VwGH 13.04.2011, AW 2011/10/0006
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | AMG 1983 §78; VwGG §30 Abs2; |
RS 1 | Stattgebung (als sich der angefochtene Bescheid auf andere Produkte als die gemäß Punkt 1. beschlagnahmten Arzneispezialitäten "X" und "Y" bezieht) - Nichtstattgebung (soweit sich der angefochtene Bescheid auf diese beiden Arzneispezialitäten bezieht) - Verfügungen gemäß § 78 Arzneimittelgesetz - Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Bf, der ein Geschäftslokal für "Produkte aus der Ethnobotanik" betreibt, gemäß § 78 Arzneimittelgesetz Folgendes angeordnet: 1. die vorläufige Beschlagnahme der Arzneispezialitäten "X 2g" (231 Stück) und "Y 3g" (23 Stück); 2. die unverzügliche Einstellung jeglicher weiteren Aktivität zum Inverkehrbringen, Import und Verbringen von Räuchermischungen/Produkten, welche cannabinomimetisch wirksame Stoffe enthalten. Nach den nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Ausführungen der Behörde ist mit der Anwendung der Produkte "X" und "Y" aus den (in Beschluss näher) wiedergegebenen Gründen Gesundheits- und Lebensgefahr für die Anwender verbunden. Schon deshalb stehen insoweit der Zuerkennung von aufschiebender Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen. Hinzugefügt sei, dass der Bf mit dem Vorbringen, das Inverkehrbringen des Wirkstoffes JWH-122 sei nunmehr ohnehin verboten, selbst zugesteht, insoweit keinen "unverhältnismäßigen Nachteil" iSv § 30 Abs. 2 VwGG zu erleiden. Inwiefern öffentliche Interessen auch das Verbot der Inverkehrbringung anderer "Räuchermischungen/Produkte" mit cannabinomimetisch wirksamen Stoffen erfordere, wird weder im angefochtenen Bescheid noch in der Stellungnahme der Behörde zum gegenständlichen Antrag konkret dargetan. Insofern gelingt es dem Bf daher mit dem plausiblen Hinweis auf seine Geschäftsinteressen (zu erwartender Kundenverlust) einen unverhältnismäßigen Nachteil darzutun. Nur in diesem Umfang konnte dem Antrag daher stattgegeben werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des A, vertreten durch Mag. M, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid der belangten Behörde Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen vom , Zl. 670007-10-11-INS, betreffend Verfügungen gemäß § 78 Arzneimittelgesetz, erhobenen und zur hg. Zl. 2011/10/0027 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag insoweit stattgegeben, als sich der angefochtene Bescheid in seinen Spruchpunkten 2. und 3. auf andere Produkte als die gemäß Punkt 1. beschlagnahmten Arzneispezialitäten "X" und "Y" bezieht.
Im Übrigen - soweit sich der angefochtene Bescheid auf diese beiden Arzneispezialitäten bezieht - wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer, der in Wien ein Geschäftslokal für "Produkte aus der Ethnobotanik" betreibt, gemäß § 78 Arzneimittelgesetz Folgendes angeordnet:
1. die vorläufige Beschlagnahme der Arzneispezialitäten
"X 2g" (231 Stück) und "Y 3g" (23 Stück);
2. die unverzügliche Einstellung jeglicher weiteren Aktivität zum Inverkehrbringen, Import und Verbringen von Räuchermischungen/Produkten, welche cannabinomimetisch wirksame Stoffe enthalten, ;
3. binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides
a) die Namen und Adressen von mit "diesbezüglichen Räuchermischungen/Produkten" belieferten Firmen (Wiederverkäufer) bekanntzugeben sowie die Lieferbelege der jeweils letzten Lieferung der gegenständlichen Produkte der belangten Behörde zu übermitteln;
b) Namen und Adressen der Lieferanten sowie der Lieferbelege der jeweils letzten Lieferung der gegenständlichen Produkte der belangten Behörde zu übermitteln.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die gegenständlichen Produkte unter die Definition einer Arzneispezialität zu subsumieren seien und sich entgegen den arzneimittelrechtlichen Vorschriften in Verkehr befänden. Mit der Anwendung der Produkte sei eine Gesundheits- bzw. Lebensgefährdung der Anwender verbunden. weil
o der begründete Verdacht bestehe, dass die Arzneimittel in ihrer Qualität dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht entsprächen,
o es nicht als gesichert erscheine, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen auftreten könnten,
o die Wirkung und/oder Nebenwirkungen der in den Produkten enthaltenen Stoffe unbedingt noch genauer erforscht werden müssten und daher die Anwendung unter ärztlicher Überwachung zu erfolgen hätte,
o keine adäquate Gebrauchsinformation beiliege.
