VwGH 24.05.2012, 2012/07/0084
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §63 Abs1; AVG §8; AWG 1990 §29 Abs5 Z4; AWG 2002 §42 Abs1 Z6; B-VG Art131 Abs1 Z1; B-VG Art131 Abs2; B-VG Art18 Abs1; VwGG §34 Abs1; VwRallg; |
RS 1 | § 42 Abs. 1 Z 6 AWG 2002 ist ident mit der Vorgängerbestimmung des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990. Im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren kommt der Standortgemeinde gemäß § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 nur die Stellung als sogenannte "Formal-(Legal-)partei" zu; sei es zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sei es zur Wahrung der im Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegenen Rechte. Insoweit kommt ihr auch das Recht zu, Berufung zu erheben. Die Berufungsbehörde ist somit verpflichtet, die Berufung einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen. Aus der Parteistellung der Gemeinde erfließt nämlich das Recht auf Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides im Wege einer Sachentscheidung der Berufungsbehörde, ohne dass sich die Formalpartei auf ein darüber hinausgehendes subjektives Recht berufen könnte (vgl. E , 2007/07/0128). Diese zum AWG 1990 erfolgten Ausführungen treffen auch auf die Stellung der Standortgemeinde nach dem AWG 2002 zu. |
Normen | AVG §8; AWG 1990 §29 Abs2; AWG 1990 §29 Abs5 Z4; AWG 1990 §29; AWG 2002 §42 Abs1 Z6; B-VG Art131 Abs2; VwGG §34 Abs1; VwRallg; |
RS 2 | Der Standortgemeinde als "Formal-(Legal-)partei" fehlt, was die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung in Ansehung der im Verfahren nach § 29 AWG 1990 anzuwendenden relevanten materiellrechtlichen Bestimmungen anlangt, grundsätzlich ein subjektives Recht, dessen Verletzung sie vor dem VwGH geltend machen könnte. Ausnahmen bestehen nur im Hinblick auf die Verletzung von subjektiven Rechten der Gemeinde, die sich aus den im § 29 Abs. 2 AWG 1990 genannten Vorschriften ergeben, und in Bezug auf die Verletzung der prozessualen Befugnisse der Gemeinde. Fehlt es aber an der Behauptung, in einer eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer Beschwerdeführung iSd Art. 131 Abs. 2 B-VG enthält aber das AWG 1990 nicht. Diese zum AWG 1990 erfolgten Ausführungen treffen auch auf die Stellung der Standortgemeinde nach dem AWG 2002 zu. |
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RS 3 | Die Bestimmung des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 vermittelt der Standortgemeinde - abgesehen von prozessualen Rechten - kein subjektiv-öffentliches Recht; beruft sich die beschwerdeführende Standortgemeinde im Falle einer meritorisch abweislichen Erledigung ihrer vorgetragenen Einwendungen durch die Behörde auf ihre aus § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 erfließenden Rechte, ist ihre Beschwerde zurückzuweisen (vgl. E , 2007/07/0128). Diese zum AWG 1990 erfolgten Ausführungen treffen auch auf die Stellung der Standortgemeinde nach dem AWG 2002 zu. |
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RS 4 | Im Verfahren vor dem VwGH kann eine Gemeinde, die sich ausschließlich auf ihre Parteistellung gemäß § 42 Abs 1 Z 6 AWG 2002 stützt, Beschwerde grundsätzlich nur mit der Behauptung erheben, ihre prozessualen Rechte seien verletzt worden. |
Normen | AVG §8; AWG 1990 §29 Abs2; AWG 1990 §29 Abs5 Z4; AWG 2002 §38 Abs1; AWG 2002 §38; AWG 2002 §42 Abs1 Z6; B-VG Art131 Abs1 Z1; VwGG §34 Abs1; VwRallg; |
