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VwGH 11.03.2011, AW 2011/07/0005

VwGH 11.03.2011, AW 2011/07/0005

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
EmissionszertifikateG 2004 §22;
EmissionszertifikateG 2004 §28;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
RS 1
Nichtstattgebung - Festsetzung der Emissionen gemäß § 9 Abs. 5 Emissionszertifikategesetz - Für die Antragstellerin ist in § 63 Abs. 1 VwGG ein Rechtsanspruch darauf begründet, dass die Verwaltungsbehörden in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herstellen (vgl. B , AW 87/05/00029). Dabei kommt auch ein geldwertes Äquivalent in Betracht. Letztlich kann der Nachteil nur in einem Zinsenverlust bestehen, dessen Unverhältnismäßigkeit von der Antragstellerin aber nicht dargetan wurde. Eine Liquiditätsbelastung stellt für sich allein noch keinen unverhältnismäßigen Nachteil iSd § 30 Abs. 2 VwGG dar (vgl. B , AW 90/15/0004; B , AW 2004/05/0033). Dabei sind alleine die unmittelbaren Folgen des Vollzuges des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen (vgl. B , AW 2007/07/0059). Insofern sind in die Berechnung des drohenden Nachteils nur die Zertifikate für das Jahr 2008 aufzunehmen. Dass für einen anderen Zeitraum ein Bescheid in einem anderen Verfahren auf dieselbe Rechtsansicht gestützt werden könnte, ist kein aus dem Vollzug resultierender Nachteil. Schließlich wäre die Behörde auch im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht gehindert, für das Jahr 2009 eine inhaltsgleiche Entscheidung zu treffen. Im Übrigen ist ein unverhältnismäßiger Nachteil nicht schon durch die absolute Höhe eines im Fall der sofortigen Vollstreckung fälligen bzw. erforderlichen Geldbetrages dargetan. Vielmehr muss sich die Unverhältnismäßigkeit im Verhältnis zur Einkommens- und Vermögenslage der Antragstellerin widerspiegeln. Eine solche Unverhältnismäßigkeit ist - wie sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unternehmenskenndaten ergibt - jedoch nicht gegeben.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Z Gesellschaft m.b.H., vertreten durch N Rechtsanwälte GmbH, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-UW.1.3.2/0234-V/4/2010, betreffend Festsetzung der Emissionen gemäß § 9 Abs. 5 EZG, erhobenen und zur hg. Zl. 2011/07/0011 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurden die Emissionen für die von der Antragstellerin betriebene Anlage für das Jahr 2008 festgelegt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt und dies damit begründet, dass keine öffentlichen Interessen einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden bzw. wären solche nicht zwingend. Die Bilanzierung der Emissionen für 2008 sowie die Treibhausgasinventur 2010 wären bereits abgeschlossen. Bei der Abgabe von Emissionszertifikaten handle es sich um einen reinen Formalakt, der keine Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß habe. Es sei bereits das Vorliegen eines öffentlichen Interesses zu verneinen. Selbst wenn der "geordnete Vollzug des Emissionshandelssystems" als öffentliches Interesse anzusehen wäre, wäre das Handelssystem durch Vollzug und Nichtvollzug des angefochtenen Bescheides gleichermaßen nicht beeinträchtigt. Das Emissionshandelssystem sei ein wirtschaftliches Anreizsystem, das ungeachtet des Vollzugs des angefochtenen Bescheides funktioniere. Auch das öffentliche Interesse an einem fairen Wettbewerb stünde der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen, da sowohl der sofortige Vollzug als auch die aufschiebende Wirkung "vom System gedeckt" seien und sich der Vorteil der Antragstellerin darauf beschränken würde, dass sie einen Zinsvorteil aus der aufgeschobenen Abgabe von Zertifikaten generieren würde. Dieser würde jedoch keine Größenordnung erreichen, der eine Wettbewerbsverzerrung darstellen könnte. Es bestünde "nicht einmal irgendein öffentliches Interesse an der Vollstreckung des angefochtenen Bescheides", sodass von zwingenden Interessen gar nicht die Rede sein könnte.

