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VwGH 19.11.1963, 0095/61

VwGH 19.11.1963, 0095/61

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Ausführungen zur Frage der Fahrlässigkeit des Unternehmers bei der Auswahl und Überwachung von Hilfskräften sowie bei der Unterfertigung einer Umsatzsteuererklärung.
Normen
RS 2
Ist eine Selbstanzeige mit der Post bei der Behörde an dem Tag eingelangt, an dem das Behördenorgan mit der Amtshandlung begonnen hat, und ist die Sendung nicht nach dem Beginn der Amtshandlung abgegangen, so kann der Umstand, daß dem Behördenorgan selbst nichts gesagt wurde, die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige nicht berühren. Die Amtshandlung (Umsatzsteuerrevision) hat begonnen, wenn das Behördenorgan die Aufforderung zur Vorlage der Bücher, Aufzeichnungen, Aufschreibungen oder sonstiger steuerrechtlicher Unterlagen ausgesprochen hat.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Dietmann, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Lehne, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein der Schriftführer, Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek, Ministerialoberkommissärs Dr. Svoboda und prov.

Ministerialoberkommissärs Dr. Klein, über die Beschwerde des WR in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA V - 299/1 - 1960 betreffend Bestrafung wegen Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt;

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt in Wien einen Groß- und Einzelhandel mit Süßwaren. Seine am eingereichte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1958 wies einen Gesamtumsatz von S 2,661.317'11 und eine Umsatzsteuer von S 66.134'55 aus.

Am langte bei dem zuständigen Finanzamt eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 1958 ein. Sie zeigte einen Gesamtumsatz von S 3,141.502'73, woraus sich eine am beglichene Nachzahlungsverpflichtung von S 8.546'60 ergab.

Ein Bericht des Umsatzsteuerrevisors HA "über eine in der Zeit vom 7. bis " vorgenommene Umsatzsteuerrevision enthielt bezüglich des Umsatzes 1958 dieselben Zahlen wie die berichtigte Erklärung. In dem Bericht wurde auch vermerkt, daß zahlreiche Rechenfehler und Irrtümer festgestellt worden seien, sodaß sich der Umsatz im Vergleich zu der ursprünglich abgegebenen Erklärung erhöhe. In einem Aktenvermerk des Revisors vom ist unter anderem vermerkt, daß der Pflichtige die unrichtige Ermittlung des Umsatzes mit dem Hinweis begründet habe, sein Personal habe die Buchhaltung sehr lässig und verständnislos durchgeführt.

Am wurde nun gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß er durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für 1958 fahrlässig den Bestimmungen des § 166 der Abgabenordung zuwidergehandelt und hiemit ein Finanzvergehen nach § 48 Abs. 1 des FinStrG begangen habe. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführer am als Beschuldigter vernommen. Am wurde HA, der die Umsatzsteuerrevision vorgenommen hatte, am neuerlich der Beschwerdeführer und am der Dkfm. HM einvernommen, der angab, unabhängig von der Umsatzsteuerrevision, von der er nichts wußte, bei den Bilanzarbeiten die Unrichtigkeit der ersten Umsatzsteuererklärung ermittelt zu haben.

