VwGH 22.04.1965, 0024/64
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §129 Abs1; BauO Wr §134 Abs3; BauO Wr §134 Abs5; |
RS 1 | Eine Haftung desjenigen, der für die Herbeiführung eines bauordnungswidrigen Zustandes im Sinne einer Kausalität verantwortlich ist, für die Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes der Baulichkeit besteht zwar allenfalls gegenüber deren Eigentümer, nicht aber gegenüber der Baubehörde. Diese Haftung trifft vielmehr nur den Eigentümer der Baulichkeit (Hinweis auf E vom , Zl. 0424/56) |
Norm | BauO Wr §129 Abs2; |
RS 2 | Ausführungen zum Begriff des Eigentümers im Sinne des § 129 Abs 2 leg cit (Hinweis auf E vom , Zl. 3102/55). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, provisorischen Landesregierungskommissärs Dr. Weingartner, über die Beschwerde, der Firma A-Handelsgesellschaft in W, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Albert Schueller, Wien IV, Schwindgasse 3, gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates im selbstständigen Wirkungsbereich vom , Zl. M.Abt. 64-B-III-36/62), betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einer Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird Alls unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten im Hause W III. Mit dem Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 36 - der "XY" Genossenschaft, Wohnungs- und Siedlungs Ges.m.b.H., als Eigentümerin dieses Hauses unter Berufung auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien den Auftrag, binnen sechs Wochen nach Rechtskraft des Bescheides unter Heranziehung eines befugten Gewerbetreibenden die im Erdgeschoß ohne Baubewilligung durchgeführten Bauabänderungen (Einbeziehung von Gangaborten in eine Mieteinheit, und zwar offenbar in die Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin) entfernen und den konsensgemäßen Zustand wieder herstellen zu lassen. Dieser Auftrag gelte, so wurde im Spruch des Bescheides ferner gesagt, auch dann als erfüllt, wenn innerhalb derselben Frist um nachträgliche Baubewilligung für die Bauabänderung angesucht und diese Bewilligung in der weiteren Folge auch erwirkt werde. Der Beschwerdeführerin, die nach ihrem Vorbringen die baulichen Änderungen, die den Gegenstand des Magistratsbescheides bilden, im Jahre 1939 oder 1940 mit Zustimmung des damaligen Verwalters und auf ihre Kosten vorgenommen hatte, wurde dieser Bescheid durch den Verwalter des Hauses in Abschrift übermittelt. In der daraufhin eingebrachten Berufung begründete die Beschwerdeführerin ihre - auch vor dem Verwaltungsgerichtshof verfochtene - Rechtsmeinung, es komme ihr Parteistellung und damit auch das Berufungsrecht zu, mit ihrer Stellung als seinerzeitige Auftraggeberin der nach der Annahme des Magistrates konsenslosen baulichen Veränderungen. Aus dieser Rechtsstellung ergebe sich, so führte sie aus, dass der Auftrag des Magistrates in ihre Rechtssphäre eingreife.
Mit Sitzungsbeschluss vom wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück. In der Begründung des in Ausfertigung dieses Beschlusses ergangenen Magistratsbescheides vom selben Tage heißt es, der Beschwerdeführerin fehle es deshalb an der Legitimation zur Einbringung einer Berufung, weil gemäß 136 Abs. 1 der Bauordnung für Wien dieses Recht nur den Parteien zustehe und gemäß § 134 Abs. 5 desselben Gesetzes in einem Verfahren, das einem von Amts wegen erlassenen Bescheid vorangehe, nur diejenige Person Partei sei, die durch diesen Bescheid zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet werde. Alle sonstigen Personen, sohin auch die Beschwerdeführerin, seien nach der gleichen Gesetzesstelle nur als Beteiligte anzusehen, denen ein Berufungsrecht nicht zukomme. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass die Berufung nach Auffassung der belangten Behörde überdies verspätet sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ein Bescheid angefochten, mit welchem die Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid des Wiener Magistrates als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die Zurückweisung einer Berufung hat nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen dann Platz zu greifen, wenn sich der Erledigung in der Sache ein formalrechtliches Hindernis entgegenstellt. Ein solches Hindernis hat die belangte Behörde darin erblickt, dass der Beschwerdeführerin das Recht zur Einbringung der Berufung nicht zustehe. Sie ist damit aus den folgenden Erwägungen im Recht:
In der Beschwerde wird die auf § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien gestützte Rechtsauffassung der belangten Behörde als deshalb rechtswidrig bekämpft, weil der Rechtsgrund, der die belangte Behörde veranlasst hatte, sich mit ihrem Auftrag an den Hauseigentümer zu wenden - dessen Haftung für den bauordnungswidrigen Zustand - auch in Ansehung der Beschwerdeführerin gegeben sei. Diese ihre Haftung ergebe sich, so bringt sie vor, aus der Überlegung, dass derjenige, der für die Herbeiführung eines bauordnungswidrigen Zustandes verantwortlich sei, als "Mithafter" angesehen werden müsse. Ihre Parteistellung leitet die Beschwerdeführerin des weiteren aus der Erwägung ab, dass sie es sei, die um eine allenfalls erforderliche Baubewilligung ansuchen müsse.
