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VwGH 24.10.2012, 2012/17/0248

VwGH 24.10.2012, 2012/17/0248

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
VwGG §55 Abs2 Z3;
RS 1
Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewußtsein der Grundlosigkeit und Aussichtslosigkeit, der Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (Hinweis E , VwSlg 8448 A/1973).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 90/12/0214 E VwSlg 13388 A/1991 RS 2
Norm
VwGG §55 Abs2 Z3;
RS 2
Was die hier geäußerte Vermutung der belangten Behörde betreffend das Motiv des Beschwerdeführers infolge der erst nach längerer Zeit erteilten baurechtlichen Bewilligung betrifft, ist darauf zu verweisen, dass eine höchstgerichtliche Klärung der mit diesem Komplex verbundenen baurechtlichen Fragen erst durch das Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0082, und somit erst nach Erhebung der hier gegenständlichen Vorstellung des Beschwerdeführers betreffend eine Abgabenangelegenheit an die belangte Behörde erfolgte. Schon deshalb - das Vertreten einer von der Ansicht der Behörde abweichenden Meinung wird in der Regel jedenfalls bis zu einer abschließenden höchstgerichtlichen Entscheidung nicht mutwillig sein - müssen Überlegungen betreffend eine mutwillig betriebene Verwaltungssache im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Abgabenverfahren außer Betracht bleiben, wenn überhaupt das allenfalls mutwillige Betreiben einer anderen Verwaltungssache im gegebenen Zusammenhang zu berücksichtigen sein sollte.
Norm
VwGG §55 Abs2 Z3;
RS 3
Das Bewusstsein von der Grundlosigkeit des Rechtsmittels ist Voraussetzung für die Annahme des Vorliegens von Mutwillen. Mutwillig wird ein Rechtsmittel daher dann ergriffen, wenn sich der Rechtsmittelwerber wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund zur Beschwerde gibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1705).
Norm
VwGG §55 Abs2 Z3;
RS 4
Bei der Beurteilung des - insbesondere in Rechtsmitteln enthaltenen - Vorbringens einer Partei als mutwillig wird auch darauf abzustellen sein, ob sich die Partei bei ihrem Vorbringen argumentativ mit der Begründung einer ihr gegenüber in einem vergleichbaren Fall bereits ergangenen behördlichen Entscheidung auseinandersetzt oder nicht.

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/17/0253 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, in der Beschwerdesache des L in H, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Ardetzenbergstrasse 42, gegen die Vorarlberger Landesregierung, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit der Gästetaxe für den Zeitraum bis , den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 773,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der vorliegenden, im Original am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde in Bezug auf seine am erhobene Vorstellung gegen den Bescheid der Abgabenkommission der Gemeinde S vom geltend, mit dem ihm für den Zeitraum vom bis zum die Haftung für eine Gästetaxe in der Höhe von EUR 3.232,46 auferlegt worden war.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorläge.

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde ihren Bescheid vom  mit dem Zustellnachweis vom vor. Wie aus dem Vorstellungsakt ersichtlich sei, habe die Vorstellungsbehörde wiederholt bei der Gemeinde Unterlagen angefordert und die Vorschreibung genau geprüft. Dies sei auch aus dem 15 Seiten umfassenden Vorstellungsbescheid ersichtlich. Auf Grund von Massenverfahren wegen der Vorschreibung der Kriegsopferabgabe und der Gemeindevergnügungssteuer für Wettterminals sei es zu einer kurzfristigen Überschreitung der 6- Monats-Frist gekommen.

Da der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom weiter - aus näher dargelegten Gründen die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betreibe, werde der Antrag gestellt, dem Beschwerdeführer den Schriftsatzaufwand gemäß § 55 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 2 Z. 3 VwGG nicht zuzusprechen.

Nach § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen, wenn der Bescheid erlassen wird oder vor Einleitung des Vorverfahrens erlassen wurde.

