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VwGH 08.06.2010, AW 2010/06/0001

VwGH 08.06.2010, AW 2010/06/0001

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
31985L0337 UVP-RL Art10a;
32003L0035 Öffentlichkeitsbeteiligung-RL Umweltangelegenheiten;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs1;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs4;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Nichtstattgebung - Genehmigung eines Bundesstraßenbauvorhabens -

Wenn die innerstaatliche Regelung betreffend die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 30 Abs. 2 VwGG einerseits auf das Nichtvorliegen zwingender öffentlicher Interessen, die der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung entgegen stehen, bzw. auf die Vornahme einer Interessenabwägung zwischen den in Frage kommenden öffentlichen Interessen und der auf Seiten der Bf und Mitbeteiligter gegebenen Interessenlage abstellt, steht dies mit Art. 9 Abs. 4 Aarhus-Konvention nicht im Widerspruch. Es genügt nicht, dass Bf, die sich auf die Vertretung von Umweltinteressen berufen, den behaupteten Nachteil für diese Umweltinteressen nur pauschal behaupten. Im Rahmen des Grundsatzes, dass im Anwendungsbereich der Aarhus-Konvention diesbezügliche Überprüfungsverfahren angemessen vorläufigen Rechtsschutz gewähren müssen, erscheint es zulässig, zu prüfen, ob der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen oder eine Interessenabwägung zu Gunsten der in Frage stehenden öffentlichen Interessen gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung stehenden öffentlichen Interessen spricht. Indem die Unfallrate betreffend lebensgefährliche bzw. schwere Unfälle auf der bestehenden Straße B 7 durch das vorliegende Bauvorhaben um 36 % herabgesetzt wird, stehen der Gewährung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zwingende öffentliche Interessen entgegen (Hinweis B , AW 2005/05/0120). Es steht auch dem vorläufigen Rechtsschutz gemäß der Aarhus-Konvention nicht entgegen, wenn innerstaatlich verlangt wird, dass der von dem Bf befürchtete Nachteil entsprechend zu konkretisieren ist (vgl. B VS , VwSlg. 10381 A/1981; B , AW 2006/04/0001). Diese Konkretisierungspflicht trifft auch Institutionen und Personen, die zur Wahrung von Umweltinteressen berechtigt sind (vgl. B , AW 2009/07/0009). Die Bf haben in ihrem Antrag auch diesem Konkretisierungsgebot nicht entsprochen.

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

RdU 6/2010, 200-204;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. der Bürgerinitiative A, 2. der Gemeinde D, 3. der Z, 4. des Ö und 5. E (die Zweit-, Dritt- und Fünftbeschwerdeführer in der Tschechischen Republik), alle vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , BMVIT-312.505/0007-II/ST-ALG/2009, betreffend die Genehmigung eines Bundesstraßenbauvorhabens u.a. gemäß UVP-G 2000 (mitbeteiligte Partei: Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) in Wien, vertreten durch S Rechtsanwälte GmbH), erhobenen und zur hg. Zl. 2010/06/0002 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Die belangte Behörde erteilte der Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Bescheid die Genehmigung für das Bundesstraßenbauvorhaben A 5 Nord-Autobahn, Abschnitt Schrick-Poysbrunn nach dem UVP-G 2000, dem Forstgesetz 1975 und bestimmte den Straßenverlauf gemäß BundesstraßenG 1971 unter Vorschreibung von Auflagen und sonstigen Nebenbestimmungen. In Spruchpunkt IV. wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer (ausgenommen die Drittbeschwerdeführerin, die am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt war) als unzulässig zurückgewiesen bzw. als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer mit dem Antrag verbunden, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ihren Antrag begründen sie insbesondere damit, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides den Umweltinteressen, die sie wahrzunehmen berechtigt seien, ein unverhältnismäßiger Nachteil drohe. Dieser Nachteil wäre de facto irreversibel, weil ein um ca. EUR 635 Mrd. netto errichteter Straßenabschnitt aus wirtschaftlichen und politischen Gründen de facto nicht mehr abgetragen werden könne. Österreich sei, insbesondere völker- und europarechtlich verpflichtet, diese Nachteile abzuwenden. Die Aarhus Konvention der UN-ECE (Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, BGBl. III Nr. 88/2005) regle u.a. die Rechte der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren (UVP-Verfahren) im Hinblick auf die Verfahrensbeteiligung und den Rechtsschutz. Österreich habe u.a. Art. 9 Abs. 2 bis 4 dieser Konvention durch die UVP-G-Novelle 2004 (BGBl. I Nr. 153/2004) in Umsetzung der EG-Richtlinie 2003/35/EG (mit der u.a. die Richtlinie 85/337 EWG über die Umweltverträglichkeit bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-RL - geändert wurde) umgesetzt. Österreich sei durch den EG-Vertrag dazu verpflichtet, die Aarhus Konvention rechtskonform anzuwenden und umzusetzen, weil die EG selbst Vertragspartei sei (es liege ein gemischtes Abkommen vor, Hinweis auf Schweitzer/Hummer/ Obwexer, Europarecht (2007) Rz 1001 ff). Österreich sei dazu verpflichtet, die UVP-RL anzuwenden, in die Aspekte der Aarhus Konvention integriert worden seien. Die UVP-RL setze diese Konvention unvollständig um.

