VwGH 27.09.2012, 2012/16/0036
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Nach der hg. Rechtsprechung in Wiedereinsetzungssachen kommt insbesondere dem Vorgang, eine einen Fristlauf auslösende Zustellung in Gestalt eines Eingangsvermerkes datumsmäßig festzuhalten, besondere Bedeutung zu. Die Gefahr von Irrtümern betreffend den Fristenlauf ist insbesondere dann, wenn Geschäftsstücke nicht sofort bei ihrem Einlangen mit einer Einlaufstampiglie versehen werden, besonders groß (vgl. den hg. Beschluss vom , 97/16/0037, mwN). |
Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
RS 2 | Der Kanzleibetrieb der bevollmächtigten Rechtsvertreterin ist laut Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag so organisiert, dass die eingehenden Poststücke "unverzüglich taggleich" mit der aktuellen Posteingangsstampiglie versehen und dem mit der Fristenverwaltung betrauten Sacharbeiter übermittelt werden. Dazu wird vorgebracht, dass nicht die Mitarbeiterin, welche die Posteingangsstücke in Empfang nahm, diese mit der Eingangsstampiglie versehen hat, sondern dass dies durch eine andere Person, nämlich die Leiterin der Postverwaltung erfolgte. Bei einem solchen Ablauf müsste jedoch durch geeignete Maßnahmen gewährleistet sein, dass in dieser Zeit keine Fehlleistungen passieren, die zu einem unrichtigen Fristvormerk auf den Posteingangsstücken führen. Dass solche Maßnahmen ergriffen worden wären, ergibt sich aber weder aus dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag noch aus den dem Antrag beigelegten eidesstattlichen Erklärungen. Der Antrag behauptet zwar, dass bei der Rechtsvertreterin die Einhaltung von (nicht näher ausgeführten) Organisationsvorschriften von der Geschäftsführung "laufend" überwacht und kontrolliert werde, er legt aber nicht dar, worin diese Überwachung und Kontrolle bestanden hätte und warum diese im Beschwerdefall versagt habe, sodass der angefochtene Bescheid erst am Arbeitstag nach dessen Einlangen mit einer (unrichtigen) Eingangsstampiglie versehen wurde, ohne dass dies jemandem aufgefallen ist. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2012/16/0098
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über den Antrag der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Consultatio Wirtschaftstreuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in 1210 Wien, Karl-Waldbrunner-Platz 1, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, und über die Beschwerde dieser Gesellschaft gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 107/11, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die zur hg. Zl. 2012/16/0036 protokollierte Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die Abgabenberufungskommission der Stadt Wien im Instanzenzug einen Antrag der Beschwerdeführerin auf zeitliche Befreiung von der Grundsteuer gemäß § 2 Wr. Grundsteuerbefreiungsgesetz ab.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin (gemäß dem im Verwaltungsakt einliegenden Rückschein) am zugestellt.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde, welche am persönlich beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und zur hg. Zl. 2012/16/0036 protokolliert wurde.
Auf der von der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Bescheidausfertigung befindet sich ein Poststempel "EINGELANGT AM ".
Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der bereits mit Schriftsatz vom eingebrachten Beschwerde. Sie begründete ihren Antrag, es sei ihrer Rechtsvertreterin erst bei Erhalt einer Ausfertigung der Gegenschrift des Verfahrens der hg. Zl. 2012/16/0036 am zur Kenntnis gelangt, dass ihr der dort angefochtene Bescheid bereits am und nicht erst am zugestellt worden sei, was durch eine von der belangten Behörde übermittelte Ablichtung auch eine Bestätigung erfahren habe.
Die Rechtsvertreterin verfüge über ein langjährig erprobtes und verlässliches Postverwaltungssystem. Sämtliche eingegangene Poststücke würden ausnahmslos unverzüglich taggleich mit der aktuellen Posteingangsstampiglie versehen und umgehend dem mit der Fristenverwaltung betrauten Sacharbeiter übermittelt. Die Einhaltung dieser Organisation werde von der Geschäftsführung laufend überwacht und kontrolliert. Fehlende bzw. mangelhafte Posteingangsvermerke seien bisher noch nie vorgekommen. Es bestehe ein hierarchisch aufgebautes Kontrollsystem mit der Möglichkeit von Weisungen durch den mit der Administration betrauten Geschäftsführer sowie durch die Verankerung des "Vier-Augen Prinzips" bei allen wesentlichen Arbeitsabläufen.