Mit den erstinstanzlichen Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im Bereiche des Finanzamtes für den I. Bezirk als Abgabenpflichtiger durch Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen Umsatzsteuererklärung für 1958 fahrlässig den Bestimmungen des § 166 Abs. 1 Abgabenordnung zuwidergehandelt zu haben. Er habe dadurch eine fahrlässige Finanzordnungswidrigkeit nach § 48 Abs.1 lit. d FinStrG begangen und werde hiefür gemäß § 48 Abs. 2 FinStrG mit einer Geldstrafe in Höhe von S 1.000'- bestraft. In der Begründung wurde ausgeführt, der Umsatz sei in der ersten Umsatzsteuererklärung um S 480.000'- zu niedrig angegeben worden. Dieser Betrag entspreche rund 15% des endgültigen Umsatzes von S 3,141.502'-. Bei einer so großen Differenz hätte es dem Beschuldigten bei einiger Überlegung auffallen müssen, daß der ursprünglich erklärte Gesamtumsatz nicht richtig sein könne. Die Außenstände hätten durchschnittlich im Jahre 1958 nur S 150.000'- betragen, sodaß auch diese Post bei der Beurteilung der Umsatzlage keinen großen Einfluß gehabt habe und diese leicht zu überblicken gewesen sei. Nach den Angaben des HA habe der Beschwerdeführer im übrigen die Möglichkeit von größeren Umsatzdifferenzen für das Jahr 1958 zugegeben und dies auf den Buchhalterwechsel und die mangelnde Sachkenntnis der betreffenden Angestellten zurückgeführt. Der Beschwerdeführer bestreite allerdings, daß er mit dem Umsatzsteuerrevisor bei Beginn der Revision zusammengetroffen sei, und damit auch die Angaben des Revisors über dieses Zusammentreffen. Unabhängig von der Frage, welche Angaben in dieser Hinsicht den Tatsachen entsprechen, sei aber die Finanzstrafbehörde auf Grund der verhältnismäßig großen Differenz beim Gesamtumsatz zur Ansicht gekommen, daß der Beschuldigte bei Unterfertigung der ursprünglichen Umsatzsteuererklärung für 1958 nicht die notwendigen Überlegungen angestellt habe, ob der angegebene Umsatz auf Richtigkeit beruhen könne. Er habe wahrscheinlich im Hinblick auf die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgende Abgabe der Bilanz diesem Punkt weniger Bedeutung zugemessen. Die Finanzverwaltung könne jedoch eine richtige Angabe des Umsatzes erst in der Bilanz aus verschiedenen Gründen, unter anderem um die verspätete Zahlung von Teilbeträgen an Umsatzsteuer zu verhindern, nicht dulden. Verhältnismäßig geringe Differenzen würden und müßten in Kauf genommen werden, keinesfalls aber so große Abgänge wie im gegenständlichen Fall. Solche Abgänge seien nämlich bei einiger Aufmerksamkeit und bei pflichtgemäßer Überprüfung der entsprechenden Umsatzsteuerziffern vermeidbar. Im übrigen gehe die Einstellung des Beschwerdeführers auch aus der Umsatzsteuererklärung 1957 hervor; denn auch für dieses Jahr hätte sich eine Umsatzsteuerdifferenz zwischen der Erklärung und der Bilanz im Ausmaß von fast S 300.000 ergeben. Der Beschwerdeführer habe daher aus Mangel an Sorgfalt, zu der er nach den Steuergesetzen verpflichtet und auf Grund seiner persönlichen Fähigkeiten imstande war, somit fahrlässig am beim Finanzamt für den I. Bezirk eine unrichtige bzw. unvollständige Umsatzsteuererklärung 1958 eingereicht und habe damit fahrlässig den Bestimmungen des § 166 Abs. 1 AO zuwidergehandelt. Er sei daher wegen fahrlässiger Finanzordnungswidrigkeit - Vergehen nach § 48 Abs. 1 lit. d FinStrG - schuldig zu erkennen und nach Absatz 2 der gleichen Gesetzesstelle zu bestrafen gewesen. Der am eingebrachten berichtigten Umsatzsteuererklärung sei für die strafrechtliche Beurteilung keine Bedeutung beizumessen gewesen. Nach § 29 Abs. 3 FinStrG sei eine Selbstanzeige verspätet, wenn sie nicht schon bei Beginn der Amtshandlung - im gegenständlichen Falle der Umsatzsteuerrevision -

dem Behördenorgan erstattet worden sei. Dies treffe im vorliegenden Falle zu.

