VwGH 09.05.2011, AW 2011/07/0017
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2 idF 2010/007; VwGG §30 Abs2; |
RS 1 | Nichtstattgebung - Feststellung des Gemeindegutes - Die im Beschwerdefall getroffene Feststellung ist einem Vollzug zugänglich. Durch den angefochtenen Bescheid wird die Eigenschaft der betroffenen Liegenschaften als Gemeindegut rechtsverbindlich aufgezeigt. Damit sind diese Liegenschaften als Gemeindegut in den öffentlichen Büchern zu bezeichnen, wodurch die bescheidmäßige Feststellung mit allen vorgesehenen rechtlichen Konsequenzen in die Wirklichkeit umgesetzt wird (in diesem Sinne zur Feststellung einer Liegenschaft als agrargemeinschaftlich bereits der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , AW 85/07/0061). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie AW 2009/07/0035 B RS 1 |
Normen | FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2 idF 2010/007; FlVfLG Tir 1996 §36 Abs2 idF 2010/007; VStG §9 Abs7; VwGG §30 Abs2; |
RS 2 | Nichtstattgebung - Feststellung von Gemeindegut - Eine der Folgen des Vollzugs des angefochtenen Bescheides gemäß § 33 Abs 2 lit c Z 2 Tir FlVfLG 1996 ist - nach § 36 Abs 2 legcit - das Recht der Gemeinde zur Entnahme der Erträgnisse des Rechnungskreises II. Mangels näherer Angaben über die Größenordnung der beiden Rechnungskreise und der für die Erfüllung der Aufgaben der Agrargemeinschaft notwendigen finanziellen Mittel kann aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, es liege im Vollzug des angefochtenen Bescheides und in der dargestellten Entnahmemöglichkeit für die Gemeinde ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Antragstellerin. Im hier vorliegenden Fall wurde gegenüber dem Obmann der antragstellenden Agrargemeinschaft ein Straferkenntnis erlassen, weil er bestimmten Verpflichtungen nicht entsprochen hatte, die ihn als Obmann einer Gemeindegutsagrargemeinschaft getroffen hatten. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Obmann einer Agrargemeinschaft auch die Interessensphäre der Agrargemeinschaft selbst berührt und daher durch ein solches Verfahren gegebenenfalls auch vermögensrechtliche Nachteile für die Agrargemeinschaft eintreten könnten. Es kann hier aber dahin stehen, ob die Verwaltungsstrafbehörden bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit des einem Organ der Agrargemeinschaft vorgeworfenen Verhaltens an die rechtskräftige Feststellung über das Vorliegen einer Gemeindegutsagrargemeinschaft gebunden sind oder nicht. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre in Bezug auf das Verwaltungsstrafverfahren die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Bedeutung. Sollte die Verwaltungsstrafbehörde aber an die bescheidmäßige Feststellung gebunden sein und diese Bindung im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert werden können, so ist dennoch nicht erkennbar, dass ein unverhältnismäßiger Nachteil für die antragstellende Agrargemeinschaft vorläge, wenn dem Aufschiebungsantrag nicht stattgegeben würde. Über den Obmann der Agrargemeinschaft wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,00 verhängt. Mangels näherer Angaben über die Vermögenssituation der Agrargemeinschaft kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle der schlagend werdenden Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG in der Haftung für diese Summe ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Agrargemeinschaft läge. Dem Antrag der Agrargemeinschaft war daher mangels Erkennbarkeit eines mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides einhergehenden unverhältnismäßigen Nachteils nicht stattzugeben. Es ist aber nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die mitbeteiligte Gemeinde das Risiko trägt, im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eines gegenteiligen Verfahrensergebnisses zwischenzeitig entnommene Erträge aus dem Rechnungskreis II wieder zurück erstatten zu müssen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Agrargemeinschaft L, vertreten durch Univ.Doz. Dr. B, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LAS - 1055/7-10, betreffend Feststellung von Gemeindegut (mitbeteiligte Partei: Politische Gemeinde L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt), erhobenen und zur hg. Zl. 2011/07/0110 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde im Instanzenzug fest, dass bestimmte Grundstücke im Eigentum der antragstellenden Agrargemeinschaft Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 7/2010 (TFLG 1996), seien.