RS 5 | Aus dem E des , wonach es einer Partei, welche ihre Parteistellung "ohne Bezug auf die in § 29 Abs. 2 AWG 1990 aufgezählten Rechtsvorschriften" auf § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 stützt, an der Berechtigung zur Erhebung der auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründeten Beschwerde - vom Fall der Wahrung der prozessualen Befugnisse abgesehen - mangelt, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass für die Begründung ihrer Beschwerdelegitimation der bloße Verweis auf eine der (nunmehr) in § 38 Abs. 1 AWG 2002 aufgezählten Rechtsvorschriften ausreicht. Wie aus dem E des und dem E vom , 2007/07/0128, hervorgeht, bezogen sich diese Ausführungen des VwGH auf die in den in § 29 Abs. 2 AWG 1990 angeführten Rechtsvorschriften zum Teil enthaltenen subjektiven Rechte der Gemeinde. Insoweit daher eine auf § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 gestützte Parteistellung unter Bezugnahme auf die in § 29 Abs. 2 AWG 1990 (vgl. nunmehr § 38 AWG 2002) genannten Bestimmungen in Anspruch genommen wird, können subjektive Rechte der Gemeinde betroffen sein, die sie zur Erhebung einer Beschwerde an den VwGH legitimieren. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, in der Beschwerdesache der Marktgemeinde M, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 463.1-1/2012-6, betreffend abfallrechtliche Genehmigung (mitbeteiligte Partei: T GmbH in SL, vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Spruchpunkt I. des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom wurde der mitbeteiligten Partei die abfallrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Baurestmassendeponie im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Partei zur Ablagerung von 429.030 m3 einer im Projekt nach dem Schlüsselnummernkatalog gemäß ÖNORM S 2100 definierten Abfallliste unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Ferner wurden der mitbeteiligten Partei auf der Grundlage des § 38 Abs. 1a Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 die bergrechtliche Genehmigung gemäß § 153 Abs. 2 Mineralrohstoffgesetz und die wasserrechtliche Bewilligung gemäß §§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 1, 13 und 105 Wasserrechtsgesetz 1959 für den Betrieb eines Nutzwasserbrunnens erteilt. Unter Spruchpunkt II. des Bescheides wurde für die gegenständliche Abfallbehandlungsanlage eine Sicherheitsleistung zur Erfüllung der mit dem Betrieb der Deponie verbundenen Auflagen und Verpflichtungen vorgeschrieben.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Marktgemeinde - mit Schriftsatz vom sowie mit Eingabe ihrer Rechtsvertreterin vom - Berufung.
In der Eingabe vom wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die geplante Ausformung des Deponiekörpers nach der Rekultivierung als völlig gebietsuntypische Geländeformation zu beschreiben wäre, wodurch Landschaftsschutzinteressen der beschwerdeführenden Marktgemeinde verletzt würden. Die Behörde erster Instanz habe es verabsäumt, auf die Einwendungen des Bausachverständigen der Gemeinde sowie auf die drohende unzumutbare Belästigung durch Ungeziefer einzugehen. Hinsichtlich der im Bescheid festgelegten Herkunftsbeschränkung der abgelagerten Baurestmassen wurde eine Diskrepanz des geplanten Deponievolumens und des angegebenen Einzugsgebietes geltend gemacht.
