VwGH 29.09.2011, 2011/16/0141
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VwGG §46; |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat als letzte Instanz zu entscheiden. Ein Verfahren zur Überprüfung seiner Entscheidungen ist nicht vorgesehen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , 95/02/0577). Auch die im § 46 VwGG vorgesehene Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nicht der Überprüfung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel ihrer allfälligen Korrektur. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2007/15/0166 B RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Aus den verfassungsrechtlichen Normen ist eindeutig zu ersehen, dass der Verfassungsgesetzgeber einem Beschwerdeführer die Möglichkeit einräumt, nach Abweisung oder Ablehnung der Behandlung seiner Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof die Abtretung eben dieser Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu beantragen. Damit räumt der Verfassungsgesetzgeber dem Beschwerdeführer aber nicht die Möglichkeit ein, in solchen Fällen (auch nach Ablauf der sonst offen stehenden Frist) eine eigene oder neuerliche Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben, sondern betrachtet die vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene und abgetretene Beschwerde als vom Verwaltungsgerichtshof zu behandelnde Beschwerde. |
Normen | |
RS 3 | Der Verfassungsgesetzgeber und auch der einfache Gesetzgeber haben klar normiert, dass es sich bei einer auf Antrag des Beschwerdeführers vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde um ein und dieselbe Beschwerde handelt, und nicht die Möglichkeit eingeräumt, bei Ablehnung der Behandlung oder bei Abweisung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof eine eigene (neuerliche) Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über den Antrag des Ing. J in P, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25/III, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur vollständigen Mängelbehebung in dem eine Angelegenheit der Haftung nach §§ 9 und 80 BAO betreffenden hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2011/16/0054 (vormals Zl. 2007/13/0159), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom , GZ. RV/1777-W/06, zog der unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Wien, den Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten einer P. GmbH heran.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.
Mit Beschluss vom lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vor ihm erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof forderte den Beschwerdeführer mit Berichterverfügung vom , Zl. 2007/13/0159-3, auf, dieser (abgetretenen) Beschwerde anhaftende Mängel zu beheben und u. a. das Recht, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet, bestimmt zu bezeichnen (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass die Versäumung der dafür gesetzten Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.
Der Beschwerdeführer brachte einen mit datierten Schriftsatz ein, den er als Beschwerde bezeichnete.
Mit Berichterverfügung vom leitete der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren ein.
Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit Beschluss vom , Zl. 2011/16/0054-9 (vormals 2007/13/0159) das Verfahren ein und begründete dies damit, dass mit dem im erwähnten Schriftsatz vom angeführten "Recht auf richtige Rechtsanwendung" der Beschwerdeführer das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, nicht bestimmt im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG bezeichnet hat und ein abstraktes Recht auf "richtige Rechtsanwendung" nicht besteht. Mit der im erwähnten Schriftsatz angegebenen Verletzung im Recht auf ein mangelfreies oder ordnungsgemäßes Verfahren wurde dem Mängelbehebungsauftrag zur bestimmten Bezeichnung der Beschwerdepunkte ebenfalls nicht entsprochen.
Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Beschwerdeführer führt im Wiedereinsetzungsantrag aus, "die sprachliche Formulierung" im Schriftsatz vom sei "unschön" gewesen, habe aber zum Ausdruck gebracht, welcher Beschwerdepunkt zu prüfen sei. Damit geht der Beschwerdeführer offenbar davon aus, dass dem Mängelbehebungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes entsprochen worden wäre. Träfe dies zu, hätte der Beschwerdeführer die Frist zur Behebung der seiner Beschwerde anhaftenden Mängel aber nicht versäumt, weshalb ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits begrifflich nicht in Frage käme und schon deshalb abzuweisen wäre (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/13/0213).
Inhaltlich bekämpft der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen aber die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im erwähnten Beschluss vom . Damit verkennt der Beschwerdeführer aber, dass ein Verfahren zur Überprüfung der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgesehen ist und die in § 46 VwGG vorgesehene Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der Überprüfung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel ihrer allfälligen Korrektur dient (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/15/0166).
Der Beschwerdeführer trägt im Wiedereinsetzungsantrag auch vor, die Vorgabe des Verwaltungsgerichtshofes gar nicht missachtet zu haben. "Normalerweise" werde ein Mängelbehebungsauftrag erst dann erteilt, wenn ein Beschwerdeführer eine Eingabe eingebracht habe. Mangelhaft könne nach dem Sprachsinn nur etwas sein, was überhaupt schon vorliege und für den Verwaltungsgerichtshof als Beschwerde bestimmt gewesen sei. Kein Mandant gebe eine Beschwerde "beim" Verfassungsgerichtshof in Auftrag und lasse gleichzeitig "eine volle VwGH-Beschwerde für den Eventualfall einer Abtretung" verfassen. Beschwerden seien auch "bei dem Adressatengericht einzubringen" und "eine Einbringung beim VfGH galt noch nie als Einbringung beim VwGH". Ohne Einbringung eines Schriftsatzes könne daher auch der Verwaltungsgerichtshof nicht davon ausgehen, dass eine Beschwerde vorliege. Es könne auch dem Vertreter eines Beschwerdeführers nicht unterstellt werden, bereits einen Mangel verursacht zu haben, wenn noch gar kein Schriftsatz beim zuständigen Gericht eingebracht worden sei.
Diese Ausführungen verkennen die Rechtslage grundlegend.
Nach Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet wird. Dass solche Beschwerden auch beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden müssten, ist dem B-VG nicht zu entnehmen.