Art. 9 Abs. 4 erster Satz Aarhus Konvention laute:

"Zusätzlich und unbeschadet des Absatz 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer."

Demgegenüber regle Art. 10a UVP-RL in der Fassung der angeführten RL 2003/35/EG, dass die betreffenden Verfahren fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt werden. Der Verweis auf den angemessenen, effektiven und vorläufigen Rechtsschutz fehle. Nach Ansicht der Beschwerdeführer erscheine der Rechtsschutz im UVP-Verfahren betreffend u.a. Bundesstraßen nach dem 3. Abschnitt des UVP-G nur dann angemessen und effektiv, wenn die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes diesbezüglichen Beschwerden aufschiebende Wirkung zuerkennen. Da der Verwaltungsgerichtshof im Gegensatz zu den sonstigen UVP-Verfahren nach dem 2. Abschnitt des UVP-G für die Beschwerdeführer die einzige gerichtliche Überprüfungsinstanz sei, würde durch die Verweigerung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Art. 9 Abs. 4 Aarhus Konvention iVm Art. 10a UVP-RL verletzt.

Da die UVP-Entscheidung nach dem 3. Abschnitt des UVP-G bei Abweisung des Antrages auf aufschiebende Wirkung sofort in Rechtskraft erwachse, würden die Projektwerber nach der bisherigen Praxis unmittelbar danach mit der Verwirklichung des Vorhabens beginnen. Nach der von der Mitbeteiligten vorgelegten Beilage D sei der Baubeginn 2010 vorgesehen. Der Rechtsschutz laufe ins Leere, wenn während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das verfahrensgegenständliche Straßenprojekt weitgehend verwirklicht werde. Es sei der Rechtsschutz damit nicht effektiv im Sinne der Aarhus Konvention und der UVP-RL, wenn es keine realistische Chance gebe, dass die Umwelteingriffe mit einem vertretbaren wirtschaftlichen Aufwand rückgängig gemacht würden. Auch wenn eine Rückgängigmachung theoretisch möglich sei, scheine dies nach Ansicht der Beschwerdeführer in der Praxis doch unrealistisch und sei bisher in Österreich noch kein Abriss einer konsenslos errichteten Autobahn erfolgt. Es wäre daher im vorliegenden Fall, wenn ein effektiver und angemessener vorläufiger Rechtsschutz im Sinne der von Österreich übernommenen völker- und europarechtlichen Verpflichtungen gewährt werde, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geboten. Die Beschwerdeführer führen in diesem Zusammenhang insbesondere Beschlüsse des Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) an, die diese Einschätzung nach Ansicht der Beschwerdeführer bestätigten. Danach sei es nicht ausreichend, dass bestimmte Optionen theoretisch noch möglich seien, sondern wie die Situation sich tatsächlich darstelle. Wenn es zwar theoretisch noch möglich sei, bestimmte Änderungen durchzuführen, auch wenn ein Vorhaben bereits gebaut worden sei, jedoch der politische und wirtschaftliche Druck im konkreten Fall so groß sei, dass es de facto nicht mehr möglich sei, erhebliche Änderungen vorzunehmen, widerspreche das den Vorgaben der Konvention hinsichtlich "effektiver" Verfahrensbeteiligung.