Der Beschwerdeführer legte, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt ist, in seiner Berufung dar, eine genaue Umsatzziffer könne nur im Zuge der Bilanz ermittelt werden. Die am eingebrachte unrichtige Umsatzsteuererklärung sei auf der Grundlage der von Angestellten des Beschwerdeführers unrichtig ermittelten Monatsumsätze, deren Unrichtigkeit sich aber erst nach Aufstellung einer Debitorenprobe habe feststellen lassen, angefertigt worden. Eine Fahrlässigkeit könne ihm nicht angelastet werden; er habe sich auf die Richtigkeit der Berechnung seiner Angestellten verlassen können, zumal diese Berechnungen weder Schätzungen noch Abrundungen enthielten, sondern Groschenbeträge aufwiesen. Es habe ihm auch nicht auffallen müssen, daß der erklärte Gesamtumsatz nicht richtig sein könne. Wenn ihm vorgehalten worden sei, er habe einen angeblichen Umsatzsteuerrückgang von etwa S 400.000 als Fehlergebnis erkennen müssen, so sei dazu festzustellen, daß sich die monatliche Zahlung an Umsatzsteuer im Falle der Richtigkeit der Erklärung nur um S 700'- vermindert hätte. Auf Grund der vorliegenden Berechnungen habe er eben den aufscheinenden Umsatzsteuerrückgang als gegeben annehmen müssen. Er entrichte seine Steuerzahlungen pünktlich und es wäre ihm auf die Zahlung der Differenz nicht angekommen. Es liege aber auch eine strafbefreiende Selbstanzeige vor. Die berichtigte Steuererklärung sei am beim Finanzamt eingelangt. Erst an diesem Tage sei der Prüfer erstmalig in der Kanzlei des Steuerberaters erschienen, habe die dort befindlichen Unterlagen besichtigt, weitere Unterlagen angefordert und bekanntgegeben, daß er die Prüfung am vornehmen werde. Zur Zeit dieser ersten Vorsprache sei demnach die berichtigte Umsatzsteuererklärung nicht nur abgesandt, sondern bereits in den Händen des Finanzamtes gewesen. Der Prüfer habe demnach keine eine Umsatzverkürzung aufgedeckt, sondern nur festgestellt, daß die bereits eingebrachte, berichtigte Umsatzsteuererklärung richtig gewesen sein. Daraus ergebe sich zweifelsfrei, daß die Selbstanzeige rechtzeitig vor Beginn der Prüfung erstattet worden sei.

Im Berufungsverfahren wurde am HA in Gegenwart des Beschwerdeführers und bei entsprechender Befragung desselben, ferner auch der Steuerberater LG vernommen. Dieser erklärte schließlich, daß er Unterlagen, und zwar eine Korrespondenz über den Prüfungsbeginn, zur Verfügung stellen wolle. Am gleichen Tag überbrachten der Beschwerdeführer und der Zeuge G den betreffenden Schriftverkehr.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, fahrlässig handle, wer die gebotene und ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und den Umständen des Falles zuzumutende Sorgfalt außer acht lasse. Wie sich aus § 166 AO ergebe, seien Steuererklärungen nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen. Den Steuerpflichtigen treffe somit eine besondere Sorgfaltspflicht. Im besonderen habe der Beschwerdeführer als Kaufmann im Sinne des § 1 Handelsgesetzbuch gemäß § 38 desselben Gesetzes seine Handelsgeschäfte nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Diese Verpflichtung gelte gemäß § 160 Abs. 1 AO auch für die Führung von Geschäftsaufzeichnungen nach den Abgabengesetzen. In der Person des Beschwerdeführers gelegene Umstände, die ihn an der Anwendung der gebotenen Sorgfalt gehindert hätten, seien von ihm weder vorgebracht worden noch hätten sie von Amts wegen festgestellt werden können. Auch Umstände, die dem Beschwerdeführer sonst die Anwendung der gebotenen Sorgfalt als nicht zumutbar erscheinen ließen, lägen nicht vor. Insbesondere könne es den Beschwerdeführer nicht entschuldigen, daß die unrichtige Steuererklärung auf unrichtigen Ziffern und Zusammenstellungen der von seinen Angestellten geführten Aufzeichnungen beruht habe. Die in den Abgabengesetzen niedergelegten Pflichten zur Führung richtiger und vollständiger Geschäftsaufzeichnungen richteten sich an den Steuerpflichtigen selbst. Lasse sich dieser bei Erfüllung dieser Pflichten durch andere Personen vertreten, so müsse er sich hiezu sorgfältig ausgewählter und zur Erfüllung dieser Pflichten fähiger Personen bedienen. Habe er hiezu ungeeignete Personen ausgewählt, so liege hierin sein Verschulden, das er zu vertreten habe. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht damit entschuldigen, daß die Fehler der Buchhaltung erst durch die Bilanzerstellung aufgedeckt werden können. Sei die Einbringung einer richtigen Umsatzsteuererklärung ohne vorherige Bilanzerstellung nicht möglich gewesen, so hätte die Bilanz eben vor der Einbringung der Erklärung erstellt werden müssen. Berücksichtige man ferner, daß der in der Erklärung vom ausgewiesene Umsatz einem Umsatzrückgang von 20 % entsprechen würde - was dem Beschwerdeführer "als langjährigem Geschäftsmann" sicher aufgefallen sei - und dem Umsatzrückgang kein entsprechender Rückgang des Wareneinganges gegenübergestanden sei, so bestehe kein Anlaß, die Einbringung der unrichtigen Umsatzsteuererklärung nicht auf das fahrlässige Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen.