Der Verwaltungsgerichtshof kann diese Rechtsmeinung aus den nachstehenden Gründen nicht teilen: Zu der hier im Vordergrund stehenden Frage, wer für die bauordnungsgemäße Beschaffenheit einer Liegenschaft in öffentlich-rechtlicher Beziehung einzustehen habe, hat der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 3102/55, ausgesprochen, dass unter dem Begriff des Eigentümers im Sinne des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien nicht stets der Grundeigentümer zu verstehen sei, die Verantwortlichkeit und Instandhaltungspflicht vielmehr primär den Eigentümer der Bauanlage treffe. Diese Rechtsmeinung hat der Gerichtshof vor allem auf § 134 Abs. 3 des angeführten Gesetzes gestützt, nach welcher Bestimmung der vom Bauwerber verschiedene Eigentümer auch für alle der Bauordnung widersprechenden Zustände auf seiner Liegenschaft hafte, die von einer dritten Person mit oder ohne seine Zustimmung hervorgerufen wurden. Die Verwendung des Begriffes "haften" deute aber, so wurde dort weiter gesagt, darauf hin, dass es sich hier nicht um eine primäre Verpflichtung handle; diese treffe eben den Eigentümer der Baulichkeit. Für die Frage der Parteistellung allerdings sei § 134 Abs. 5 der Bauordnung für Wien maßgeblich. Diese Gesetzesstelle regle nämlich die Parteistellung nach § 8 AVG für die Fälle einer Bescheiderlassung von Amts wegen. Partei sei nach dieser Regelung die Person, die durch den Bescheid zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet werde. Alle sonstigen Personen, die hiedurch in ihren Privatrechten oder Interessen betroffen würden, seien im verwaltungsrechtlichen Verfahren nur als Beteiligte anzusehen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sei damit zum Ausdruck gebracht, dass dinglich am Objekt berechtigte Personen, also beispielsweise die Servitutsberechtigten oder Hypothekargläubiger aber auch die Träger obligatorischer Rechte, vor allem also die Mieter, ferner sonstige Interessenten keine Parteistellung neben dem Verpflichteten besitzen sollten. Doch sollten jene Personen, die von Rechts wegen Adressat des Bescheides sein müssten, die also zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung zu verpflichten gewesen wären, jedoch von der Baubehörde durch ein Versehen nicht herangezogen worden seien, von der Parteistellung nicht ausgeschlossen werden.
In dem im Vorstehenden auszugsweise wiedergegebenen hg. Erkenntnis ist sohin klargestellt worden, dass einerseits die Haftung des Grundeigentümers dann nur eine subsidiäre ist, wenn die Bauanlage, um deren bauordnungsgemäßes Zustand es sich handelt, im Eigentum einer von ihm verschiedenen Person steht, und dass andererseits der vom Grundeigentümer verschiedene Eigentümer einer Bauanlage in einem Bauauftragsverfahren, dessen Gegenstand eben diese Bauanlage ist, auch dann Parteistellung genießt, wenn der Auftrag nicht an ihn, sondern an den Grundeigentümer gerichtet wurde. Für den vorliegenden Beschwerdefall ist daraus zu folgern, dass die Beschwerdeführerin, die nicht behauptet und nach der gegebenen Sachlage auch nicht behaupten kann, sie sei Eigentümerin der durch sie in Bestand genommener Räume oder auch nur der baulich abgeänderten Teile dieser Räume, unter diesem Gesichtspunkt Parteistellung für sich nicht in Anspruch nehmen kann.
