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VwGH 25.01.2007, AW 2006/06/0044

VwGH 25.01.2007, AW 2006/06/0044

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
BauG Vlbg 2001 §26;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Nichtstattgebung - Nachbareinwendungen im Bauverfahren - Die bloße Ausübung der mit einer Baubewilligung eingeräumten Berechtigung bedeutet grundsätzlich für sich allein keinen unverhältnismäßigen Nachteil gemäß § 30 Abs. 2 VwGG (Hinweis B , 83/05/0138). Nun haben allerdings die Bf ausdrücklich eine Rutschgefahr geltend gemacht, also einen Umstand, der an sich geeignet ist, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung darzutun; gerade mit der Frage der Rutschgefahr hat sich allerdings die belBeh in der Begründung des angefochtenen Bescheides auseinander gesetzt und ist auf Grund eines vorgelegten geotechnischen Gutachtens sowie einer ergänzenden geotechnischen Stellungnahme und einer dazu ergänzend eingeholten Stellungnahme des geologischen Amtssachverständigen zur Auffassung gelangt, dass die im geotechnischen Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen nachvollziehbar seien und die vorgeschlagene Baugrubensicherung als taugliches Mittel zur Verhinderung von Schäden der bergseitig gelegenen Grundstücke angesehen werden könnte. Auf Grund der zwischenzeitigen Konsolidierung der im Zuge des Projektes der Bf erfolgten Schüttungen sei im Gegensatz zum Vorbringen der Bf in der Vorstellung nach dem Gutachten des Amtssachverständigen Dr. W.B. die Standsicherheit höher zu bewerten als sie noch im Gutachten vom angenommen worden sei. Dieser Beurteilung der belBeh kann im Lichte der vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen im vorliegenden Provisorialverfahren nicht entgegengetreten werden. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf diese geltend gemachte Rutschungsgefahr kann im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht erfolgen. Da dem Antrag zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen, führt die nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmende Interessenabwägung bei der derzeitigen Sach- und Rechtslage dazu, dass die Interessen der Mitbeteiligten an einem raschen Baubeginn bzw. Baufortschritt höher zu werten sind als die Interessen der Bf.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. des Dr. A und 2. der W, beide vertreten durch Dr. I, Rechtsanwältin, der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl.  BHBR-I-3300.00-2006/0003, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. Dipl. Ing. C, 2. Dipl. Ing. J, 3. S, alle vertreten durch L F Rechtsanwälte Partnerschaft, 4. G, vertreten durch den Bürgermeister), erhobenen und zur hg. Zl. 2006/06/0224 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Nachbarn in einem Baubewilligungsverfahren, in welchem den erst- bis drittmitbeteiligten Parteien im gemeindebehördlichen Verfahren die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses und eines Doppelwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 1199/3, GB L., erteilt wurde. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid der Berufungskommission der viertmitbeteiligten Partei als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführer mit dem Antrag verbunden, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Ihren Antrag begründen die Beschwerdeführer damit, dass bei einem Baubeginn die begründete Gefahr von Hangrutschungen und Schäden am Grundstück der Beschwerdeführer bestehe. Bereits im Jahr 2000 sei in dem in einem anderen Verfahren eingeholten Gutachten darauf hingewiesen worden, dass auf Grund der vorgefundenen Felsschicht und der darüber liegenden Tone und Schluffe die Gefahr der Ausbildung einer Gleitfläche gegeben sei. In früheren Jahren habe es zudem schon Hangrutschungen in dieser Gegend gegeben und habe sich diese Gefahr auf Grund der zunehmend extremen Witterungsverhältnisse, die landesweit zu Vermurungen, Überschwemmungen und Hangrutschungen geführt hätten, noch vergrößert. Da unterhalb von 1,5 bis 2,0 bzw. 2,8 m Tiefe eine Felsschicht vorgefunden worden sei, die Aushubtiefe der Gebäude jedoch 3 m betrage, seien Felssprengungen erforderlich, deren Auswirkungen auf das Grundstück der Beschwerdeführer nicht abgeschätzt werden könnten. Gehe man von der Stellungnahme der P ZT GmbH vom aus, die den Beschwerdeführern nie vorgelegt worden sei, wären bei allfälligen Sprengungen noch zusätzliche Maßnahmen erforderlich, über die die Baubehörden bis heute nicht abgesprochen hätten.