Zwingende öffentliche Interessen stünden dem Antrag auf Gewährung aufschiebender Wirkung nach Ansicht der Beschwerdeführer nicht entgegen. Die Mitbeteiligte habe die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens am beantragt. Am

12. und  habe die mündliche Verhandlung stattgefunden. Würden öffentliche Interessen ein rasches Vorgehen erfordern, dann hätte die Mitbeteiligte und die belangte Behörde das Verfahren nach der mündlichen Verhandlung zügig beendet und nicht drei Jahre zugewartet, um das Verfahren abzuschließen.

Die belangte Behörde führt in ihrer Stellungnahme dazu aus, dass der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden. Ein öffentliches Interesse an der Errichtung der A 5 Nord Autobahn als hochrangiger Verbindung mit Tschechien sei bereits durch die Aufnahme der gegenständlichen Straßenverbindung in das Verzeichnis 1 des BundesstraßenG mit dem Verlauf "Knoten Eibesbrunn (S 1) - Wolkersdorf - Staatsgrenze bei Drasenhofen", die Ergebnisse der Studie betreffend die "Gestaltung des Straßennetzes im Donaueuropäischen Raum unter besonderer Beachtung des Wirtschaftsstandortes Österreich (sogenannte GSD-Studie) sowie durch die Einbeziehung in die Trans-europäischen Netze der Europäischen Union (TEN-T) dokumentiert. In der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 1999 herausgegebenen GSD-Studie sei der Brünner-Straßen-Korridor (B 7) als GSD Typ I/höchstrangige Verbindung festgelegt und gleichzeitig die Durchführung einer verkehrsträgerübergreifenden Korridoruntersuchung empfohlen worden. Auch sei festgestellt worden, dass die B 7 Brünner Straße Bestandteil des TEN-Netzes sei und zukünftige Erleichterungen der EU für den LKW-Verkehr in diesem Netz Probleme für die Ortsdurchfahrten (speziell die Wohnbevölkerung) erbringen würden. Aufbauend auf der GSD-Studie sei die Korridoruntersuchung Ostregion 2000 erstellt worden. Als Ausbaupriorität sei der Bau der A 5 von Wien bis Drasenhofen im Zeithorizont von 2005 bis 2015 festgestellt worden.

Die Abwehr von Lebens- und Gesundheitsgefahren oder von Gefahren und Belästigungen für Verkehrsteilnehmer und Anrainer stelle ein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen Umsetzung eines angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit dar (Hinweis u.a. auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , AW 2005/05/0120). Die Unfallrate auf der B 7 liege bei 0,28 Unfällen pro 1 Mio. Kfz-km (sei also niedriger als der bundessweite Durchschnitt in Niederösterreich von 0,43). Die Unfallschwere (Tote, Schwerverletzte) liege 102 % höher als im landesweiten Durchschnitt. Nach der RVS 2.22 betrügen die Unfallraten je ein Mio. Kfz-km u.a. auf Autobahnen 0,12, auf Freilandstraßen 0,46. Für das Jahr 2020 ergebe sich daher im Untersuchungszeitraum, dass ohne Bau der A 5 Nord Autobahn 661 Unfälle mit Personenschaden pro Jahr aufträten, während bei Realisierung der A 5 426 Unfälle mit Personenschaden pro Jahr zu erwarten seien. Diese Reduktion von Unfällen mit Personenschaden um 36 % könne eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit bewirken.