Demgegenüber erkennt gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung näher bezeichneter Normen in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Der Verfassungsgerichtshof kann gemäß Art. 144 Abs. 2 leg. cit. in dort näher umschriebenen Fällen die Behandlung einer Beschwerde ablehnen. Findet der Verfassungsgerichtshof, dass durch den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde ein Recht im Sinne des Art. 144 Abs. 1 B-VG nicht verletzt wurde, so hat der Verfassungsgerichtshof von hier nicht interessierenden Fällen abgesehen, auf Antrag des Beschwerdeführers die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde, dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Dies gilt sinngemäß bei Beschlüssen auf Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde nach Art. 144 Abs. 2 B-VG.
Aus diesen verfassungsrechtlichen Normen ist eindeutig zu ersehen, dass der Verfassungsgesetzgeber einem Beschwerdeführer die Möglichkeit einräumt, nach Abweisung oder Ablehnung der Behandlung seiner Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof die Abtretung eben dieser Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu beantragen. Damit räumt der Verfassungsgesetzgeber dem Beschwerdeführer aber nicht die Möglichkeit ein, in solchen Fällen (auch nach Ablauf der sonst offen stehenden Frist) eine eigene oder neuerliche Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben, sondern betrachtet die vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene und abgetretene Beschwerde als vom Verwaltungsgerichtshof zu behandelnde Beschwerde.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGG sind u.a Beschwerden unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Lehnt der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde ab oder weist er die Beschwerde ab, so hat gemäß § 87 Abs. 3 VfGG, wenn bis dahin ein darauf abzielender Antrag des Beschwerdeführers gestellt worden ist, der Verfassungsgerichtshof, wenn dieser Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gestellt wird, der Referent, auszusprechen, dass die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wird, sofern nicht die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nach Art. 133B-VG ausgeschlossen ist.
Der Gesetzgeber sieht daher zwei Möglichkeiten vor, eine Beschwerde vor den Verwaltungsgerichtshof zu bringen: einerseits die Erhebung der Beschwerde unmittelbar vor dem Verwaltungsgerichtshof (§ 24 Abs. 1 VwGG) und andererseits die Abtretung einer vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde aufgrund eines Antrages des Beschwerdeführers (§ 87 Abs. 3 VfGG).
Folgerichtig legt § 24 Abs. 3 Z. 1 VwGG fest, dass die Gebührenpflicht
für Beschwerden und
- unbeschadet der Pflicht zur Entrichtung der Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG - für Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG, die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten worden sind,
besteht.
Die Gebührenschuld entsteht dementsprechend nach § 24 Abs. 3 Z 4 VwGG im Fall des § 24 Abs. 3 Z 1 lit. a (unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerden) im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe, im Fall der des § 24 Abs. 3 Z 1 lit. b (im Fall der vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden) im Zeitpunkt des Einlangens der (abgetretenen) Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.
Somit haben der Verfassungsgesetzgeber und auch der einfache Gesetzgeber klar normiert, dass es sich bei einer auf Antrag des Beschwerdeführers vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde um ein und dieselbe Beschwerde handelt, und nicht die Möglichkeit eingeräumt, bei Ablehnung der Behandlung oder bei Abweisung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof eine eigene (neuerliche) Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Ausgehend von dieser Rechtslage muss aber auch eine vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene und auf Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde die Voraussetzungen einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erfüllen und dazu nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die bestimmte Bezeichnung des Rechtes, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet - Beschwerdepunkte - enthalten. Erfüllt eine solche abgetretene Beschwerde diese Voraussetzungen nicht, erteilt der Verwaltungsgerichtshof einen Auftrag zur Behebung der einer solchen Beschwerde anhaftenden Mängel. Dies ist auch im Beschwerdefall erfolgt.
Die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag, kein Mandant gebe eine Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof in Auftrag und lasse gleichzeitig "eine volle VwGH-Beschwerde für den Eventualfall einer Abtretung verfassen", widerspricht insoweit den gerichtsnotorischen Tatsachen, als dem Verwaltungsgerichtshof durchaus Beschwerden vom Verfassungsgerichtshof abgetreten werden, welche mit den Worten des Beschwerdeführers "als volle VwGH-Beschwerden formuliert" sind und zu denen kein Mängelbehebungsauftrag vom Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist. Dass dies nicht der Regelfall sein mag und auch der Gesetzgeber dem Rechnung trägt, indem er einen solchen Antrag auf Abtretung einer Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes einräumt (§ 87 Abs. 3 VfGG) mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass nach der dargelegten Rechtslage die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde in einer Vielzahl von Fällen eben für die Behandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof mangelhaft ist und einer Verbesserung bedarf.
Der Beschwerdeführer hält es für eine "vertretbare Rechtsauffassung" und für "keine Sorglosigkeit", wenn sein Vertreter erwartet habe, bei allfälliger Beanstandung (sc.: des Schriftsatzes vom ) noch einen Mängelbehebungsauftrag "in der Sache" zu erhalten. Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, er habe irrtümlich angenommen, mit seiner Formulierung im Schriftsatz vom dem Mängelbehebungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom entsprochen zu haben, ist ihm entgegenzuhalten, dass ein allfälliger Rechtsirrtum, auch ein allfälliger Irrtum eines Parteienvertreters betreffend die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2004/16/0044, mwN).
Der Antrag war daher abzuweisen.
Wien, am
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Normen | B-VG Art130 Abs1 lita; B-VG Art144 Abs1; B-VG Art144 Abs2; B-VG Art144 Abs3; VerfGG 1953 §87 Abs3; VwGG §24 Abs3 Z1 litb; VwGG §24 Abs3 Z4; VwGG §46; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2011160141.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-51840