Seinen Antrag, der dagegen gerichteten Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründet der Beschwerdeführer damit, dass die auch nur vorübergehende Einstellung jeglicher weiterer Aktivität zum Inverkehrbringen von Räuchermischungen/Produkten, welche cannabinomimetisch wirksame Stoffe enthielten, für seine Geschäftstätigkeit wegen des zu befürchteten Kundenverlustes einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen würde. Da das Verbot keine Mindestkonzentration enthalte, wäre es für ihn auch erforderlich, jedes Produkt in aufwendiger Weise auf seine Inhaltsstoffe prüfen zu lassen. Überdies sei der in den beschlagnahmten Produkten enthaltenen Wirkstoff JWH-122 nunmehr ohnehin verboten und damit die Gefahr, die der angefochtene Bescheid abwenden solle, ohnehin nicht mehr gegeben.
In ihrer Stellungnahme zum gegenständlichen Antrag führt die belangte Behörde aus, dass beim Produkt "Y" der Wirkstoff JWH-019, bei "X" der Wirkstoff JWH-122 enthalten sei. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sei JWH-019 in der Verordnung betreffend das Inverkehrbringen von Räuchermischungen mit cannabinomimetisch wirksamen Stoffen gelistet gewesen. JWH-122 sei zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die belangte Behörde bescheidmäßig als Arzneispezialität eingestuft worden und sei nachträglich in die genannte Verordnung aufgenommen worden. Nach dieser Verordnung sei das Inverkehrbringen von Räuchermischungen, die diese Stoffe enthielten, verboten. Das gegenständliche Verfahren sei eingeleitet worden, weil ein 14-jähriger Patient nach dem Konsum von synthetischen Cannabinoiden wegen schwerer Atemdepression ins Spital habe eingeliefert werden müssen, wobei absolute Lebensgefahr bestanden habe. Es bestehe der Verdacht, dass dieser Patient das Produkt "X" zu sich genommen habe. Daraus (und aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid) ergebe sich, dass "die streitgegenständlichen Produkte" die Gesundheit und in schweren Fällen auch das Leben von Menschen gefährden könnten.
Nach den nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Ausführungen der belangten Behörde ist mit der Anwendung der Produkte "X" und "Y" aus den oben wiedergegebenen Gründen Gesundheits- und Lebensgefahr für die Anwender verbunden. Schon deshalb stehen insoweit der Zuerkennung von aufschiebender Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen. Hinzugefügt sei, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, das Inverkehrbringen des Wirkstoffes JWH-122 sei nunmehr ohnehin verboten, selbst zugesteht, insoweit keinen "unverhältnismäßigen Nachteil" im Sinn von § 30 Abs. 2 VwGG zu erleiden.
Inwiefern öffentliche Interessen auch das Verbot der Inverkehrbringung anderer "Räuchermischungen/Produkte" mit cannabinomimetisch wirksamen Stoffen erfordere, wird weder im angefochtenen Bescheid noch in der Stellungnahme der belangten Behörde zum gegenständlichen Antrag konkret dargetan. Insofern gelingt es dem Beschwerdeführer daher mit dem plausiblen Hinweis auf seine Geschäftsinteressen (zu erwartender Kundenverlust) einen unverhältnismäßigen Nachteil darzutun.
Nur in diesem Umfang konnte dem Antrag daher stattgegeben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AMG 1983 §78; VwGG §30 Abs2; |
Schlagworte | Zwingende öffentliche Interessen Unverhältnismäßiger Nachteil |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:AW2011100006.A00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-52019