Weiters führe die Reduzierung der Verkehrsbelastung im untergeordneten Straßennetz - besonders in den Ortsdurchfahrten von Willersdorf, Erdberg, Wetzelsdorf und Poysdorf - zu einer wesentlichen Entlastung von verkehrsbedingten Emissionen und damit zu einer Erhöhung der Lebensqualität. Es komme durch das Einreichprojekt 2005 auf Grund einer Verkehrsuntersuchung im gesamten Landesstraßennetz der Region zu einer Reduktion der Verkehrsleistung (gefahrene Kfz-km) um 30 %. Die deutlichsten Reduktionen träten in Poysdorf, Wetzelsdorf und Erdberg auf, wo der Verkehr auf weniger als die Hälfte reduziert werde. Damit verbunden sei eine Reduktion der Lärmpegel um 3 dB in einem Bereich, der derzeit in den Wohnobjekten am Straßenrand Nachtbelastungen von 55 - 65 dB aufweise. Das seien Belastungen in einer Größenordnung, bei welcher der humanmedizinische Sachverständige eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausschließen könne.

Im Zentrum von Poysdorf werde der Verkehr durch die Inbetriebnahme der A 5 sogar um 80 % reduziert. Das bedeute nicht nur eine Lärmpegelminderung in der Größenordnung von 5 dB sondern auch eine deutliche Reduktion hinsichtlich der Luftschadstoffe. Weiters sei die Dauer des Verfahrens im Bescheid (Seiten 39 und 40) nachvollziehbar begründet worden. Die Planungsdauer, die Dauer der Durchführung der erforderlichen Genehmigungsverfahren und die Verkehrssituation im Bereich der zu errichtenden A 5 Nord Autobahn und die bereits erfolgte Verkehrsfreigabe des südlichen Teilstückes der A 5 Nord Autobahn zwischen Eibesbrunn und Schrick am gebiete den weiteren Bau der A 5 ohne weitere zeitliche Verzögerungen. Diese Umstände würden nach Ansicht der belangten Behörde ein zwingendes öffentliches Interesse an einem umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides begründen.

Abgesehen davon hätten die Beschwerdeführer, wie es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geboten sei, den unverhältnismäßigen Nachteil, der sich aus dem umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides ergäbe, in keiner Weise konkretisiert. Aus dem Betrieb der A 5 im vorliegenden Abschnitt, für den eine Verkehrsfreigabe im Jahre 2014 vorgesehen sei, könne den Beschwerdeführern keinerlei Nachteil erwachsen. Auch aus dem Bau des vorliegenden Bundesstraßenbauvorhabens drohe kein unverhältnismäßiger Nachteil, da im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf die Entscheidung vom , B 1902/97) bei einer Bauführung den Bauführer das Risiko treffe, im Fall der Stattgebung der Beschwerde seinen Bau wieder entfernen zu müssen. Nichts anderes könne im Fall der Errichtung einer Bundesstraße gelten.

Nach Auffassung der belangten Behörde entspreche die vom Verwaltungsgerichtshof wahrgenommene gerichtliche Kontrollfunktion dem von der Aarhus-Konvention geforderten Standard eines angemessenen und effektiven Rechtsschutzes, einschließlich eines angemessenen vorläufigen Rechtsschutzes.

§ 30 Abs. 2 VwGG gebe dem Verwaltungsgerichtshof ein Mittel zur Hand, eine Aushöhlung seiner Rechtsschutzfunktion während der Dauer des Beschwerdeverfahrens zu unterbinden. Die belangte Behörde teile die Ansicht der Beschwerdeführer nicht, dass der Rechtsschutz nur dann angemessen und effektiv sei, wenn im vorliegenden Fall vom Verwaltungsgerichtshof jedenfalls aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

Aus den angeführten Entscheidungen des ACCC könne Derartiges nicht abgeleitet werden. Insbesondere lasse sich der Fall, dass ein Zugang zu Gericht erst nach Baubeginn bzw. erst nach Baufertigstellung eröffnet werde und davor kein Zugang zu Gericht bestehe, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichen. Die Beschwerdeführer hätten unmittelbar nach Erlassung des angefochtenen Bescheides und unabhängig von einem Baubeginn Zugang zu einem Gericht und könnten die Genehmigung der Bundesministerin bekämpfen.

