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VwGH 14.12.2011, 2011/17/0166

VwGH 14.12.2011, 2011/17/0166

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
VwGG §33 Abs1;
RS 1
§ 33 Abs 1 VwGG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen ist. Dies trifft auf den Fall der Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension durch gerichtlichen Vergleich für den verwaltungsgerichtlichen Streit über den Widerruf der Notstandshilfe zu.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/08/0143 B RS 2 (hier ohne den letzten Satz)
Normen
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1 Satz1;
VwRallg;
RS 2
§ 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist auch im Verfahren über Säumnisbeschwerden sinngemäß anzuwenden (vgl. dazu den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/04/0133, uva.).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/06/0175 B RS 1
Norm
VwGG §55 Abs1;
RS 3
§ 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG kommt bei der Einstellung wegen einer sonstigen Gegenstandslosigkeit nicht zum Tragen (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/06/0199).
Normen
RS 4
Einen Devolutionsantrag im Falle der Säumnis der Behörde zweiter Instanz sieht die BAO nicht vor (vgl. Ellinger in Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 311 Anm. 22, und zur vergleichbaren früheren Rechtslage nach der Kärntner LAO das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0097, sowie zur daraus folgenden Konsequenz für das Säumnisbeschwerdeverfahren Köhler, Die Säumnisbeschwerde, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 1999, 77 (95)). Der Devolutionsantrag wäre daher von der Behörde, an die er gerichtet war, zurückzuweisen gewesen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/17/0170, und vom , Zl. 2009/17/0097).

Auf Grund der Einbringung des Devolutionsantrags wäre somit grundsätzlich die Entscheidungspflicht des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See eingetreten, wenngleich der unzulässige Devolutionsantrag zurückzuweisen gewesen wäre. Auch die Säumnis einer Behörde mit der Erlassung eines Zurückweisungsbescheides kann nach der ständigen hg. Rechtsprechung mit Säumnisbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. zur Verpflichtung der Behörden zur Zurückweisung unzulässiger Anträge das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 934/73, VwSlg 9458 A/1977, und beispielsweise den hg. Beschluss vom , Zl. 2003/17/0196).
Norm
RS 5
Die Erteilung eines Verbesserungsauftrages enthob die Behörde nicht der Verpflichtung, im Falle des ungenützten Verstreichens der gesetzten Frist gemäß § 85 Abs. 2 BAO einen sogenannten Zurücknahmebescheid zu erlassen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar4, § 85 BAO Rz 18).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/17/0165 B

2011/17/0164 B

2011/17/0163 B

2011/17/0161 B

2011/17/0167 B

2011/17/0170 B

2011/17/0169 B

2011/17/0168 B

2011/17/0162 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache des FP in S, vertreten durch Grilc & Partner, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen den Gemeinderat der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten Berufung gegen Abgabenbescheide, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die zur Zl. 2011/17/0166 protokollierte Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen die den in dem vom Bürgermeister der Gemeinde St. Kanzian am Klopeinersee ausgestellten Rückstandsausweis vom genannten Abgaben zu Grunde liegenden Bescheide. Es sei über die Anträge auf Übermittlung der Bescheide in slowenischer Sprache noch nicht entschieden worden, daher seien die Bescheide noch nicht wirksam erlassen worden. Gleichzeitig erhob er in demselben Schriftsatz auch Einwendungen gemäß § 35 EO.

1.2. Da über seine Anträge nicht entschieden wurde, stellte der Beschwerdeführer am einen Antrag auf "Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung auf das sachlich zuständige höhere Organ, dies ist der Gemeinderat" (mit der Beschwerde wurde eine beglaubigte Übersetzung des Devolutionsantrages vom vorgelegt).

1.3. Im selben Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer auch einen auf § 311 BAO gestützten Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung hinsichtlich seines Einspruches nach § 35 EO.

1.4. Mit der am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde machte der Beschwerdeführer einerseits die Säumnis des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See und andererseits die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeindevorstand der Gemeinde St. Kanzian am Klopeinersee geltend. Aus der Begründung der Beschwerde ergibt sich, dass in der Angelegenheit Berufung gegen die Abgabenbescheide die Säumnis des Gemeinderats (insoweit wurde die Beschwerde zur hg. Zl. 2011/17/0166 protokolliert) und hinsichtlich der Einwendungen gegen den Rückstandsausweis gemäß § 35 EO die Säumnis des Gemeindevorstands (insoweit wurde die Beschwerde zur hg. Zl. 2011/17/0177 protokolliert) geltend gemacht wird.

1.5. Mit Verfügung vom forderte der Verwaltungsgerichtshof die belangten Behörden auf, binnen drei Monaten jeweils den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an die beschwerdeführende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

1.6. Mit Schriftsatz vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass am die "in der Anlage befindlichen Bescheide" sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache zugestellt worden seien. Die belangte Behörde sei "damit der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes laut Beschluss vom nachgekommen".

Dem Schreiben sind je zwei Ausfertigungen eines Bescheids vom in slowenischer und in deutscher Sprache angeschlossen.

1.7. Mit Schreiben vom legte auch die Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See, vertreten durch den Bürgermeister, den Bescheid des Gemeindevorstandes vom (in slowenischer und deutscher Sprache) vor. In diesem Schreiben weist die Gemeinde auch darauf hin, dass der Devolutionsantrag nur in slowenischer Sprache eingebracht worden sei. Da zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde erster Instanz keine gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung der slowenischen Sprache als Amtssprache bestanden habe, sei ein Verbesserungsauftrag, das Anbringen auch in deutscher Sprache einzubringen, erteilt worden.