Die belangte Behörde legte im folgenden dar, daß die berichtigte Steuererklärung, die am beim Finanzamt eingelangt war, nicht als rechtzeitige Selbstanzeige gelten könne. Bei der rechtlichen Beurteilung stützte sich die Behörde hiebei auf § 29 Abs. 3 FinStrG. Sie nahm an, die Amtshandlung (Prüfung) beginne, wenn das mit der Prüfung betraute Behördenorgan bereit sei, die Bücher, Aufzeichnungen oder Aufschreibungen des Steuerpflichtigen auf deren Richtigkeit hin zu überprüfen. Sie legte ferner dar, daß der Prüfer HA bei seiner Zeugeneinvernahme angegeben habe, bereits am in die Geschäftsräume des Beschwerdeführers gekommen zu sein und dem Beschwerdeführer eröffnet zu haben, daß er bei ihm eine Umsatzsteuerrevision vornehmen müsse. Spätestens im unmittelbaren Anschluß daran hätte die Selbstanzeige erstattet werden müssen. Im Rechtsmittelverfahren hat der Zeuge A auch angegeben, bereits anläßlich dieser Vorsprache Kassenstreifen angesehen zu haben. Dem stellte die Behörde die Aussage des Beschwerdeführers gegenüber, der daran festgehalten hatte, A sei am telephonisch von ihm an den Steuerberater verwiesen worden. Er habe den Prüfer damals nicht einmal gesehen. Die Behörde führte nun aus, daß - abgesehen davon, daß der Zeuge kein Interesse an der Abgabe einer falschen Zeugenaussage unter Berufung auf seinen Diensteid gehabt hätte - auch aus der vom Steuerberater und dem Beschwerdeführer vorgelegten Korrespondenz und dem Verhalten des Beschwerdeführers der Schluß auf die Unglaubwürdigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers zu ziehen sei. Insbesondere könne der Brief des Beschwerdeführers vom , in dem davon die Rede ist, daß er dem Prüfer etwas gesagt habe, nicht so gedeutet werden, daß es sich hier um ein Ferngespräch gehandelt haben könne, weil sonst der Beschwerdeführer der anderen Deutung widersprochen hätte, die der Steuerberater dieser Briefstelle in seinem Schreiben vom gegeben hätte. Abschließend brachte die Behörde aber zum Ausdruck, daß, selbst wenn man dem Beschwerdeführer folgen und annehmen wollte, daß der Prüfer erst am in der Kanzlei des Steuerberaters erschienen sei, die Selbstanzeige spätestens in diesem Zeitpunkt, und zwar dem Prüfer gegenüber abgegeben hätte werden müssen und die Einbringung der Selbstanzeige am gleichen Tage beim Finanzamt nicht ausgereicht hätte.