Im konkreten Fall habe die zuständige Mitarbeiterin N. das Poststück (den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien) übernommen und gegenüber dem Postbeamten die Übernahme bestätigt. Sie habe jedoch keine Posteingangsstampiglie angebracht, sondern das Poststück sofort der Leiterin der Postverwaltung A. übergeben. A., die die Aufsicht über die mit dem Posteingang beschäftigten Mitarbeitern ausübe, habe die Posteingangsstampiglie jedoch erst am angebracht. A. habe nach Hervorkommen der Fristversäumnis bekanntgegeben, sie könne sich dies nur durch die Einnahme eines Beruhigungsmittels ("Adumbran") erklären, welches ihr ihre Ärztin wegen erster Anzeichen eines Burn-out-Syndroms verschrieben habe. Offensichtlich habe dies zu einer Beeinträchtigung ihrer Handlungsfähigkeit geführt. Die bisher immer zuverlässige Mitarbeiterin A. habe sich durch eine besonders korrekte Arbeitsweise ausgezeichnet. Sie sei nunmehr bis zu ihrer vollen Genesung nicht mit der Leitung der Postverwaltung betraut und habe ihre wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 25 Stunden reduziert. Es habe sich hierbei auch nur um eine einmalige Fehlleistung gehandelt. Dieses krankheitsbedingte Versehen sei der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin nicht als Verschulden zuzurechnen, weil A. gegen die bestehenden Weisungs- und Organisationsvorschriften verstoßen habe.
Zugleich legte die Beschwerdeführerin u.a. Eidesstattliche Erklärungen der A. und des Geschäftsführers S. vor, die im Wesentlichen die im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemachten Aussagen bestätigten.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen innerhalb jenes Rahmens zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , 2011/15/0165, mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom , 2011/16/0044).
Nach der hg. Rechtsprechung in Wiedereinsetzungssachen kommt insbesondere dem Vorgang, eine einen Fristlauf auslösende Zustellung in Gestalt eines Eingangsvermerkes datumsmäßig festzuhalten, besondere Bedeutung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass die Gefahr von Irrtümern betreffend den Fristenlauf, insbesondere dann, wenn Geschäftsstücke nicht sofort bei ihrem Einlangen mit einer Einlaufstampiglie versehen werden, besonders groß ist (vgl. den hg. Beschluss vom , 97/16/0037, mwN). Der Kanzleibetrieb der bevollmächtigten Rechtsvertreterin ist laut Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag so organisiert, dass die eingehenden Poststücke "unverzüglich taggleich" mit der aktuellen Posteingangsstampiglie versehen und dem mit der Fristenverwaltung betrauten Sacharbeiter übermittelt werden. Dazu wird vorgebracht, dass nicht die Mitarbeiterin, welche die Posteingangsstücke in Empfang nahm, diese mit der Eingangsstampiglie versehen hat, sondern dass dies durch eine andere Person, nämlich die Leiterin der Postverwaltung erfolgte. Bei einem solchen Ablauf müsste jedoch durch geeignete Maßnahmen gewährleistet sein, dass in dieser Zeit keine Fehlleistungen passieren, die zu einem unrichtigen Fristvormerk auf den Posteingangsstücken führen. Dass solche Maßnahmen ergriffen worden wären, ergibt sich aber weder aus dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag noch aus den dem Antrag beigelegten eidesstattlichen Erklärungen. Der Antrag behauptet zwar, dass bei der Rechtsvertreterin die Einhaltung von (nicht näher ausgeführten) Organisationsvorschriften von der Geschäftsführung "laufend" überwacht und kontrolliert werde, er legt aber nicht dar, worin diese Überwachung und Kontrolle bestanden hätte und warum diese im Beschwerdefall versagt habe, sodass der angefochtene Bescheid erst am Arbeitstag nach dessen Einlangen mit einer (unrichtigen) Eingangsstampiglie versehen wurde, ohne dass dies jemandem aufgefallen ist.
Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konkrete Angaben in Bezug auf das vom Vertreter der Antragstellerin eingerichtete Kontrollsystem vermissen lässt, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu beurteilen, ob im vorliegenden Fall ein solches bestanden hat, das geeignet wäre, im Fall des Versehens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung war daher abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis war die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom , 2003/05/0246).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2012160036.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-51895