Ihren Antrag, der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründete die Agrargemeinschaft nach allgemeinen Ausführungen damit, dass die gewählten Vertreter der Agrargemeinschaft im Ausschuss und der Obmann mittels Strafbescheiden faktisch dazu gezwungen werden sollten, die Substanz aus dem Regulierungsgebiet der jeweiligen Ortsgemeinde zu überlassen. Als Eskalationsmaßnahme würden Sachwalter mit den Befugnissen des Ausschusses und des Obmannes bestellt. Die gesetzliche Strafbefugnis gemäß dem TFLG 1996 werde dazu eingesetzt, die Obleute anzuhalten, Substanzeinnahmen im neu geschaffenen Rechnungskreis II auszuweisen. Lägen die Jahresabschlüsse 2010 vor, sei bei Aufrechterhaltung dieser Vorgehensweise damit zu rechnen, dass im Wege von Strafbescheiden Auszahlungen erzwungen würden. Der Rechtsstaat in Tirol scheine außer Kraft zu sein. Strafbescheide seien sogar deshalb verhängt worden, weil es Organmitglieder (anderer Agrargemeinschaften) gewagt hätten, einen Rechnungskreis II auszuweisen und die klarstellende Bemerkung "mit Vorbehalt, ohne Präjudiz" anzufügen. Den vorläufigen Höhepunkt stelle die Bestellung von Sachwaltern dar, welche eingesetzt würden, um die Agrargemeinschaft "auszuplündern." Ein Bescheid, wonach bei einer Agrargemeinschaft Gemeindegut gemäß § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 festgestellt werde, habe die Wirkung eines Eigentumseingriffs. Unter anderem sei daran das Recht der Ortsgemeinde geknüpft, aus dem sogenannten Rechnungskreis II die eingebuchten Beträge jederzeit zu entnehmen. Dieses gesetzlich verankerte Recht in Verbindung mit dessen zwangsweiser Durchsetzung im Wege von Strafbescheiden gegen Obmann und Kassier mache es erforderlich, auch einen Feststellungsbescheid so zu behandeln, als würde daraus der Ortsgemeinde L unmittelbar ein Recht eingeräumt. In Anbetracht des bereits vorliegenden Strafbescheides gegen den Obmann der antragstellenden Agrargemeinschaft - unter anderem wegen Nichtvorlage des von der "substanzberechtigen Gemeinde" unterfertigten Jahresabschlusses 2009 - sei die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung geboten. Mit Rundschreiben vom Dezember 2010 habe die Agrarbehörde alle angeblichen Gemeindegutsagrargemeinschaften aufgefordert, den Rechnungskreis II abzuschließen, die Jahresabschlüsse 2010 bis spätestens bei der Behörde abzugeben und in der Folge den Überling im Rechnungskreis II an die jeweilige Ortsgemeinde auszubezahlen. Es sei zu kalkulieren, dass die Agrarbehörde ab April 2011 exzessiv mit Strafbescheiden vorgehen werde, um die Auszahlung an die Ortsgemeinde zu erzwingen. Eine Serie von neuen Verfahren würde dadurch - im Ergebnis völlig sinnlos - vom Zaun gebrochen.