Die mitbeteiligte Partei führt - wie die belangte Behörde - zu dem Antrag aus, dass der behauptete unverhältnismäßige Nachteil in keiner Weise konkretisiert worden sei, es sei lediglich ein Nachteil für die von ihnen wahrzunehmenden "Umweltinteressen" behauptet worden. Es sei nicht ersichtlich, welche Nachteile die Beschwerdeführer aus dem fraglichen Bauvorhaben konkret befürchten. Auf die Behauptung, der Nachteil für diese nicht näher spezifizierten Umweltinteressen sei irreversibel, brauche daher nicht näher eingegangen zu werden.

Auch nach Ansicht der Mitbeteiligten stünden zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen. Sie beruft sich dabei - wie die belangte Behörde - auf die wesentliche Verringerung des Unfallrisikos auf dieser Route bei Verwirklichung des vorliegenden Bauvorhabens, nämlich eine Verringerung von Unfällen mit Personenschaden um 36 %. In etlichen betroffenen Ortsdurchfahrten würden die bereits kritischen Immissionspegel, die bereits gesundheitsgefährdend seien, maßgeblich reduziert. Die hohe Entlastungswirkung des Vorhabens hinsichtlich der bestehenden Lärmbelastung und die Interessen des Gesundheitsschutzes stünden daher der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als zwingendes öffentliches Interesse entgegen.

Das Vorhaben bewirke auch eine maßgebliche Entlastungswirkung in Bezug auf die in den betroffenen Ortsgebieten bestehende Belastung an Luftschadstoffen, insbesondere komme es zu einer relevanten Verringerung der Stickstoffdioxidkonzentrationen in den näher angeführten Ortsgebieten. Weiters weist die Mitbeteiligte darauf hin, dass die UVP-Verfahren für Bundesstraßenvorhaben nach dem 3. Abschnitt des UVP-G auf Grund der umfangreichen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Legalparteien vor allem wegen der besonders komplexen fachlichen Themenstellungen deutlich länger dauern als sonstige Verfahren nach dem UVP-G. Gerade auf Grund der bisherigen Verfahrensdauer sei der Druck auf die Realisierung des Vorhabens deutlich erhöht worden. Das unmittelbar davor liegende Straßenstück Eibesbrunn - Schrick sei nach dreijähriger Bauzeit am für den Verkehr freigegeben worden. Das vorliegende Vorhaben schließe unmittelbar an diesen leistungsfähigen Verkehrsträger an, was den Druck auf eine rasche Umsetzung und die notwendige Entlastung in den Ortsdurchfahrten der B 7 Brünner Straße deutliche erhöhe.

Nach Entscheidungen des Europäischen Parlaments und des Rates sei der verfahrensgegenständliche Straßenabschnitt Teil eines vorrangigen Straßenbauvorhabens im Transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN; betreffend die Autobahnachse Danzig - Brünn/Bratislava - Wien). In der gemeinsamen Erklärung vom wird ausgeführt, dass mit dem Bau des vorliegenden Vorhabens "vor Ende 2010" (in der Erklärung "at the end of 2010") begonnen werden solle. Es bestehe demnach ein prioritäres öffentliches Interesse an einer unverzüglichen Umsetzung des Vorhabens. Weiters komme es durch die Errichtung der A 5 zu einer wesentlichen Verbesserung der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf Grund der Entlastungen von Ortsdurchfahrten entlang der B 7. So werde es zu einer Entlastung im Bereich Erdberg im Jahr 2020 von 18.300 auf

8.500 Kraftfahrzeuge/24 h bzw. auch auf den weiteren Landesstraßen (Reduktion der Kfz im Jahr 2020 von 50.300 auf 26.500 Kfz/24 h) kommen.