Im Berufungsschriftsatz vom wurde auf die mangelnde raumordnungsrechtliche Widmung des Deponiestandorts hingewiesen. Da die Nutzung des Areals als Deponie über die ausgewiesene Nutzungsart "Sondernutzung Freiland - Bodenentnahmefläche" hinausgehe, sei das verfahrensgegenständliche Projekt nicht genehmigungsfähig. Darüber hinaus bestehe ein Widerspruch der erteilten Genehmigung zu den Bestimmungen des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes (LStVG). Es sei mit Verkehrsbeeinträchtigungen, einer Zunahme von Lärm- und Staubimmissionen und einer erhöhten Unfallgefahr zu rechnen. Als Trägerin von Privatrechten sei die Gemeinde zusätzlich für eine Langlaufloipe nutzungsbefugt, sie befürchte durch den zunehmenden Schwerverkehr eine erhebliche Nutzungsbeschränkung. Darüber hinaus wurden zusätzliche Immissionen aus dem der Betriebsanlage zurechenbaren Ziel- und Quellverkehr insbesondere für ein näher genanntes Wohnhaus und den anschließenden Campingplatz geltend gemacht.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 8 AWG 2002 bezüglich der behaupteten unzumutbaren Belästigungen als unzulässig zurückgewiesen. Die übrigen Berufungsvorbringen wurden als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, in den Genehmigungsverfahren nach dem AWG 2002 sei Gemeinden die Stellung einer Formalpartei eingeräumt, die zwar zur Erhebung von Berufungsanträgen im Rahmen der Wahrnehmung der im eigenen Wirkungsbereich zukommenden Schutzinteressen, nicht aber zur Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Interessen berechtigt sei. Die Einwendungen bezüglich der befürchteten unzumutbaren Belästigung durch Ungeziefer und die geltend gemachten erhöhten Staub- und Lärmimmissionen auf den benachbarten Grundstücken durch den der Betriebsanlage zuzurechnenden Ziel- und Quellverkehr könnten nur von Nachbarn im Sinne des § 42 AWG 2002 als subjektivöffentliche Rechte "eingefordert" werden. In Ermangelung der Nachbareigenschaft der Gemeinde seien diese Einwendungen demzufolge als unzulässig zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei betreffend die fehlende Ausweisung der Deponie als Sondernutzung im Freiland im geltenden Flächenwidmungsplan verwies die belangte Behörde auf § 8 Stmk Raumordnungsgesetz 2010. Darin werde festgelegt, dass Bewilligungen (Baubewilligungen und Genehmigungen nach § 33 des Steiermärkischen Baugesetzes - Stmk. BauG) diesem Gesetz und Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes nicht widersprechen dürfen. Baubewilligungen und Genehmigungen nach § 33 Stmk. BauG sowie Bewilligungen nach diesem Gesetz, die den Abs. 2 und 4 sowie § 9 Abs. 4, § 31 Abs. 11, § 33 Abs. 7, § 40 Abs. 8, § 45 Abs. 2 und § 47 Abs. 2 widersprechen, seien innerhalb von drei Jahren nach Eintreten der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht (§ 68 Abs. 4 Z 4 AVG). Diese Bestimmungen zielten somit allesamt auf eine indirekte Wirksamkeit mittels einer baurechtlichen Genehmigung nach § 33 Stmk. BauG ab. Bei der Genehmigung nach § 38 AWG 2002 werde aber ausdrücklich auf die Anwendung der bautechnischen Bestimmungen des jeweiligen Baugesetzes des betreffenden Landes abgestellt. Für die Steiermark bedeute dies, dass lediglich das II. Hauptstück, sohin die §§ 43 bis 99 Stmk. BauG zur Anwendung gelangten, nicht jedoch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen, darunter auch der zitierte § 33 Stmk. BauG. Allein aus diesen Überlegungen stelle die mangelnde Ausweisung im Flächenwidmungsplan keinen Hinderungsgrund für eine abfallrechtliche Genehmigung dar. Die vom Gesetzgeber mit der Einführung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens durch § 38 AWG 2002 (zuvor § 29 AWG 1990) beabsichtigte Vereinigung der Verhandlung- und Entscheidungskonzentration beim Landeshauptmann könne ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn die Entscheidung nicht durch die Einwirkung anderer Behörden, wie der Gemeinde als Baubehörde, die gleichzeitig auch Partei im Genehmigungsverfahren sei, eingeschränkt werden könne.
Die von der beschwerdeführenden Partei ferner ins Treffen geführte mangelhafte Berücksichtigung des Landschaftsschutzes stelle gleichfalls keine Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Interessen der Gemeinde dar. Auch die Einwände zur Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrs durch den projektbezogenen Ziel- und Quellverkehr seien von der Genehmigungsbehörde eingehend geprüft worden. Bei der in Frage stehenden Straße handle es sich um eine bereits für den Bergbau als Vornutzung zum nunmehrigen Vorhaben benutzte Straße mit öffentlichem Verkehr, für deren Benützung in § 54 LStVG keine gesonderte Genehmigung oder Nichtuntersagung vorgesehen sei. Ebenso wenig könne aus näher genannten Gründen dem Argument der beschwerdeführenden Partei beigetreten werden, die vor Ort angelegte Langlaufloipe sei ein der Gemeinde zustehendes Benützungsrecht an der Gemeindestraße, das durch das LStVG gesondert geschützt sei.
