VwGH 30.09.2008, AW 2008/05/0044
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | UVPG 2000; VwGG §30 Abs2; |
RS 1 | Abweisung - Bewilligung einer 380 kV-Leitung nach dem UVP-G 2000 - Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf das durch fachkundige Gutachten unterlegte Vorbringen der mitbeteiligten Partei davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse an der Errichtung bzw. möglichst baldigen Inbetriebnahme der 380-kV-Starkstromleitung besteht. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt vor allem auf Grund des vorgelegten Schreibens der E-Control GmbH, der Regulierungsbehörde, die Gefährdung der Versorgungssicherheit und damit ein zwingendes öffentliches Interesse an. Die Regulierungsbehörde kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass jede Verzögerung des Baubeginns die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in der betroffenen Region gefährden würde. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof schon früher die "ordnungsgemäße Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit elektrischer Energie" als zwingende öffentliche Interessen anerkannt (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom , Zl. 2254/77, vom , Zl. AW 2007/05/0027, und vom , Zl. AW 2007/05/0029). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie AW 2008/05/0040 B RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der beschwerdeführenden Parteien 1) Gemeinde B, 2) Marktgemeinde O,
3) Gemeinde S und 4) Stadtgemeinde A, alle vertreten durch F
H & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, der gegen den Bescheid des Umweltsenates vom , Zl. US 8A/2007/11-94, betreffend Bewilligung einer 380 kV-Leitung nach dem UVP-G 2000 (mitbeteiligte Partei: V AG, vertreten durch O O K H, Rechtsanwälte GmbH), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird der Antrag abgewiesen.
Begründung
Mit der am sowohl beim Amt der Oberösterreichischen als auch der Salzburger Landesregierung eingegangenen Eingabe der mitbeteiligten Partei beantragte diese für das Vorhaben der Errichtung und des Betriebes einer 380 kV-Starkstromfreileitung von H zum Umspannwerk A ("D-Leitung") die Erteilung einer Genehmigung nach dem UVP-G 2000. Das Projekt sieht die Errichtung und den Betrieb einer 380 kV-D-Leitung mit einer Gesamttrassenlänge von ca. 46 km vor, wovon rund 14,5 km in Salzburg und ca. 31,5 km in Oberösterreich liegen sollen. Es soll weiters zu einer abschnittsweisen Mitführung der 110 kV-Leitung E-H, der Umlegung und Einbindung der berührten 110 kV und 220-kV Leitungen, sowie zur Demontage der bestehenden 110-kV- und 220-kV Leitungen kommen. Ein neues Umspannwerk D-Neu soll errichtet und in Betrieb genommen, und auch das Umspannwerk H soll erweitert werden.
Mit einer weiteren Eingabe der mitbeteiligten Partei am , noch vor Bescheiderlassung, änderte die mitbeteiligte Partei ihren Antrag dahingehend ab, dass nunmehr in der Gemeinde X (Oberösterreich) eine geänderte Trassenführung erfolgen solle. Die Gesamtlänge des Leitungsabschnittes soll im Bundesland Salzburg im Erst- und Endausbau 14,28 km betragen, wobei die Freileitung durch die Gemeinden A, O, S und B im Bezirk Z des Bundeslandes Salzburg führen soll. Es wurden Sachverständigengutachten eingeholt und daraufhin zahlreiche Projektergänzungen der mitbeteiligten Partei vorgenommen.
Am erließ die Oberösterreichische Landesregierung, am die Salzburger Landesregierung, nahezu gleichlautende Bescheide, die die Zulässigkeit des gegenständlichen Projektes unter Auflagen aussprachen.
In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen beantragten die Beschwerdeführerinnen die Abweisung des Vorhabens.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen der Beschwerdeführerinnen nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Umweltsenat abgewiesen.
Gleichzeitig mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragen die Beschwerdeführerinnen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass der angefochtene Bescheid einem Vollzug zugänglich sei, da der administrative Instanzenzug ausgeschöpft worden sei, und die Antragstellerin jederzeit mit der Errichtung der 380 kV-Starkstromleitung beginnen könne. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keinerlei zwingende öffentliche Interessen entgegen, vielmehr läge es im öffentlichen Interesse, dass keine oberirdischen Starkstromleitungen durch die touristisch stark genutzte E Seelandschaft und die betroffenen Liegenschaften und Gemeinden verliefen. Das öffentliche Interesse an einer ausreichenden Stromversorgung würde durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht beeinträchtigt, da das gegenständliche Projekt nur einen ersten Teil eines Ringschlusses der 380 kV Starkstromleitungen darstelle, der für sich genommen für die Stromversorgung von keinerlei Bedeutung sei.
Eine Güterabwägung würde zum selben Ergebnis führen, da das Interesse an der Erhaltung der Umwelt, der Gesundheit der Bewohner und der örtlichen Gegebenheiten jedenfalls vor den wirtschaftlichen Interessen der mitbeteiligten Partei der Vorzug zu geben sei. Eventuelle Rodungen und andere Eingriffe in die Natur wären irreversibel und würden den Beschwerdeführerinnen einen unverhältnismäßigen Schaden zufügen. Ohne die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde der effektive Rechtsschutz beseitigt und die Rechtsschutzfunktion der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zumindest teilweise vereitelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat anlässlich der Einleitung des Vorverfahrens angeregt, in einer Stellungnahme zum Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung möge ausgeführt werden, ob zwingende öffentliche Interessen dem Aufschub des Vollzuges des angefochtenen Bescheides entgegenstehen.