Angesichts der aktenkundigen und unbestrittenen Nachholung des Bescheides war das Beschwerdeverfahren somit gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die Bestimmung des § 55 Abs. 1 letzter Satz VwGG sieht für den Fall der wegen Nachholung des versäumten Bescheides erfolgenden Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens grundsätzlich einen - nur der Höhe nach reduzierten - Anspruch der beschwerdeführenden Partei auf Aufwandersatz vor. Dieser Aufwandersatzanspruch wird - abgesehen von hier nicht vorliegenden Fällen des § 55 Abs. 2 VwGG - durch die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Z. 3 VwGG jedoch für den Fall ausgeschlossen, dass die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben wird. Diese Bestimmung, die - damals als Abs. 4 des § 55 - durch die Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 Eingang in das Verwaltungsgerichtshofgesetz gefunden hat, sollte nach Absicht des Gesetzgebers (RV 576 BlgNR 20, 7) bewirken, dass in Fällen, in denen eine Verwaltungssache mutwillig betrieben und in dieser Angelegenheit eine Säumnisbeschwerde erhoben wird, kein Schriftsatzaufwand zugesprochen werden solle.

Mutwillig nimmt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/02/0345, mwN) die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grundlosigkeit und Aussichtslosigkeit, der Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt.

Die belangte Behörde bringt hierzu in ihrem bereits erwähnten Schreiben vom vor, der Beschwerdeführer habe durch einige Zeit die Gästetaxe ordnungsgemäß bezahlt. In dem - hier nicht streitgegenständlichen - Verfahren betreffend die Gästetaxe für den Zeitraum 2004 bis habe der Beschwerdeführer mehrere "Einwendungen" vorgebracht, so, dass ein Beherbergungsbetrieb nicht vorliege, dass er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei, dass unzulässiger Weise die BAO angewandt worden sei, dass entgegen Art. 6 EMRK keine mündliche Verhandlung abgehalten worden sei, dass zu Unrecht von der Vorschrift des § 18 des Vorarlberger Tourismusgesetzes kein Gebrauch gemacht worden sei und schließlich, dass ihm die personelle Zusammensetzung der Abgabenkommission nicht bekannt gegeben worden sei. In dem sich auf dieses Vorbringen beziehenden Vorstellungsbescheid vom sei die Gemeindeaufsichtsbehörde ausführlich auf die Argumente des Beschwerdeführers eingegangen. Der Vorstellungsbescheid sei vom Beschwerdeführer weder beim Verwaltungsgerichtshof noch beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden.

Nachdem mit Vorstellungsbescheid vom über die Abweisung des Rückzahlungsantrages des Beschwerdeführers hinsichtlich der Gästetaxe entschieden worden sei, habe der Beschwerdeführer im hier gegenständlichen Verfahren, betreffend die Gästetaxe für den Zeitraum bis wieder vorgebracht, dass keine Beherbergung und daher auch keine Abgabenpflicht vorliege. Weiters habe er auch die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Hinblick auf Art. 6 EMRK samt der fehlenden Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes, ebenso wie die unterlassene Anwendung des § 18 des Tourismusgesetzes gerügt, den Einwand der willkürlichen Schätzung der Nächtigungen und damit der unrichtigen Höhe der ermittelten Gästetaxe geltend gemacht, sowie schließlich wieder auf die Unterlassung der Bekanntgabe der personellen Zusammensetzung der Abgabenkommission und die seiner Meinung nach nicht ordnungsgemäße Kundmachung der Verordnung über die Gästetaxe verwiesen.

Am habe der Beschwerdeführer bei der Gemeindeaufsichtsbehörde (der belangten Behörde) vorgesprochen, wobei ihm mitgeteilt worden sei, dass ihm die Zusammensetzung der Abgabenkommission nicht bekannt gegeben werden dürfe. Dennoch habe er wiederum in seiner Vorstellung vom darauf verwiesen, dass ihm eben die Zusammensetzung der Abgabenkommission nicht bekannt gegeben worden sei.