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde der politischen Behörde signalisieren, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom ernst zu nehmen sei und dass im TFLG der Begriff Gemeindegut bis zur Novelle 1984 im Sinn von Eigentum der Agrargemeinschaft gebraucht worden sei. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde der politischen Behörde signalisieren, dass die historischen Beamten in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle den Begriff "Gemeindegut" im Sinn von Eigentum der Agrargemeinschaft gebraucht hätten, dass man jedoch dann, wenn es der lokalen politischen Führung in den Kram gepasst hätte, diesen Begriff im Sinne von Eigentum der Ortsgemeinde verwendet und der jeweiligen Ortsgemeinde das Eigentum am Regulierungsgebiet auf Grund Parteienübereinkommens zugeschanzt habe. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde der politischen Behörde signalisieren, dass die belangte Behörde ehemals auch den Begriff Gemeindegut im Sinn von Eigentum der Agrargemeinschaft gebraucht habe. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde der politischen Behörde schließlich signalisieren, dass es nicht angehe, dass die Tiroler Landesregierung selbst es gewesen sei, welche Anfang der 80er Jahre nach Wien berichtet habe, dass der Begriff "Gemeindegut" in Tirol als "Eigentum der Agrargemeinschaft" verstanden würde und dass heute diese historischen Fakten ausgenutzt würden, um eine politische Hetzjagd auf das Vermögen der Agrargemeinschaften zu veranstalten. Das Chaos, welches die Tiroler Landesregierung und ihre politische Behörde "SOKO Agrargemeinschaft" durch den Missbrauch der aus heutiger Sicht irreführenden historischen Verwendung des Begriffes Gemeindegut ausgelöst habe, habe die Tiroler Landesregierung auszubaden; diese und ihre politische Behörde "SOKO Agrargemeinschaften" verdienten keine Schonung. Hingegen verdienten die Agrargemeinschaften eine Atempause! Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde der politischen Behörde schließlich auch signalisieren, dass die konstitutiven Eigentumsentscheidungen der Agrarbehörden beachtlich seien und dass man diese unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt zu interpretieren habe, so wie der Verfassungsgerichtshof dies im Erkenntnis vom vorgegeben habe. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei deshalb im öffentlichen Interesse, weil eine Flut sinnloser Verfahren vermieden werden könnte.
In den diesem Antrag beiliegenden Unterlagen findet sich auch ein Straferkenntnis der AB vom , mit dem über den Obmann der antragstellenden Agrargemeinschaft eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt wurde. Dem Obmann war vorgeworfen worden, er habe seiner Pflicht zur Vorlage des von der substanzberechtigten Gemeinde unterfertigten Jahresabschlusses 2009 und des Voranschlages 2010, der Erstellung des Jahresvoranschlages auf dem von der AB vorgeschriebenen Formblatt (Rechnungskreis I und II) und der Abgabe einer erklärenden Stellungnahme zu einzelnen Kontonummern nicht entsprochen und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 85 Abs. 1 lit. d TFLG 1996 begangen.
Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete zum Aufschiebungsantrag eine Stellungnahme vom , in der sie darauf hinwies, der Antrag der Agrargemeinschaft sei schon deshalb verfehlt , weil sich die Rechte und Pflichten der Agrargemeinschaft nicht aus dem angefochtenen Bescheid sondern aus dem Gesetz ergeben. Strafbescheide könnten daher auch dann erlassen werden, wenn dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben werde. Die Agrargemeinschaft solle in ihrem eigenen Interesse auf die Möglichkeit Bedacht nehmen, dass es sich um eine Gemeindegutsagrargemeinschaft handeln könne. Nach § 35 Abs. 7 TFLG 1996 bedürften alle auf den Substanzwert bezogenen Organbeschlüsse der Zustimmung der Gemeinde; bei Dispositionen der Agrargemeinschaft ohne diese Zustimmung überschreite die Agrargemeinschaft ihre interne Ermächtigung und habe für den daraus resultierenden Schaden zu haften.
