standpunkt vertreten hat, es sei keine sachlich ungerechtfertigte Differenzierung, beschränkt Steuerpflichtigen die Tarifbegünstigungen unbeschränkt Steuerpflichtiger zu versagen.
Die Beschwerde war somit als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3901 F/1969 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1968000125.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-52313