In der Beschwerde wird unter anderem ausgeführt, abgesehen davon, daß Feststellungen der belangten Behörde darüber fehlten, daß die beiden Buchhalterinnen tatsächlich als ungeeignet anzusehen gewesen seien, sei auch keine Begründung dafür gegeben, daß der Beschwerdeführer für Personen, die er als Buchhalter aufnehme und die eine entsprechende Vorbildung hätten, strafrechtlich haftbar sei. Es werde keinem Kaufmann einfallen, sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen ungeeigneter Personen zu bedienen; wenn dies aber von der Behörde behauptet werde, so müsse sie hiefür den Nachweis erbringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, daß er durch die Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen Umsatzsteuererklärung für 1958 fahrlässig den Bestimmungen des § 166 Abs. 1 AO zuwidergehandelt und dadurch eine Übertretung des § 48 Abs. 1 lit. d FinstrG begangen habe. Die Erwägungen des Beschwerdeführers und der Behörde zur Schuldfrage machen es erforderlich, zunächst klarzustellen, daß strafrechtlich gesehen nur persönliches Verschulden bedeutsam ist. In dem Aktenvermerk, der der Abteilung für Strafsachen zugeleitet wurde und von dem das Verfahren seinen Ausgang nahm, findet sich ein Hinweis auf den § 1316 a (richtig: 1313 a) ABGB. Die Haftung für das Verschulden der Erfüllungsgehilfen wie für eigenes Verschulden trifft den, der zivilrechtlich zu einer Leistung an einen anderen verpflichtet ist; strafrechtlich hat dieser Rechtssatz keine Geltung. Dies zeigt § 8 FinstrG. Die belangte Behörde ist auch, wenn man den angefochtenen Bescheid als Ganzes würdigt, in dieser Hinsicht nicht von dem Rechtsirrtum ausgegangen, den ihr der Beschwerdeführer zur Last legt, wenn er nach der Grundlage für die Annahme frägt, ein Unternehmer habe strafrechtlich für das Verhalten von entsprechend ausgebildeten Buchhaltern einzustehen. Die belangte Behörde hat allerdings in dem Satz "hat er ... ungeeignete Personen ausgewählte, so liegt hierin sein Verschulden, das er zu vertreten hat" von einem Auswahlverschulden gesprochen. Das Vorliegen dieses Verschuldens wurde nicht näher begründet. Aus Fehlern von Arbeitnehmern darf nicht ohne weiteres auf ein Auswahlverschulden geschlossen werden. Würde ein solcher Gedankengang für den Schuldspruch allein ausschlaggebend gewesen sein, so wäre die Beschwerde schon deshalb begründet. Nun beruht aber der Schuldspruch auf anderen Erwägungen. Die Behörde führte aus, daß, falls die Einbringung einer richtigen Umsatzsteuererklärung wirklich ohne vorherige Bilanzerstellung nicht möglich gewesen wäre, die Bilanz vor Einbringung der Umsatzsteuererklärung hätte erstellt werden müssen. In dieser Hinsicht erscheint dem Verwaltungsgerichtshof der Sachverhalt ergänzungsbedürftig; denn wenn dem Beschwerdeführer etwa in anderen steuerrechtlichen Zusammenhängen Fristen gewährt waren, die einen Aufschub der Abschlußarbeiten für das Jahr 1958 gestattet hatten, so kann der nun erörterte Vorwurf gegen ihn nicht erhoben werden. Die Debitorenprobe kann ohne Verwertung der Ziffern, die bei den Abschlußarbeiten ermittelt werden, nicht erstellt werden. Ferner hat die belangte Behörde für die Schuldfrage das Maß des im Falle der Richtigkeit der Erklärung vom gegebenen Umsatzrückganges - sie nahm es mit zirka 20 % an - als bedeutsam angesehen, das dem Beschwerdeführer als "langjährigem Geschäftsmann" sicher aufgefallen sei, wobei dem Umsatzrückgang kein entsprechender Rückgang des Wareneinganges gegenübergestanden sei. Gerade daraus wurde abschließend gefolgert, daß "kein Anlaß" bestehe, die Einbringung der "unrichtigen Umsatzsteuererklärung nicht auf eine fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen". Gewiß mag es sowohl nach den Denkgesetzen als auch nach den Erfahrungen des täglichen Lebens unter bestimmten Umständen durchaus zulässig sein, aus der Größe einer Differenz der umschriebenen Art und dem Unterbleiben von Rückfragen auf eine konkrete Fahrlässigkeit bei der Unterfertigung der Erklärung zu schließen. Doch zeigt sich zunächst bei dem Vergleich der Ziffern der Umsatzsteuerklärungen 1957 und 1958, ebenso aber auch bei dem Vergleich im Steuerbescheid angeführten Umsatzziffer mit der Ziffer in der ersten Steuererklärung für das Jahr 1958, daß die Differenzen nicht 20 % betragen. Die belangte Behörde ist also, wenn man ihrem Gedankengang hier im allgemeinen folgen wollte, von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen, weil die Differenz im Verhältnis nicht so groß war wie sie annahm. Vor allem aber hat der Beschwerdeführer - wie im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt wurde - erklärt, er habe Rückfragen nicht unterlassen. Es ergibt sich somit, daß der Sachverhalt in der Frage des persönlichen Verschuldens des Beschwerdeführers an der Unrichtigkeit der Umsatzsteuererklärung 1958 der Ergänzung bedarf. Auch wenn, wie in der Gegenschrift betont wird, schon in anderen Jahren Unrichtigkeiten unterlaufen sind, kann doch eine das praktisch mögliche Maß überschreitende, bis ins einzelne gehende Kontrolle des Firmeninhabers bei der Unterfertigung der Umsatzsteuerklärung nicht gefordert werden, wenn man nicht praktisch doch ein strafrechtliches Eintretenmüssen für den Angestellten durchsetzen will, was aber, wie eingangs dargelegt, den Absichten des Gesetzes nicht entsprechen würde. Die in der Gegenschrift in den Vordergrund gestellte laufende Überprüfung der Umsatzermittlung ist mit dem Beschwerdeführer im Verfahren nicht näher erörtert worden. Hat der Beschwerdeführer eine praktisch gangbare Überwachung in diesem Bereich unterlassen, so könnte hier seine Fahrlässigkeit liegen. Hier fehlen aber ausreichende Feststellungen.