Der Vollzug des angefochtenen Bescheides hätte zur Folge, dass die Antragstellerin Emissionszertifikate abgeben müsste. Dies wäre nur durch Zukauf von Zertifikaten möglich und dies sei mit einer ausnehmend hohen Kostenbelastung verbunden. Selbst wenn die Antragstellerin über ausreichend Zertifikate verfügen würde, so wäre ihr eine anderweitige Verwendung oder ein Handel (Verkauf) im Fall der Abgabe nicht möglich. Der drohende Nachteil belaufe sich auf rund EUR 1,1 Mio. (ausgehend von 75.000 Zertifikaten zum Preis von EUR 15,-). Diese Summe würde jährlich anfallen und sich auch auf die Folgejahre für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstrecken.

Darüber hinaus würde bei Nicht-Abgabe von Zertifikaten eine Sanktionszahlung gemäß § 28 EZG drohen, wobei sich die Belastung diesfalls auf EUR 13,5 Mio. beliefe. Zudem drohe ein unwiederbringlicher Nachteil, weil abgegebene Zertifikate gelöscht würden. Die Zertifikate würden vernichtet und seien demzufolge nicht mehr existent, da sie gemäß § 22 EZG den Rechtscharakter einer Ware hätten und wie eine Sache im sachenrechtlichen Sinn zu behandeln wären. Im Fall des Obsiegens könnten die Folgen des vollzogenen Bescheides sohin nicht rückgängig gemacht werden, da die Zertifikate dann nicht mehr existieren würden.

Die belangte Behörde erstattete eine Stellungnahme zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und brachte im Wesentlichen vor, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mehrere, jeweils zwingende Interessen entgegenstünden. Die Antragstellerin würde Zertifikate in unzureichender Zahl abgegeben, was sich unmittelbar negativ auf die Kyoto-Emissionsbilanz der Republik Österreich auswirke. Würde nicht eine Abgabe der Zertifikate bis spätestens 2012 erfolgen, müssten zusätzliche Maßnahmen (gemeint wohl: zur Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen), die durch private oder öffentliche Mittel finanziert werden müssten, gesetzt werden oder zusätzliche Zertifikate aus Budgetmitteln zugekauft werden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde auch im Fall des Obsiegens der belangten Behörde zu signifikant höheren Kosten führen. Bereits durch die bisherige Situation wären Wettbewerbsverzerrungen entstanden, welche insbesondere Mitbewerber der Antragstellerin signifikant benachteiligen würden. Mit dem angefochtenen Bescheid sollte das Anreizsystem des Zertifikatehandels wiederhergestellt werden; die aufschiebende Wirkung würde diese Wirkung jedoch weiterhin aussetzen. Die Behauptung, dass der Vollzug des angefochtenen Bescheides keine Auswirkungen auf die Treibhausgasbilanz und den tatsächlichen Ausstoß solcher Gase habe, wäre unrichtig. Das Kyoto-Ziel würde für eine Periode von 2008 bis 2012 berechnet, sodass durch den Vollzug ein positiver Niederschlag in der Abrechnung zu verzeichnen wäre. Eine spätere Kompensation des bereits abgeschlossenen Jahres 2008 wäre nicht möglich. Die Nicht-Rückgabe von Zertifikaten hätte im Übrigen sehr wohl Auswirkungen auf den faktischen Ausstoß von Treibhausgasen. Der behauptete Vermögensnachteil wäre lediglich der Ausgleich für unrechtmäßige Vorteile. Die vorgebrachten Nachteile würden über die Folgen des Vollzugs des angefochtenen Bescheides hinausgehen, weil die Antragstellerin über das Jahr 2008 hinausgehende Verpflichtungen miteinbeziehe und allfällige Sanktionszahlungen nur im Fall des Widersetzens gegen den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohen würden. Der angefochtene Bescheid würde sich zudem nur auf das Jahr 2008 beziehen. Ein unwiederbringlicher Schaden drohe nicht, weil ein Ersatz durch gültige Zertifikate oder deren Marktwertes die Folge des Obsiegens der Antragstellerin wäre. Im Übrigen würde sich aus den dargelegten Unternehmenskennzahlen ergeben, dass der mit EUR 1,1 Mio. bezifferte Nachteil nicht unverhältnismäßig wäre.