Die belangte Behörde sehe es als erwiesen an, dass die verfahrensgegenständliche geplante Anlage mit den dargestellten Einschränkungen zu keinen unzumutbaren Einwirkungen auf Nachbarn führe. Die im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Beurteilung durch Sachverständige verschiedener Fachbereiche sei schlüssig und nachvollziehbar. Diese hätten nachgewiesen, dass die Nachbarn weder gefährdet oder belästigt noch in deren Eigentum oder dinglichen Rechten verletzt würden.
Hinsichtlich der (teilweise erfolgten) Zurückweisung der Berufung der beschwerdeführenden Partei führte die belangte Behörde ergänzend aus, dass der Standortgemeinde nach § 42 Abs. 1 Z 6 AWG 2002 in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 die Stellung einer Formalpartei zukomme. Das AWG 2002 vermittle somit den Gemeinden nur prozessuale, jedoch keine subjektiven öffentlichen Rechte. Die Gemeinde könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Bevölkerung durch die geplante Anlage und die daraus zu erwartenden Beeinträchtigungen in ihrer Gesundheit gefährdet oder unzumutbar belästigt werde. Die diesbezüglichen Einwendungen der beschwerdeführenden Partei seien daher unzulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Marktgemeinde B.
1.1. Die beschwerdeführende Marktgemeinde macht in der Beschwerde ausschließlich geltend, dass die verfahrensgegenständliche Baurestmassendeponie auf Grundstücken situiert werden solle, die nach dem geltenden Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Marktgemeinde als "Sondernutzung Freiland -
Bodenentnahmefläche (bef)" ausgewiesen seien. Diese Sondernutzung biete keine Deckung für die Anlage einer Baurestmassendeponie. Mit der AWG-Novelle 2007 sei die direkte Anwendung von Raumordnungsrecht in den Beurteilungskatalog des § 38 AWG 2002 aufgenommen worden. § 8 Stmk. Raumordnungsgesetz 2010 enthalte ein Standortverbot für flächenwidmungswidrige Nutzungen. Die beschwerdeführende Marktgemeinde gebe "mit den gegenständlichen Ausführungen" deutlich zu erkennen, einer solchen Umwidmung (und damit raumordnungsrechtlichen Ermöglichung) für eine Baurestmassendeponie nicht zuzustimmen. Weder im Regionalen Entwicklungskonzept noch im Regionalen Entwicklungsleitbild noch im Örtlichen Entwicklungskonzept noch in sonstigen Raumplanungsschritten (Flächenwidmung) sei eine derartige Deponie, die einen gravierenden Widerspruch zur ca. hundertjährigen Entwicklung der beschwerdeführenden Marktgemeinde als Fremdenverkehrsort darstelle, jemals vorgesehen gewesen. Die beschwerdeführende Partei habe im Laufe der Jahre ihre Bemühungen im Fremdenverkehr stark intensiviert und entsprechende Anlagen nachhaltig ausgebaut. Es seien eine Thermenanlage mit Hotel errichtet und das Thema "Urlaub in gesunder Umgebung" als Leitmotiv für den Fremdenverkehr positioniert worden. In unmittelbarer Nähe befinde sich der Abbau eines Heilmoores. Dazu kämen vermehrte Anstrengungen im Wintertourismus mit dem Bau einer Gondelbahn oder dem Ausbau von Langlaufloipen. In Projektnähe befänden sich bedeutende Fremdenverkehrsreinrichtungen der beschwerdeführenden Marktgemeinde, wie Langlaufloipen, Radweitwanderwege, Campingplatz und drei Gastronomiebetriebe. Es sei daher nachvollziehbar, wenn die beschwerdeführende Marktgemeinde im Rahmen ihres Planungsermessens der Intensivierung des Fremdenverkehrs besonderes Augenmerk zuwende und eine damit unvereinbare Baurestmassendeponie größeren Ausmaßes im Rahmen ihrer Flächenwidmung nicht zulasse.