Nach Darstellung der nach Ansicht der mitbeteiligten Gemeinde möglichen wesentlichen Auswirkungen des Feststellungsbescheides (Gemeinde kann die aus dem Rechnungskreis II erfließenden Erträge jederzeit entnehmen, Gemeinde ist zur Auftragserteilung an die Agrargemeinschaft ermächtigt, Gemeinde kann von der Agrargemeinschaft die Übertragung von Grundstücken in ihre Eigentum für öffentliche Zwecke verlangen), meinte die Gemeinde weiter, die beiden letztgenannten Auswirkungen müssten nicht diskutiert werden, weil sie von diesen Berechtigungen derzeit keinen Gebrauch mache und keine Aufträge dieser Art erteilt habe. Die einzig reale Auswirkung des angefochtenen Bescheides liege darin, dass es der Gemeinde leichter möglich sein werde, ihr schon jetzt bestehendes Recht auf jederzeitige Entnahme der aus dem Rechnungskreis II erfließenden Erträge leichter durchzusetzen. Dies sei jedoch kein unverhältnismäßiger Nachteil der Agrargemeinschaft. Diese könne kein schützenswertes Interesse daran haben, dass ihre "Anteilseigner" Erträge oder Vermögen nicht entnehmen. Schließlich könnten die Mitglieder der Agrargemeinschaft - wenn sie sich einig wären - sogar das gesamte Vermögen der Agrargemeinschaft entnehmen und diese zum Erlöschen bringen. Schließlich sei auch zu bedenken, dass für den Fall, dass die Gemeinde zu Unrecht von der ihr zukommenden Berechtigung Gebrauch gemacht habe, weil die antragstellende Agrargemeinschaft doch keine Gemeindegutsagrargemeinschaft sei, der Rückzahlungsanspruch gegenüber der Gemeinde bestehe und dieser nicht gefährdet sei, da Gebietskörperschaften erfahrungsgemäß ihren Zahlungsverpflichtungen nachkämen. Somit wäre nur der Nachteil, der der Agrargemeinschaft entstünde, wenn sie das Geld nicht entnehmen könnte mit dem Nachteil abzuwägen, der entstünde, wenn die Gemeinde das Geld nicht entnehmen könnte. Beide Nachteile hielten sich in etwa die Waage, sodass auch deshalb nicht von einem unverhältnismäßigen Nachteil der Agrargemeinschaft die Rede sein könne. Soweit die Agrargemeinschaft ihren Antrag schließlich mit möglichen Strafbescheiden begründe, übersehe sie, dass diese durch gesetzes- und bescheidmäßiges Verhalten vermieden werden könnten, weshalb dieser Aspekt keine Rolle spiele. Es werde daher der Antrag gestellt, dem Aufschiebungsantrag keine Folge zu geben.
Die belangte Behörde gab zum Aufschiebungsantrag keine Stellungnahme ab.
1. Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu.
Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2. Das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung ist ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element; die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgeschaltet werden (vgl. dazu den Beschluss eines verstärkten Senates vom , 80/03/0260, VwSlg 10.381/A).
Eine Entscheidung über die Zuerkennung oder Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde beinhaltet aber keine Aussage über den Ausgang des Verfahrens. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren nämlich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen. Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben daher bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben (vgl. unter vielen den Beschluss vom , AW 2008/05/0006). Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 122).
Diese Umstände verkennt die antragstellende Agrargemeinschaft, wenn sie meint, mit der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wären Signale an die Tiroler Behörden verbunden, die im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides stehen. Mit der Entscheidung über den vorliegenden Aufschiebungsantrag sind keine wie immer gearteten Signale an die Agrarbehörden verbunden. Mit dieser Entscheidung wird (lediglich) im Rahmen des vorliegenden Provisorialverfahrens entschieden, ob nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist, der gegebenenfalls für die Dauer des Verfahrens aufzuschieben wäre.
3. Der in Beschwerde gezogene Bescheid der belangten Behörde ist ein Feststellungsbescheid, mit dem die belangte Behörde im Instanzenzug die Feststellung getroffen hat, dass bestimmte agrargemeinschaftliche Grundstücke der antragstellenden Agrargemeinschaft Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 darstellen. Als Folge dieses rechtskräftigen Bescheides steht verbindlich fest, dass die antragstellende Agrargemeinschaft
in Bezug auf die im Spruch näher genannten Grundstücke - eine Agrargemeinschaft nach § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 ist. Solche Agrargemeinschaften unterliegen seit der TFLG-Novelle 2010 bestimmten besonderen Verpflichtungen.
Diese im Beschwerdefall getroffene Feststellung ist einem Vollzug zugänglich. Die mitbeteiligte Gemeinde verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass die Anwendung der Bestimmungen des TFLG 1996 in der Fassung der TFLG-Novelle 2010 über die "Gemeindegutsagrargemeinschaft" die bescheidförmige Feststellung des Vorliegens atypischen Gemeindegutes nicht voraussetze. Die Anwendbarkeit der Regelungen über diese Art der Agrargemeinschaften hänge allein vom Vorliegen der im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen ab.