Auch eine Interessenabwägung im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG müsste zu Gunsten der angeführten gravierenden öffentlichen Interessen ausgehen. Auch die Behauptung, die Errichtung eines derartigen Bauvorhabens sei nicht reversibel, treffe nicht zu. Bei den bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen sei auch noch zu beachten, dass es sich bei dem vorliegenden Vorhaben um ein hochrangiges Verkehrsinfrastrukturprojekt von regionaler und überregionaler Bedeutung mit einem Investitionsvolumen von ca. EUR 309 Mio. handle und eine Verzögerung der Projektrealisierung für die Mitbeteiligte einen erheblichen betriebswirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde. Jedes Jahr der Verzögerung würde für das Projekt Mehrkosten von ca. EUR 8 Mio. verursachen. Der wirtschaftliche Nachteil, der sich bei verzögerter Bauführung oder Bauunterbrechung schon auf Grund der dadurch eintretenden Baukostensteigerung ergebe, habe der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung als unverhältnismäßigen Nachteil anerkannt (Hinweis u.a. auf den Beschluss vom , Zl. AW 92/05/0031). Dem Antrag wäre daher nach Ansicht der Mitbeteiligten wegen entgegenstehender zwingender öffentlicher Interessen bzw. wegen Überwiegens der von der Mitbeteiligten angeführten öffentlichen Interessen, denen das Bauvorhaben gerecht werde, gegenüber anderen Interessen nicht stattzugeben.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Aarhus-Konvention (Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der in der dänischen Stadt Aarhus am von 35 Staaten unterzeichnet wurde (vgl. Neger, 10 Jahre Aarhus-Konvention, RdU 2009, 112 ff). Österreich ratifizierte das Übereinkommen (BGBl. III Nr. 88/2005). Auch die EG als supranationale Organisation gehörte zu den ursprünglichen Unterzeichnern des Abkommens. Dieses Abkommen ist am in Kraft getreten. Auf EG-Ebene wurde diese Konvention durch Beschluss 2005/370/EG des Rates vom über den Abschluss des Übereinkommens Teil des Gemeinschaftsrechtsbestandes (vgl. Neger, a.a.O., S 112 FN 5).

Gemäß Art. 9 Abs. 1 erster Satz dieser Konvention stellt jede Vertragspartei im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Art. 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

Art. 9 Abs. 4 dieser Konvention ordnet an:

"(4) Zusätzlich und unbeschadet des Abs. 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich."

Die Aarhus-Konvention wurde auf EG-Ebene u.a. durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten umgesetzt. In diesem Zusammenhang wurde die UVP-RL 85/337/EWG durch Art. 10a ergänzt, nach dem die Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherstellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a)

ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedsstaates dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die öffentliche Beteiligung gelten. In diesem Art. 10a ist auch festgelegt, dass die betreffenden Verfahren "fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt" werden.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde und der Mitbeteiligten, dass der angeführte Art. 9 Abs. 4 erster Satz der Aarhus-Konvention nicht dahin gedeutet werden kann, dass im Anwendungsbereich der Konvention der vom Verwaltungsgerichtshof gewährte Rechtsschutz nur dann angemessen und effektiv ist, wenn einer Beschwerde - wie im vorliegenden Fall gegen den Bescheid betreffend die Genehmigung eines Bundesstraßenbauvorhabens u.a. gemäß dem 3. Abschnitt des UVP-G - jedenfalls aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Wenn die innerstaatliche Regelung betreffend die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 30 Abs. 2 VwGG einerseits auf das Nichtvorliegen zwingender öffentlicher Interessen, die der Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung entgegen stehen, bzw. auf die Vornahme einer Interessenabwägung zwischen den in Frage kommenden öffentlichen Interessen und der auf Seiten der Beschwerdeführer und Mitbeteiligter gegebenen Interessenlage abstellt, steht dies mit dem genannten Art. 9 Abs. 4 Aarhus-Konvention nicht im Widerspruch. Auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, dass Beschwerdeführer, die sich auf die Vertretung von Umweltinteressen berufen, den behaupteten Nachteil für diese Umweltinteressen nur pauschal zu behaupten. Im Rahmen des angeführten Grundsatzes, dass im Anwendungsbereich der Aarhus-Konvention diesbezügliche Überprüfungsverfahren angemessen vorläufigen Rechtsschutz gewähren müssen, erscheint es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zulässig, zu prüfen, ob der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen oder eine Interessenabwägung zu Gunsten der in Frage stehenden öffentlichen Interessen gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung stehenden öffentlichen Interessen spricht. Indem die Unfallrate betreffend lebensgefährliche bzw. schwere Unfälle auf der bestehenden Straße B 7 durch das vorliegende Bauvorhaben um 36 % herabgesetzt wird, stehen der Gewährung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zwingende öffentliche Interessen entgegen (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2005/05/0120).