1.2. Zur Begründung ihrer Beschwerdelegitimation führt die beschwerdeführende Marktgemeinde aus, sie sei Standortgemeinde der verfahrensgegenständlichen Baurestmassendeponie und habe sohin gemäß § 42 Abs. 1 Z 6 AWG 2002 Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002.
Eine Standortgemeinde sei gemäß § 42 Abs. 1 Z 6 AWG 2002 dazu berechtigt, ihre Parteienrechte im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, sofern sie sich in ihrer Beschwerdeschrift ausdrücklich auf eine der in § 38 Abs. 1 AWG 2002 (vormals § 29 Abs. 2 AWG 1990) aufgezählten Rechtsvorschriften stütze. Dies tue die beschwerdeführende Marktgemeinde, indem sie sich mit der Beschwerde gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde wende, die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, sohin die Berücksichtigung des Raumordnungsrechts (§ 38 Abs. 1 AWG 2002) sei im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht von Relevanz.
2. Die Genehmigungspflicht für die verfahrensgegenständliche Baurestmassendeponie ergibt sich aus § 37 Abs. 1 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102 idF BGBl. I Nr. 9/2011.
§ 38 Abs. 1, 1a und 2 AWG 2002 lautet auszugsweise:
"§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. (…)
(1a) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. (…)
(2) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren sind die bautechnischen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes anzuwenden; in diesen Fällen entfällt eine baubehördliche Bewilligungspflicht.
§ 42 Abs. 1 AWG 2002 betreffend die Parteistellung lautet auszugsweise:
"§ 42. (1) Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 haben
der Antragsteller,
die Eigentümer der Liegenschaften, auf denen die Anlage errichtet werden soll,
Nachbarn,
derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll,
die Inhaber rechtmäßig geübter Wassernutzungen gemäß § 12 Abs. 2 WRG 1959,
6. die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar an die Liegenschaft der Behandlungsanlage angrenzende Gemeinde,
…"
§ 42 Abs. 1 Z 6 AWG 2002 ist ident mit der Vorgängerbestimmung des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990. Zur letztgenannten Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass im abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren der Standortgemeinde gemäß § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 nur die Stellung als sogenannte "Formal-(Legal-)partei" zukommt; sei es zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sei es zur Wahrung der im Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegenen Rechte. Insoweit kommt ihr auch das Recht zu, Berufung zu erheben. Die Berufungsbehörde ist somit verpflichtet, die Berufung einer inhaltlichen Erledigung zuzuführen. Aus der Parteistellung der Gemeinde erfließt nämlich das Recht auf Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides im Wege einer Sachentscheidung der Berufungsbehörde, ohne dass sich die Formalpartei auf ein darüber hinausgehendes subjektives Recht berufen könnte (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0128, mwN).
Ferner führte der Verwaltungsgerichtshof aus, der Standortgemeinde als "Formal-(Legal-)partei" fehlt, was die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung in Ansehung der im Verfahren nach § 29 AWG 1990 anzuwendenden relevanten materiellrechtlichen Bestimmungen anlangt, grundsätzlich ein subjektives Recht, dessen Verletzung sie vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen könnte. Ausnahmen bestehen nur im Hinblick auf die Verletzung von subjektiven Rechten der Gemeinde, die sich aus den im § 29 Abs. 2 AWG 1990 genannten Vorschriften ergeben, und in Bezug auf die Verletzung der prozessualen Befugnisse der Gemeinde. Fehlt es aber an der Behauptung, in einer eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu einer Beschwerdeführung im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG enthält aber das AWG nicht. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Beschwerdelegitimation im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 der Standortgemeinde - abgesehen von prozessualen Rechten - kein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt; beruft sich die beschwerdeführende Standortgemeinde im Falle einer meritorisch abweislichen Erledigung ihrer vorgetragenen Einwendungen durch die Behörde auf ihre aus § 29 Abs. 5 Z 4 AWG erfließenden Rechte, ist ihre Beschwerde zurückzuweisen (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom , 2007/07/0128, mwN).