Dieser Überlegung ist zwar zuzustimmen; sie spricht jedoch nicht gegen die Vollzugstauglichkeit des in Beschwerde gezogenen Feststellungsbescheides. Mit diesem wird nämlich in einer jedenfalls die Agrarbehörden bindenden Art und Weise festgestellt, dass die antragstellende Agrargemeinschaft eine solche nach § 33 Abs. 2 lit. c Z 2TFLG 1996 ist. Besteht ein solcher rechtskräftiger Feststellungsbescheid müssen die Agrarbehörden (und andere Verwaltungsbehörden) vom Inhalt dieser Feststellung ausgehen, selbst dann, wenn dieser Ausspruch rechtswidrig wäre. Werden die Wirkungen dieser Feststellung aber -durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - sistiert, so müssen diese Behörden die Frage, ob es sich im konkreten Fall um eine Gemeindegutsagrargemeinschaft handelt oder nicht, im Rahmen einer Vorfragenprüfung aus Eigenem beurteilen, und könnten dabei auch zu anderen Ergebnissen kommen, ohne dass einer solchen Beurteilung die Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides entgegen stünde. Der angefochtene Bescheid ist daher jedenfalls einem Vollzug zugänglich (vgl. in diesem Sinn auch bereits die hg. Beschlüsse vom , AW 85/07/0061, und vom , AW 2009/07/0035).
Das TFLG 1996 hat in seiner Novelle LGBl. Nr. 7/2010 für solche Gemeindegutsagrargemeinschaften besondere Regelungen aufgestellt, deren Anwendbarkeit bei rechtskräftiger Feststellung von Gemeindegut im jeweiligen Verfahren nicht mehr hinterfragt werden kann. So sind die von der Feststellung umfassten Liegenschaften als Gemeindegut in den öffentlichen Büchern zu bezeichnen (§ 38 Abs. 2 TFLG 1996). Nach § 33 Abs. 5 TFLG 1996 steht der Substanzwert an solchen agrargemeinschaftlichen Grundstücken der Gemeinde zu. Solche Agrargemeinschaften haben getrennte Rechnungskreise zu führen und nach § 36 Abs. 2 TFLG 1996 kann die Gemeinde die aus dem Rechnungskreis II erfließenden Erträge (Einnahmen und Ausgaben aus dem Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke) jederzeit entnehmen. In Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke betreffen, kann ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden; in diesen Angelegenheiten kann die Gemeinde den Organen der Agrargemeinschaft Aufträge erteilen (§ 35 Abs. 7 TFLG 1996). Die Agrargemeinschaft ist schließlich verpflichtet, jene Grundstücke, die für die Errichtung von infrastrukturellen Vorhaben oder Anlagen benötigt werden, an deren Errichtung ein öffentliches Interesse besteht, der Gemeinde gegen Entschädigung ins Eigentum zu übertragen (§ 40 Abs. 3 TFLG 1996).
Mit der rechtskräftigen Qualifikation als Gemeindegutsagrargemeinschaft werden daher nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen Verpflichtungen für solche Agrargemeinschaften unmittelbar auf Grund des Gesetzes schlagend. Die von der antragstellenden Agrargemeinschaft genannten weiteren Folgen möglicher Bestrafung ihrer Organe bzw. möglicher Sachverwalterbestellungen stellen weitere, mittelbare Folgen der bescheidmäßigen Feststellung dar.
Entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Gemeinde wird durch die Entnahme von Vermögenswerten durch "Anteilseigner" die Interessensphäre, die in einer Erfüllung ihrer Aufgaben liegt, und damit die Rechtsstellung der Agrargemeinschaft berührt. Die Agrargemeinschaft ist nicht die Summe der Interessen ihrer Mitglieder; ihr kommt eine eigenständige Rechtsposition zu, auch wenn sie über gemeinsamen Wunsch der Mitglieder "beendet" werden kann. Der von der Gemeinde dargestellte Fall einer Einzelteilung hat mit dem hier vorliegenden Fall der möglichen Entnahme von Erträgnissen durch ein einzelnes Mitglied der Agrargemeinschaft nichts zu tun.
4. Dass öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden ist nicht erkennbar. Es war daher in die Interessensabwägung einzusteigen und zu prüfen, ob mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides bzw. der Ausübung der Berechtigung durch einen Dritten für die Agrargemeinschaft ein unverhältnismäßiger Nachteil gegeben wäre.