Der Umweltsenat als belangte Behörde sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus, indem er auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum "zwingenden öffentlichen Interesse" im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG verwies, wonach "als ein solches zwingendes öffentliches Interesse die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie angesehen werde".
Die mitbeteiligte Partei sprach sich ebenfalls gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Sie wies darauf hin, dass die Verzögerung des bewilligten Ausbaus der Starkstromleitung die Versorgungssicherheit eines zentralen Gebietes im Süden der Regelzone Ost gefährden könnte. Der Ausbau des Starkstromnetzes sei ein entscheidender Beitrag zur Gewährleistung der dringend gebotenen Versorgungssicherheit. Es stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sohin "zwingende öffentliche Interessen" iSd § 30 Abs. 2 VwGG entgegen. Eine Verzögerung des Baus der Starkstromleitung würde insbesondere wegen der zu erwartenden Baukostensteigerung für die mitbeteiligte Partei unmittelbar drohende betriebswirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen. Die Kosten und der volkswirtschaftliche Schaden bei Versorgungsunterbrechungen und Ausfällen wären sowohl für die Industriebetriebe, wie auch für die anderen Stromkunden, sehr hoch.
Von der mitbeteiligten Partei wurden mehrere Privatgutachten in Vorlage gebracht; betreffend die behaupteten Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner der betroffenen Gemeinden ein medizinisches Gutachten von Univ.-Prof. Dr. C vom ("Humanmedizinisches Gutachten zum von den Gemeinden B, O, S und A im Rahmen ihrer Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung"), in welchem festgestellt wird, dass durch die Inbetriebnahme der 380 kV-D-Leitung "für die Gemeindegebiete von B, O, S und A und deren Bewohner mit Sicherheit weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine Störung oder Belästigung durch elektromagnetische Felder zu besorgen sein wird".
Weiters wurde ein Gutachten über die "Volkswirtschaftliche Kosten einer um zwei Jahre späteren Inbetriebnahme der 380 kV-D-Leitung", erstellt von Univ.-Prof. Mag. Dipl. Ing. Dr. techn. H und Dipl. Ing. Dr. tech. U, vom vorgelegt, in welchem die Gutachter zu dem Ergebnis kommen, dass eine um zwei Jahre verzögerte Inbetriebnahme der 380 kV-D-Leitungg für die österreichische Volkswirtschaft einen Nachteil in der Höhe von zumindest 22,3 Mio EUR zur Folge hätte und daher aus volkswirtschaftlicher Sicht eine rasche Verwirklichung der Leitung geboten sei.
Zuletzt wurde das Gutachten des Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. H zur "Analyse der Nord-Süd-Engpasssituation der APG unter Berücksichtigung verschiedener Inbetriebnahmeszenarien der 380 kV-D-Leitung" vom Juli 2008 in Vorlage gebracht, in welchem festgehalten wird, "im Sinn einer sicheren Stromversorgung besteht ein hohes öffentliches Interesse an einer raschen Realisierung der 380 kV-D-Leitung H-A".
Es wurde von der mitbeteiligten Partei auch ein Schreiben der Energie Control GmbH vorgelegt, in welchem diese jede weitere Verschiebung des Baubeginns, bzw. in weiterer Folge der Inbetriebnahme der 380 kV-D-Leitung, als "Gefährdung der Versorgungssicherheit und des Elektrizitätsmarktes" ausweist, die zu "negativen Auswirkungen sowohl auf die Stromkunden als auch auf die gesamte Volkswirtschaft Österreichs" führen könne.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der im Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.
Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichthof in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen hat. Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben daher bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 122). Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hierbei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind, bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. die gleichfalls die Errichtung einer Starkstromleitung betreffenden hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 2006/05/0057, und vom , Zl. AW 2007/05/0029).
Eine Beschwerde ist der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dann nicht zugänglich, wenn die Zuerkennung zwingenden öffentlichen Interessen entgegen steht; darunter versteht der Verwaltungsgerichtshof besonders qualifizierte öffentliche Interessen, die eine sofortige Umsetzung des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit zwingend gebieten (siehe die Nachweise bei Mayer, B-VG3, 724 ff).
Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf das durch fachkundige Gutachten unterlegte Vorbringen der mitbeteiligten Partei davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse an der Errichtung, bzw. möglichst baldigen Inbetriebnahme der 380 kV-Starkstromleitung besteht. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt vor allem auf Grund des vorgelegten Schreiben der E-Control GmbH, der Regulierungsbehörde, die Gefährdung der Versorgungssicherheit und damit ein zwingendes öffentliches Interesse an. Die Regulierungsbehörde kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass jede Verzögerung des Baubeginns die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in der betroffenen Region gefährden würde. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof schon früher die "ordnungsgemäße Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit elektrischer Energie" als zwingende öffentliche Interessen anerkannt (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom , Zl. 2254/77, vom , Zl. AW 2007/05/0027, und vom , Zl. AW 2007/05/0029).
Die Bejahung eines zwingenden öffentlichen Interesses allein steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen, wobei abermals zu betonen ist, dass es hier lediglich um den Zeitpunkt der Ausübung der Berechtigung geht und nicht um die Berechtigung selbst.
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war somit abzuweisen.
Wien, am
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Normen | UVPG 2000; VwGG §30 Abs2; |
Schlagworte | Zwingende öffentliche Interessen Besondere Rechtsgebiete Diverses |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:AW2008050044.A00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-51954