Überdies verweist die belangte Behörde in ihrem Schriftsatz vom darauf, dass der Beschwerdeführer in der Gemeinde H die Gästetaxe und den Tourismusbeitrag seit dem Jahr 2008 ohne bescheidmäßige Vorschreibung entrichte. Die bescheidmäßige Vorschreibung (der Haftung) durch den Bürgermeister der Gemeinde S habe der Beschwerdeführer nach Ansicht der Vorstellungsbehörde nur deshalb bekämpft, weil die Gemeinde S die Errichtung einer Sauna und die "Unterbringung für 20 Personen" baurechtlich erst nach längerer Zeit bewilligt habe, wie näher unter anderem auch mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0082, ausgeführt wird.

Was die hier geäußerte Vermutung der belangten Behörde betreffend das Motiv des Beschwerdeführers infolge der erst nach längerer Zeit erteilten baurechtlichen Bewilligung betrifft, ist darauf zu verweisen, dass eine höchstgerichtliche Klärung der mit diesem Komplex verbundenen baurechtlichen Fragen erst durch das erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0082, und somit erst nach Erhebung der hier gegenständlichen Vorstellung an die belangte Behörde erfolgte. Schon deshalb - das Vertreten einer von der Ansicht der Behörde abweichenden Meinung wird in der Regel jedenfalls bis zu einer abschließenden höchstgerichtlichen Entscheidung nicht mutwillig sein - müssen Überlegungen betreffend eine mutwillig betriebene Verwaltungssache im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Abgabenverfahren außer Betracht bleiben, wenn überhaupt das allenfalls mutwillige Betreiben einer anderen Verwaltungssache im gegebenen Zusammenhang zu berücksichtigen sein sollte.

Soweit die belangte Behörde aber auf die vom Beschwerdeführer jeweils erhobenen "Einwendungen" in den Verfahren betreffend seine Haftung für die Gästetaxe und die darauf gestützten Rechtsmittel verweist, so ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bewusstsein von der Grundlosigkeit des Rechtsmittels Voraussetzung für die Annahme des Vorliegens von Mutwillen. Mutwillig wird ein Rechtsmittel daher dann ergriffen, wenn sich der Rechtsmittelwerber wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund zur Beschwerde gibt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/1705).

Bei der Beurteilung des - insbesondere in Rechtsmitteln enthaltenen - Vorbringens einer Partei als mutwillig wird nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch darauf abzustellen sein, ob sich die Partei bei ihrem Vorbringen argumentativ mit der Begründung einer ihr gegenüber in einem vergleichbaren Fall bereits ergangenen behördlichen Entscheidung auseinandersetzt oder nicht. Dies hat im hier zu beurteilenden Beschwerdefall auch die belangte Behörde zutreffend erkannt und auf die - oben wiedergegebenen - "Einwendungen" des Beschwerdeführers verwiesen. Nach ihren eigenen Ausführungen sind jedoch die "Einwendungen" der willkürlichen Schätzung der Nächtigungen und damit der unrichtigen Höhe der Gästetaxe sowie der nicht ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung über die Gästetaxe im vorliegenden Verfahren (wenngleich zusätzlich) erstmals erhoben worden. Darüber hinaus ist auch festzuhalten, dass in der - vom Beschwerdeführer offenbar als zentral angesehenen - Frage des Vorliegens einer "Beherbergung" der Beschwerdeführer nach dem Akteninhalt für den Zeitraum vom bis zum neue rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht hat, die seiner Ansicht nach gegen die von den Abgabenbehörden (und der belangten Behörde) vorgenommene Interpretation der Vorschriften über die Gästetaxe im Verfahren betreffend den Zeitraum 2004 bis sprechen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag in Hinblick auf diese Umstände sohin die Ansicht der belangten Behörde nicht zu teilen, es liege eine mutwillig betriebene Verwaltungssache vor. Darüber hinaus sei nur angemerkt, dass auch die Abgabenbehörden den Tatbestand des § 112a BAO im gegebenen Zusammenhang nicht als erfüllt angesehen haben.

Liegt aber hier die herangezogene Ausnahmebestimmung des § 55 Abs. 2 Z. 3 VwGG nicht vor, so war unverändert die Kostenbestimmung des § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG anzuwenden. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich daher auf diese Bestimmung iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VwGG §55 Abs2 Z3;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2012170248.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-51905