Diese zum AWG 1990 erfolgten Ausführungen treffen auch auf die Stellung der Standortgemeinde nach dem AWG 2002 zu. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof kann eine Gemeinde, die sich ausschließlich auf ihre Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 Z 6 AWG 2002 stützt, Beschwerde grundsätzlich nur mit der Behauptung erheben, ihre prozessualen Rechte seien verletzt worden. Ein derartiges Vorbringen wurde von der beschwerdeführenden Marktgemeinde in der vorliegenden Beschwerde jedoch nicht erhoben. Vielmehr behauptet sie mit dem Vorbringen, der geltende Flächenwidmungsplan stehe der Genehmigung der verfahrensgegenständlichen Deponie entgegen, die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Dieses Vorbringen vermittelt der beschwerdeführenden Marktgemeinde aber keine Beschwerdelegitimation.
Auch mit dem Hinweis der beschwerdeführenden Partei, sie stütze sich ausdrücklich auf eine der in § 38 Abs. 1 AWG 2002 aufgezählten Rechtsvorschriften, wird die Zulässigkeit der Beschwerde nicht begründet. Aus den Ausführungen in dem in der Beschwerde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/07/0172, wonach es einer Partei, welche ihre Parteistellung "ohne Bezug auf die in § 29 Abs. 2 AWG aufgezählten Rechtsvorschriften" auf § 29 Abs. 5 Z 4 AWG stütze, an der Berechtigung zur Erhebung der auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründeten Beschwerde - vom Fall der Wahrung der prozessualen Befugnisse abgesehen - mangle, zieht die beschwerdeführende Partei offenbar den unrichtigen Schluss, dass für die Begründung ihrer Beschwerdelegitimation der bloße Verweis auf eine der (nunmehr) in § 38 Abs. 1 AWG 2002 aufgezählten Rechtsvorschriften ausreiche.
Wie jedoch etwa aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/07/0098, auf das das erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 95/07/0172, verweist, und dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0128, hervorgeht, bezogen sich die in Rede stehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes auf die in den in § 29 Abs. 2 AWG 1990 angeführten Rechtsvorschriften zum Teil enthaltenen subjektiven Rechte der Gemeinde. Insoweit daher eine auf § 29 Abs. 5 Z 4 AWG 1990 gestützte Parteistellung unter Bezugnahme auf die in § 29 Abs. 2 AWG 1990 (vgl. nunmehr § 38 AWG 2002) genannten Bestimmungen in Anspruch genommen wird, können subjektive Rechte der Gemeinde betroffen sein, die sie zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof legitimieren.
Mit den oben wiedergegebenen Beschwerdeausführungen, in denen sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Widerspruchs zum geltenden Flächenwidmungsplan behauptet und darlegt, weshalb sie vor dem Hintergrund der Intensivierung des Fremdenverkehrs eine ihrer Ansicht nach damit unvereinbare Baurestmassendeponie im Rahmen ihrer Flächenwidmung nicht zulasse, macht die beschwerdeführende Marktgemeinde jedoch keine subjektiven Rechte im genannten Sinne geltend.
Vor diesem Hintergrund entzieht sich die Beurteilung der belangten Behörde und die im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansichten der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | AVG §63 Abs1; AVG §8; AWG 1990 §29 Abs2; AWG 1990 §29 Abs5 Z4; AWG 1990 §29; AWG 2002 §38 Abs1; AWG 2002 §38; AWG 2002 §42 Abs1 Z6; B-VG Art131 Abs1 Z1; B-VG Art131 Abs2; B-VG Art18 Abs1; VwGG §34 Abs1; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des Berufungswerbers Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2012070084.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-51865