Aus den angeführten Gründen mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich jedoch veranlaßt, auch zur Frage der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige Stellung zu nehmen. Die Behörde stützt ihre Annahme, die Selbstanzeige sei nicht wirksam erstattet worden, auf den § 29 Abs. 3 FinStrG. Nach dieser Bestimmung ist die Selbstanzeige jedenfalls verspätet, wenn sie anläßlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau oder Prüfung von Büchern, Aufzeichnungen oder Aufschreibungen nicht schon bei Beginn der Amtshandlung dem Behördenorgan erstattet wurde. Unter Behörde ist die für die Verwaltung der Abgabe zuständige Finanzbehörde zu verstehen. Es kommt also darauf an, ob der Beschwerdeführer die Selbstanzeige schon vor dem Beginn der Amtshandlung erstattet hatte, nicht darauf, ob er sie schon vorher aus eigenem Antrieb vorbereitet hatte. Die auf den Wortlaut des Gesetzes gestützte Rechtsanschauung der belangten Behörde, es könne nur darauf ankommen, ob das Organ verständigt wurde, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen. Wenn nachweislich eine Selbstanzeige an die Behörde vor dem Beginn der Prüfung erstattet wurde, das Behördenorgan aber aus irgendwelchen Gründen beim Beginn der Amtshandlung nicht in Kenntnis gesetzt wurde, könnte dies die Rechtzeitigkeit nach dem Sinn des Gesetzes nicht beeinträchtigen. Dieser Rechtsfrage kommt, wie aus der Darstellung des Inhaltes des angefochtenen Bescheides hervorgeht, deshalb Bedeutung zu, weil die belangte Behörde auch für den Fall eine Verspätung der Selbstanzeige als gegeben annahm, daß der Beginn der Prüfung wirklich, wie der Beschwerdeführer behauptet, erst an jenem 29. September stattfand, an dem auch die berichtigte Erklärung bei der Behörde eingelangt war.