Die belangte Behörde hat zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht Stellung genommen.

Die erst- bis drittmitbeteiligten Parteien führten in ihrer Stellungnahme aus, dass die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung für sie einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen würde. Diese Mitbeteiligten führen auch aus, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Gefahr von Hangrutschungen und Schäden an ihrem Grundstück in den Verfahrensergebnissen des Verwaltungsverfahrens und auch im Vorverfahren beim Verwaltungsgerichtshof keine Deckung finde. Die Beschwerdeführer hätten keinerlei Bescheinigungsmittel vorgelegt, die ihre Behauptungen stützen würden. Aus technischer Sicht stelle sich die Hangsituation des vorliegenden Bauprojektes keineswegs als außerordentlich kritische geologische Gegebenheit dar. Das Gelände sei nicht einmal besonders steil. Bauvorhaben an derartigen Hängen würden nach dem Stand der Technik tagtäglich ohne Gefährdung von Nachbargrundstücken realisiert, weshalb die mitbeteiligten Parteien die Befürchtungen der hangseitig oberhalb angrenzenden Nachbarn und Beschwerdeführer nicht nachvollziehen könnten. Im Fall einer - wie vorliegend entsprechend der Bescheidauflagen - ausreichenden Baugrubensicherung seien Rutschungen im Zuge der Bauführung auszuschließen. Es werde auf das geotechnische Gutachten von B & Partner Ingenieurgemeinschaft für Geotechnik vom verwiesen.

Dieser Standpunkt werde auch durch den bisherigen Bauverlauf bestätigt. Am sei mit den Bauarbeiten für die Zufahrtsstraße und dem Bauvorhaben betreffend das Doppelhaus begonnen worden. Der Aushub sei bereits fertig gestellt und die Baugrube sei entsprechend der bescheidmäßig erteilten Auflage gesichert. Wie im Bescheid angeordnet, sei das von einem Geotechniker erarbeitete Hangsicherungskonzept vor Baubeginn der Baubehörde vorgelegt, genehmigt und entsprechend ausgeführt worden. Die Aussage aus dem angeführten geotechnischen Gutachten, dass die vorgefundene Felsschicht in 1,5 bis 2,0 m Tiefe unterhalb der Geländeoberkante liege, habe sich als zutreffend erwiesen. Da jedoch in jenem vorderen Bereich des Grundstückes lediglich ein Aushub mit einer Aushubtiefe von ca. 1,0 m herzustellen gewesen sei, seien keinerlei Arbeiten im Bereich der Felsschicht, geschweige denn Sprengungen derselben erforderlich. Auch im hinteren, hangseitigen Gebäudebereich, in dem sich die Unterkante der Bodenplatte zufolge des Hangeinschnittes geringfügig mit dem flach ansteigenden Felsrücken überschneide, habe die ca. 40 cm dicke, abzutragende, sogenannte "Nagelfluhschicht" problemlos mit dem Bagger abgespitzt werden können, ohne dass dabei irgendwelche Sprengmaßnahmen auch nur in Erwägungen gezogen hätten werden müssen. Das angeführte geotechnische Gutachten habe bereits in der Planungsphase entsprechende Aufschlüsse darüber gegeben, ab welcher Aushubtiefe mit der Felsschicht zu rechnen sei. Aus diesem Grunde habe vom Beginn an das Erfordernis von Sprengungen ausgeschlossen werden können. Diese Annahmen hätten sich im Zuge der Ausführung vollumfänglich bestätigt.

Aus der ergänzenden geotechnischen Stellungnahme vom ergebe sich, dass durch die Errichtung der Wohnanlage eine permanente Hangsicherung erfolge und die Gefahr von Erdrutschen gewissermaßen sogar verringert werde. Die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Hangrutschungen in früheren Jahren habe es am infolge schwerer Regenfälle gegeben, sie seien durch drückendes Hangwasser ausgelöst worden. Dieses Ereignis habe vor der Errichtung der Wohnanlage H. Nr. 3 (Fertigstellung Mai/Juni 2000) stattgefunden, als sich zufolge der noch unbebauten Einzugsfläche ein großer Druck an Hangwasser aufbauen habe können. Durch die Errichtung der Wohnanlage H. Nr. 3 und deren entsprechenden Entwässerungsmaßnahmen sei das Hangwasser verringert und der Hang selbst durch den Baukörper stabilisiert worden. Diese Ausführungen gälten auch für das geplante Einfamilienhaus. Diesbezüglich hätten die Aushubarbeiten zwar noch nicht begonnen, jedoch verlaufe in diesem Bereich zum Einen das Gelände insgesamt flacher und es grenze zum Anderen die Tiefgarage des Objektes H. Nr. 3 unmittelbar an, sodass in diesem Bereich Hangrutschungen vollkommen denkunmöglich seien.