Aber selbst wenn man das Vorliegen entgegen stehender zwingender öffentlicher Interessen verneinte, muss eine Interessenabwägung der in Frage stehenden öffentlichen Interessen (wie hier der bessere Schutz des Lebens und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer in diesem Bereich, die wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit einer Straße, die wichtige Funktion des in Frage stehenden Straßenstückes im Transeuropäischen Straßennetz, die weitgehende Herabsetzung der Immissionsbelastung derzeit diesbezüglich schwer belasteter Ortsdurchfahrten im Zuge der bestehenden Straße, die volkswirtschaftlichen Effekte eines großen Bundesstraßenprojektes) gegen andere öffentliche Interessen (wie die nicht konkretisierten Umweltinteressen der Beschwerdeführer) zu Gunsten der Ersteren ausfallen.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits zu der im Rahmen der Errichtung einer Bundesstraße notwendigen Bodenversiegelung und -verdichtung durch Asphaltierung ausgesprochen hat (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2008/06/0029), dass sich diese Eingriffe, wie dies von der Mitbeteiligten in dem damaligen Verfahren dargelegt wurde, mit einem gewissen (beträchtlichen) Aufwand zumindest weitgehend rückgängig machen lassen. Die Mitbeteiligte weist zu Recht darauf hin, dass den Behörden hinreichend gesetzliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, im Fall der Bescheidbehebung und allfälligen Versagung der Genehmigung gegen die damit konsenslosen und konsenswidrigen Maßnahmen vorzugehen und deren Beseitigung zu verlangen. Die Behörden sind auch dazu verpflichtet, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Hinzukommt, dass im Fall des Obsiegens der Beschwerdeführer der Projektwerber die Folgen einer dann allenfalls gegebenen Konsenswidrigkeit zwischenzeitig ausgeführter Maßnahmen zu tragen hat (vgl. zu Bauvorhaben u.a. den Beschluss vom , AW 2007/05/0007).

Es steht auch dem angeführten vorläufigen Rechtsschutz gemäß der Aarhus-Konvention nicht entgegen, wenn innerstaatlich verlangt wird, dass der von dem Beschwerdeführer befürchtete Nachteil entsprechend zu konkretisieren ist (vgl. u.a. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 10.381/A, weiters den Beschluss vom , Zl. AW 2006/04/0001). Diese Konkretisierungspflicht trifft auch Institutionen und Personen, die zur Wahrung von Umweltinteressen berechtigt sind (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2009/07/0009). Die Beschwerdeführer haben in ihrem Antrag auch diesem Konkretisierungsgebot nicht entsprochen.

Dem Antrag der Beschwerdeführer war daher nicht stattzugeben. Angemerkt wird abschließend, dass es aus Anlass dieser Entscheidung nicht für erforderlich erachtet wurde, die Beschwerdeberechtigung der in Frage stehenden Beschwerdeführer zu überprüfen. Dies wird der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten. Wien, am

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Normen
31985L0337 UVP-RL Art10a;
32003L0035 Öffentlichkeitsbeteiligung-RL Umweltangelegenheiten;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs1;
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs4;
VwGG §30 Abs2;
Sammlungsnummer
VwSlg 17911 A/2011
Schlagworte
Interessenabwägung
Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung
Begründungspflicht
Zwingende öffentliche Interessen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:AW2010060001.A00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-51980