1.8. Mit dem nunmehr vorgelegten Bescheid vom sprach der Gemeindevorstand der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See über die "Berufungen gegen die Abgabenbescheide des Bürgermeisters der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See vom , und " ab und wies die Berufungen als unbegründet ab. Als Rechtsgrundlage wurde § 289 BAO, "LGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung des Gesetzes BGBl. I Nr. 76/2011", angegeben.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Säumnisbeschwerde einerseits die Säumnis des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See in der Angelegenheit seiner Berufungen gegen Abgabenbescheide, andererseits die Säumnis des Gemeindevorstands der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See hinsichtlich seiner Einwendungen gemäß § 35 EO geltend gemacht.

2.2. Mit dem nunmehr vorgelegten Bescheid vom hat der Gemeindevorstand der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See meritorisch über die Berufungen gegen die Abgabenbescheide entschieden.

Der Beschwerdeführer hatte in der zur hg. Zl. 2011/17/0166 protokollierten Säumnisbeschwerde die Säumnis des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See geltend gemacht, weil er am infolge Säumnis über seine Berufung gegen Abgabenbescheide einen Devolutionsantrag eingebracht hatte.

Über diesen Devolutionsantrag wurde vom Gemeinderat aus den oben wiedergegebenen Gründen (siehe Punkt 1.7.) nicht entschieden. Der Gemeindevorstand (also nicht die im Verfahren zur Zl. 2011/17/0166 belangte Behörde) hat jedoch nunmehr in der Abgabensache eine Entscheidung über die eingebrachten Berufungen getroffen.

2.3. § 33 Abs. 1 VwGG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt auch dann vor, wenn auf andere Weise als durch formelle Klaglosstellung das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen ist (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom , Zl. 89/08/0143, vom , Zl. 90/08/0115, oder vom , Zl. 2005/10/0084). Dies gilt nach der Rechtsprechung auch im Falle einer Säumnisbeschwerde (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom , Zl. 2004/21/0230, vom , Zl. 2006/09/0061, und vom , Zl. 2008/06/0175).

Mit der Erlassung des oben genannten Bescheides des Gemeindevorstandes wurde zwar nicht über jenen Antrag entschieden, hinsichtlich dessen die Säumnis mit der vorliegenden Beschwerde geltend gemacht wurde, es wurde aber die vom Beschwerdeführer angestrebte Sachentscheidung in seiner Abgabensache getroffen.

Das Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung über den Devolutionsantrag, welches auf die Erlassung des Berufungsbescheides gerichtet ist, ist damit fortgefallen. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit vor.

2.4. Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

2.5. Zur Entscheidung über den Aufwandersatz:

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 Abs. 1 und § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG kommt bei der Einstellung wegen einer sonstigen Gegenstandslosigkeit nicht zum Tragen (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/06/0199).

2.5.1. Zunächst ist zur grundsätzlichen Möglichkeit eines Devolutionsantrags und zu der sich daraus ergebenden Entscheidungspflicht der belangten Behörde in der vorliegenden Abgabensache Folgendes zu bemerken:

Der gegenständliche Devolutionsantrag wurde am bezüglich der Säumnis mit der Entscheidung über eine am eingebrachte Berufung erhoben. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Devolutionsantrages war daher die BAO anzuwenden (vgl. § 323a Abs. 1 Z 1 BAO).

Gemäß § 311 Abs. 2 BAO kann jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag), wenn Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu seiner amtswegigen Erlassung bekanntgegeben werden.

Einen Devolutionsantrag im Falle der Säumnis der Behörde zweiter Instanz sieht die BAO nicht vor (vgl. Ellinger inEllinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 311 Anm. 22, und zur vergleichbaren früheren Rechtslage nach der Kärntner LAO das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0097, sowie zur daraus folgenden Konsequenz für das Säumnisbeschwerdeverfahren Köhler, Die Säumnisbeschwerde, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 1999, 77 (95)). Der Devolutionsantrag wäre daher von der Behörde, an die er gerichtet war, zurückzuweisen gewesen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/17/0170, und vom , Zl. 2009/17/0097).

Auf Grund der Einbringung des Devolutionsantrags vom wäre somit grundsätzlich die Entscheidungspflicht des Gemeinderats der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See eingetreten, wenngleich der unzulässige Devolutionsantrag zurückzuweisen gewesen wäre. Auch die Säumnis einer Behörde mit der Erlassung eines Zurückweisungsbescheides kann nach der ständigen hg. Rechtsprechung mit Säumnisbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. zur Verpflichtung der Behörden zur Zurückweisung unzulässiger Anträge das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9458/A, und beispielsweise den hg. Beschluss vom , Zl. 2003/17/0196).

2.5.2. Zum Einwand der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe auf einen Verbesserungsauftrag, das Anbringen auch in deutscher Sprache vorzulegen, nicht reagiert, ist Folgendes auszuführen:

Auch dieser Einwand vermag nichts an der Kostentragungspflicht der Gemeinde zu ändern.

Auch die Erteilung eines Verbesserungsauftrages enthob die belangte Behörde nämlich nicht der Verpflichtung, im Falle des ungenützten Verstreichens der gesetzten Frist gemäß § 85 Abs. 2 BAO einen sogenannten Zurücknahmebescheid zu erlassen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar4, § 85 BAO Rz 18).

2.5.3. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass selbst unter der Annahme, dass der von der belangten Behörde erteilte Verbesserungsauftrag zulässig war, eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde hinsichtlich des Devolutionsantrags bestand, sodass im Beschwerdefall nicht abschließend zu klären

war, ob ein Zurücknahmebescheid im Sinne des Punktes 2.5.2. oder ein Zurückweisungsbescheid im Sinne des Punktes 2.5.1. zu erlassen gewesen wäre.

Wien, am

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Normen
BAO §311;
BAO §85 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1 Satz1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §55 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2
Säumnisbeschwerde Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2011170166.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-51848