Allerdings hat der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen, dass entsprechend der von der Beschwerdeführerin vertretenen Rechtsauffassung dem Hersteller bzw. Auftraggeber baulicher Abänderungen an einem Gebäude unabhängig davon, ob er Eigentümer zumindest dieses Teiles den Bauanlage geworden ist, in einem diese Abänderung betreffenden Bauauftragsverfahren Parteistellung zukommen könnte. In dem einen ähnlich gelagerten Beschwerdefall betreffenden Erkenntnis vom , Zl. 424/56, auf das unter Hinweis auf Artikel 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen sei, wurde diese Frage deshalb offen gelassen, weil der damalige Beschwerdeführer - anders als die Beschwerdeführerin - seine behauptete Parteistellung lediglich aus seiner Rechtstellung als Bestandnehmer, nicht aber aus dem Umstand abgeleitet hatte, dass er selbst bauliche Abänderungen an seinem Bestandobjekt vorgenommen hatte. Bei Prüfung des dieser Rechtsfrage gewidmeten Beschwerdevorbringens war davon auszugehen, dass, wie schon im weiter oben angeführten Erkenntnis vom hervorgehoben worden ist, die Verantwortung für den Zustand einer Baulichkeit primär stets deren Eigentümer trifft. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Bereich des öffentlichen Rechtes, sondern beansprucht auch für jenen des Privatrechtes Geltung. Denn der Eigentümer einer Baulichkeit ist es, dem allein die Verfügungsgewalt über sie zukommt, weshalb auch nur er ohne besonderen Privatrechtstitel rechtlich in der Lage ist, bauliche Änderungen - zu welchen sowohl die Instandsetzung als auch die Herstellung des bauordnungsgemäßen Zustandes zählen - an ihr vorzunehmen. Demgegenüber stellen sich Handlungen des Bestandnehmers, die auf die bauliche Abänderung seines Bestandobjektes abzielen und die eigenmächtig, d. h. ohne Zustimmung oder gegen den Willen des Eigentümers gesetzt werden, als rechtswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht des letzteren dar. Der Gerichtshof kann nicht finden, dass der Vorschrift des § 134 Abs. 3 dritter Satz zweiter Halbsatz der Bauordnung für Wien ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen wäre, der Gesetzgeber hätte dem Bestandnehmer eine solche privatrechtlich unzulässige Vorgangsweise zur Pflicht machen wollen. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine Haftung desjenigen, der für die Herbeiführung eines bauordnungswidrigen Zustandes im Sinn einer Kausalität verantwortlich ist, für die Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes der Baulichkeit zwar allenfalls gegenüber deren Eigentümer, nicht aber gegenüber der Baubehörde besteht. Schon die Prämisse, an die die Beschwerdeführerin ihre Schlussfolgerung knüpft, die belangte Behörde habe ihr die Parteistellung rechtsirrigerweise verweigert, kann der Gerichtshof daher nicht für richtig erkennen. Auch diese Schlussfolgerung selbst entbehrt daher der rechtlichen Grundlage.
Einen Rechtsnachteil kann die Beschwerdeführerin schließlich durch den angefochtenen Bescheid auch nicht etwa insofern erleiden, als sie mit Rücksicht auf dessen Rechtsbestand daran gehindert wäre, die nachträgliche Bewilligung für die in Rede stehenden baulichen Veränderungen zu erwirken. Kann sie doch einen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Hauseigentümer auf Zustimmung hiezu auf dem ordentlichen Rechtswege geltend machen und auf diese Weise die Voraussetzung für die rechtliche Sanierung der vom Bauauftrag erfassten Räume schaffen. Da sich sohin die Beschwerdeführerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das mit dem Magistratsbescheid vom abgeschlossen worden ist, in keinerlei rechtlicher Stellung gegenüber dieser Behörde befunden hatte, ist auch die Zurückweisung ihrer dagegen gerichteten Berufung nicht rechtswidrig. Bei dieser Rechtslage kann die in der Beschwerde gleichfalls angeschnittene Frage auf sich beruhen, ob diese Berufung rechtzeitig oder aber verspätet erhoben worden war.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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Normen | BauO Wr §129 Abs1; BauO Wr §129 Abs2; BauO Wr §134 Abs3; BauO Wr §134 Abs5; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1965:1964000024.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-52151