Die Antragstellerin nahm dazu mit einer neuerlichen Äußerung Stellung. Es entspreche dem System des Emissionshandels, dass weniger CO2 ausgestoßen werde und somit weniger Zertifikate als zugeteilt zurückgegeben werden. Auswirkungen auf die Emissionsbilanz der Republik Österreich ergäben sich ausschließlich durch die Nichtberücksichtigung der Senke. Gleiches gelte für die Behauptung, dass zusätzliche Maßnahmen durchgeführt oder Zertifikate aus Budgetmitteln angekauft werden müssten. Eine Wettbewerbsverzerrung wäre nur insoweit gegeben, als durch die Nichtanerkennung emissionsmindernder Maßnahmen innovative Unternehmen "bestraft" und von einer Emissionsminderung abgehalten würden. Durch die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde die rechtswidrige Vorgehensweise der belangten Behörde nicht beseitigt werden. Die Rückgabe von Zertifikaten hätte keine Auswirkungen auf tatsächliche Emissionen und das Erreichen von Kyoto-Zielen. Die tatsächlichen Emissionen würden ausschließlich in der Sphäre des Emittenten liegen. Die Antragstellerin habe diese im Ausmaß der Senke reduziert. Bei der Berechnung des Nachteils aus dem Vollzug des angefochtenen Bescheides wären auch Folgejahre zu berücksichtigen, da für diese ein inhaltsgleicher Festsetzungsbescheid drohe. Die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme hinsichtlich rückgängig zu machender Folgen hätten nicht einmal die Qualität einer Absichtserklärung und entbehrten jeglicher gesetzlicher Grundlage. Zudem sei völlig unklar, wann Sanktionszahlungen verhängt werden könnten.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen. Dies bleibt dem ordentlichen Verfahren vorbehalten (vgl. dazu den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2010/07/0037, mwN). Insofern sind die Frage der Anerkennung der CO2 Senke und die Abzugsfähigkeit dieses CO2 im Rahmen der Entscheidung über die aufschiebende Wirkung nicht zu berücksichtigen. Nachdem die rechtliche Beurteilung der Emissionen der Anlage der Antragstellerin dahingestellt bleiben kann, ist auch unbeachtlich, ob hier "im vollen Bewusstsein" entgegen einer Regelung gehandelt wird.

Der Vollzug des Bescheides an sich ist noch kein Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, sofern dadurch nicht der Rechtsschutz der Partei dauernd wesentlich beeinträchtigt wird. Ein bloßer Vermögensnachteil, der im Falle des Obsiegens vor dem Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen wieder ausgeglichen werden kann, muss daher für sich allein genommen noch kein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG sein, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2006/08/0013).

Für die Antragstellerin ist in § 63 Abs. 1 VwGG ein Rechtsanspruch darauf begründet, dass die Verwaltungsbehörden in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herstellen (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 87/05/00029). Dabei kommt auch ein geldwertes Äquivalent in Betracht.

Letztlich kann der Nachteil nur in einem Zinsenverlust bestehen, dessen Unverhältnismäßigkeit von der Antragstellerin aber nicht dargetan wurde. Eine Liquiditätsbelastung stellt für sich allein noch keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG dar (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 90/15/0004, sowie vom , Zl. AW 2004/05/0033).

Dabei sind alleine die unmittelbaren Folgen des Vollzuges des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/07/0059). Insofern sind in die Berechnung des drohenden Nachteils nur die Zertifikate für das Jahr 2008 aufzunehmen. Dass für einen anderen Zeitraum ein Bescheid in einem anderen Verfahren auf dieselbe Rechtsansicht gestützt werden könnte, ist kein aus dem Vollzug resultierender Nachteil. Schließlich wäre die belangte Behörde auch im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht gehindert, für das Jahr 2009 eine inhaltsgleiche Entscheidung zu treffen.

Im Übrigen ist ein unverhältnismäßiger Nachteil nicht schon durch die absolute Höhe eines im Fall der sofortigen Vollstreckung fälligen bzw. erforderlichen Geldbetrages dargetan. Vielmehr muss sich die Unverhältnismäßigkeit im Verhältnis zur Einkommens- und Vermögenslage der Antragstellerin widerspiegeln. Eine solche Unverhältnismäßigkeit ist - wie sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unternehmenskenndaten ergibt - im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EmissionszertifikateG 2004 §22;
EmissionszertifikateG 2004 §28;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Vollzug
Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung
Begründungspflicht
Unverhältnismäßiger Nachteil
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und
Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des
Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:AW2011070005.A00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-52013