Die belangte Behörde hat den Standpunkt vertreten, die Amtshandlung beginne, wenn das mit der Prüfung betraute Organ bereit sei, diese vorzunehmen; der Beginn der Einschau selbt sei nicht erforderlich. Eine andere Auffassung, so meinte die belangte Behörde, müsse zu dem unbefriedigenden Ergebnis gelangen, daß, falls Bücher, Aufzeichnungen oder Aufschreibungen überhaupt nicht vorhanden oder nicht vorgelegt worden seien, eine Prüfung nicht beginnen könne und daß so der Täter den Zeitpunkt, bis zu welchem er eine Selbstanzeige wirksam erstatten könne, willkürlich selbst zu bestimmen in der Lage sei. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß der Begriff der Bereitschaft des Organes zur Prüfung zu wenig bestimmt ist, um damit den Zeitpunkt des Prüfungsbeginnes festzulegen. Eine allgemeine Erklärung, zur Prüfung bereit zu sein, die etwa fernmündlich abgegeben wurde, kann gewiß im Sinne des Gesetzes nicht als Beginn der Prüfung bezeichnet werden. Vor allem kann eine Ankündigung der Prüfung dem Beginn der Amtshandlung nicht gleichgesetzt werden. Wohl aber wird man in einem Falle wie dem vorliegenden die nach dem Erscheinen des Behördenorganes ausgesprochene Aufforderung zur Vorlage der Bücher, Aufzeichnungen, Aufschreibungen oder sonstigen steuerrechtlich maßgeblichen Unterlagen als den Beginn der Amtshandlung ansehen müssen; dies auch dann, wenn die Einschau selbst in dem betreffenden Zeitpunkt noch nicht möglich war. Für diese Rechtsanschauung können die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gründe ohne weiteres herangezogen werden. Es ist nicht anzunehmen, daß das Gesetz dem Täter überlassen wollte, den Beginn der Prüfung und damit den Termin für die Selbstanzeige durch sein Verhalten zu bestimmen.

Abgesehen davon, daß die belangte Behörde von einer anderen Anschauung hinsichtlich des Beginns der Amtshandlung ausgegangen ist, sind auch ihre beweiswürdigenden Erwägungen in der Frage des tatsächlichen Ablaufs der Dinge nicht unbedenklich. Aus der Korrespondenz zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Steuerberater und dem späterem Verhalten des Beschwerdeführers konnte schlüssigerweise nicht als erwiesen abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit oder Widersprüchlichkeit seiner Verantwortung hinsichtlich der Frage, ob der Prüfer am persönlich im Betrieb erschienen sei und mit ihm gesprochen habe, eingestanden habe. Es mag durchaus sein, daß die belangte Behörde ihren Schluß, daß die Amtshandlung jedenfalls vor der Abgabe der berichtigten Steuererklärung begonnen habe, nach der Aktenlage in anderer schlüssiger Weise hätte begründen können. Die gegebene Begründung war aber jedenfalls nicht ausreichend.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 2975 F/1963
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1963:1961000095.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-52262