Die mitbeteiligte Gemeinde hat keine Stellungnahme erstattet.

Auf Grund eines auch dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Antrages der Beschwerdeführer an die mitbeteiligte Gemeinde betreffend einen sofortigen Baustopp wurden weitere Stellungnahmen eingeholt. Die belangte Behörde und der Vertreter der Erst- bis Drittmitbeteiligten legten eine weitere geotechnische Stellungnahme der Dr.P.W.Zt-GmbH vom vor, in der ausgeführt wird, dass die im vorliegenden Fall vorgenommene Baugrubensicherung mittels Steinsatz bei entsprechender Dimensionierung eine übliche und dem Stand der Technik entsprechende Baumethode sei und vielfach angewendet werde. Die Behauptungen der Beschwerdeführer, es liege keine bzw. keine wirksame Baugrubensicherung vor, sei aus geotechnischer Sicht vollumfänglich zurückzuweisen. Sowohl die Beschwerdeführer wie auch die Erst- bis Drittmitbeteiligten erstatteten weitere Stellungnahmen, in denen sie ihre jeweiligen Standpunkte aufrecht erhielten.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Nach der hg. Judikatur bedeutet die bloße Ausübung der mit einer Baubewilligung eingeräumten Berechtigung grundsätzlich für sich allein keinen unverhältnismäßigen Nachteil gemäß § 30 Abs. 2 VwGG (vgl. etwa den Beschluss vom , Zl. 83/05/0138, BauSlg. Nr. 119). Nun haben allerdings die Beschwerdeführer ausdrücklich eine Rutschgefahr geltend gemacht, also einen Umstand, der an sich geeignet ist, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung darzutun; gerade mit der Frage der Rutschgefahr hat sich allerdings die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auseinander gesetzt und ist auf Grund eines vorgelegten geotechnischen Gutachtens sowie einer ergänzenden geotechnischen Stellungnahme der P ZT GmbH und einer dazu ergänzend eingeholten Stellungnahme des geologischen Amtssachverständigen zur Auffassung gelangt, dass die im geotechnischen Gutachten vom vorgeschlagenen Maßnahmen nachvollziehbar seien und die vorgeschlagene Baugrubensicherung als taugliches Mittel zur Verhinderung von Schäden der bergseitig gelegenen Grundstücke angesehen werden könnte. Auf Grund der zwischenzeitigen Konsolidierung der im Zuge des Projektes H.I. der Beschwerdeführer erfolgten Schüttungen sei im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführer in der Vorstellung nach dem Gutachten des Amtssachverständigen Dr. W.B. die Standsicherheit höher zu bewerten als sie noch im Gutachten vom angenommen worden sei. Dieser Beurteilung der belangten Behörde kann im Lichte der vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen (einschließlich der weiteren geotechnischen Stellungnahme vom ) im vorliegenden Provisorialverfahren nicht entgegengetreten werden. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf diese geltend gemachte Rutschungsgefahr kann im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht erfolgen.

Da dem Antrag zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen, führt die nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmende Interessenabwägung bei der derzeitigen Sach- und Rechtslage dazu, dass die Interessen der Mitbeteiligten an einem raschen Baubeginn bzw. Baufortschritt höher zu werten sind als die Interessen des Beschwerdeführers.

In dem zitierten Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass im Falle eines Obsiegens eines beschwerdeführenden Nachbarn der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls gegebenen Konsenslosigkeit eines zwischenzeitig ausgeführten Baues zu tragen hat.

Dem Antrag der Beschwerdeführer war sohin nicht stattzugeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauG Vlbg 2001 §26;
VwGG §30 Abs2;
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Baurecht
Interessenabwägung
Zwingende öffentliche Interessen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2007:AW2006060044.A00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-51932