Hier kommt es auf das Vorbringen im Einzelfall an.
Der Antragsteller hat in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl. dazu den bereits zitierten Beschluss vom , VwSlg 10.381/A). An diese Konkretisierungspflicht stellt der Verwaltungsgerichtshof strenge Anforderungen. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt entscheidend von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über den eintretenden Nachteil ab.
Im hier vorliegenden Antrag fehlen solche konkretisierten Angaben. Die mitbeteiligte Gemeinde hat in ihrer Stellungnahme vorgebracht, sie mache von einem Teil der Befugnisse (Auftragserteilung an Agrargemeinschaft, Übertragung von Grundstücken der Agrargemeinschaft an die Gemeinde) derzeit nicht Gebrauch. Den Angaben der antragstellenden Agrargemeinschaft ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
Eine der Folgen des Vollzugs des angefochtenen Bescheides ist
nach dem Gesetzestext - das Recht der Gemeinde zur Entnahme der Erträgnisse des Rechnungskreises II. Mangels näherer Angaben über die Größenordnung der beiden Rechnungskreise und der für die Erfüllung der Aufgaben der Agrargemeinschaft notwendigen finanziellen Mittel kann aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, es liege im Vollzug des angefochtenen Bescheides und in der dargestellten Entnahmemöglichkeit für die Gemeinde ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Antragstellerin.
Im hier vorliegenden Fall wurde gegenüber dem Obmann der antragstellenden Agrargemeinschaft ein Straferkenntnis erlassen, weil er - nach den Feststellungen des Strafbescheides erster Instanz - bestimmten Verpflichtungen nicht entsprochen hatte, die ihn als Obmann einer Gemeindegutsagrargemeinschaft getroffen hatten. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Obmann einer Agrargemeinschaft auch die Interessensphäre der Agrargemeinschaft selbst berührt und daher durch ein solches Verfahren gegebenenfalls auch vermögensrechtliche Nachteile für die Agrargemeinschaft eintreten könnten.
Es kann hier aber dahin stehen, ob die Verwaltungsstrafbehörden bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit des einem Organ der Agrargemeinschaft vorgeworfenen Verhaltens an die rechtskräftige Feststellung über das Vorliegen einer Gemeindegutsagrargemeinschaft gebunden sind oder nicht. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre in Bezug auf das Verwaltungsstrafverfahren die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne Bedeutung.
Sollte die Verwaltungsstrafbehörde aber an die bescheidmäßige Feststellung gebunden sein und diese Bindung im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert werden können, so ist dennoch nicht erkennbar, dass ein unverhältnismäßiger Nachteil für die antragstellende Agrargemeinschaft vorläge, wenn dem Aufschiebungsantrag nicht stattgegeben würde.
Über den Obmann der Agrargemeinschaft wurde im Strafbescheid erster Instanz eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,00 verhängt. Mangels näherer Angaben über die Vermögenssituation der Agrargemeinschaft kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle der schlagend werdenden Haftung nach § 9 Abs. 7 VStG in der Haftung für diese Summe ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Agrargemeinschaft läge.
Weitere konkrete Nachteile der Agrargemeinschaft wurden nicht vorgebracht. Dem Antrag der Agrargemeinschaft war daher mangels Erkennbarkeit eines mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides einhergehenden unverhältnismäßigen Nachteils nicht stattzugeben.
Es ist aber nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die mitbeteiligte Gemeinde das Risiko trägt, im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eines gegenteiligen Verfahrensergebnisses zwischenzeitig entnommene Erträge aus dem Rechnungskreis II wieder zurück erstatten zu müssen.
Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher kein Erfolg beschieden.
Wien, am
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Normen | FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2 idF 2010/007; FlVfLG Tir 1996 §36 Abs2 idF 2010/007; VStG §9 Abs7; VwGG §30 Abs2; |
Schlagworte | Vollzug Unverhältnismäßiger Nachteil Besondere Rechtsgebiete Bodenreform Forstwesen Grundverkehr |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:AW2011070017.A00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-52014