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VwGH 15.09.2011, 2011/15/0062

VwGH 15.09.2011, 2011/15/0062

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VwGG §34 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z2;
RS 1
Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VwGG auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer im VwGG vorgesehenen Frist beruht. Der Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung liegt auch vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof in einem Einstellungsbeschluss zu Unrecht angenommen hat, dass einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Auftrag zur Mängelbehebung nicht voll entsprochen worden sei (vgl. den hg. Beschluss vom , 2008/16/0176). Dabei bezieht sich dieser Wiederaufnahmegrund aber ausschließlich auf Sachverhaltselemente, nicht auf die rechtliche Beurteilung (vgl. den hg. Beschluss vom , 92/08/0176, sowie Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 637). Hat ein Beschwerdeführer durch eine undeutliche, irreführende Beantwortung eines Ergänzungsauftrages die Annahme der Fristversäumnis verschuldet, ist keine Wiederaufnahme zulässig (vgl. nochmals Dolp, aaO, 639).
Normen
VwGG §41 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z4;
RS 2
Es entspricht der hg. Rechtsprechung zu der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG, dass dann, wenn der VwGH keine eigenständigen Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat, vom Gerichtshof hiezu kein Parteiengehör zu gewähren gewesen wäre (Hinweis B , 2002/03/0156).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/02/0301 B RS 1
Norm
VwGG §45 Abs1 Z4;
RS 3
Die rechtliche Beurteilung durch den VwGH in der das Beschwerdevorbringen abschließenden Erledigung ist nicht Gegenstand des Parteiengehörs im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG (Hinweis B , 86/10/0169, 0170, 0171, und B , 2001/03/0044).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/02/0301 B RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über den Antrag des H P in L, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/15/0125, eingestellten Beschwerdeverfahrens, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Der Antragsteller erhob gegen einen Bescheid des unabhängigen Finanzsenates betreffend Kapitalertragsteuer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit Verfügung vom forderte der Verwaltungsgerichtshof den Antragsteller gemäß § 34 Abs. 2 VwGG auf, die Beschwerde innerhalb von vier Wochen zur Behebung von ihr anhaftenden Mängeln zu ergänzen. Dabei wurde der Antragsteller aufgefordert,

-

das Recht, in dem er verletzt zu sein behauptet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), bestimmt zu bezeichnen,

-

die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG), anzuführen und

-

ein bestimmtes Begehren iSd § 42 Abs. 2 VwGG (§ 28 Abs. 1 Z 6 VwGG) zu stellen.

Der Beschwerdeführer brachte sodann einen Mängelbehebungsschriftsatz ein, welcher einerseits den Text der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Urbeschwerde enthält und andererseits "zur Mängelbehebung" mehrere Bereiche in Kursivschrift. Statt der in der Urbeschwerde wie folgt lautenden Passage:

"Durch den beschwerdegegenständlichen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen verfassungsgesetzlich (mit

Artikel 7 B-VG; 18 B-VG und Artikel 6 StGG) gewährleisteten Rechten, verletzt. Ferner erachtet sich der Beschwerdeführer wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (UStG, weil es jeglicher Regelungen hinsichtlich in Österreich nur als selbständig Erwerbstätiger ausübbarer Prostitution entbehrt) verletzt"

enthält der Mängelbehebungsschriftsatz (auf Seite 6) die Passsage:

"Durch den beschwerdegegenständlichen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Sinne von § 42 Abs 2 Z 1 VwGG sowie wegen Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG in ihren Rechten verletzt".

Mit Beschluss vom stellte der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG mit der Begründung ein, dass dem Auftrag auf Anführung des Beschwerdepunktes nicht zur Gänze entsprochen, der Mängelbehebungsauftrag sohin nur teilweise erfüllt worden sei. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am zugestellt.

Mit Eingabe vom beantragte der Antragsteller, das eingestellte verwaltungsgerichtliche Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 und 4 VwGG wieder aufzunehmen. Zur Begründung brachte der Antragsteller vor, der Mängelbehebungsschriftsatz enthalte nicht nur auf Seite 6 eine kursiv geschriebene Passage. Es gebe einige weitere kursiv geschriebene Sätze auf den Seiten 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15; diesen Stellen könne ein Beschwerdepunkt entnommen werden. Damit sei der Mängelbehebungsauftrag (zur Gänze) erfüllt worden. Es habe also eine irrige Annahme der Versäumung der Mängelbehebungsfrist vorgelegen. Aus advokatorischer Vorsicht werde zudem der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemacht und eingewendet, es liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor, weil die kursiv geschriebenen Stellen auf den Seiten 6 bis 15 des Mängelbehebungsschriftsatzes keine Beachtung gefunden hätten.

Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VwGG auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer im VwGG vorgesehenen Frist beruht. Der Wiederaufnahmegrund nach dieser Bestimmung liegt auch vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof in einem Einstellungsbeschluss zu Unrecht angenommen hat, dass einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Auftrag zur Mängelbehebung nicht voll entsprochen worden sei (vgl. den hg. Beschluss vom , 2008/16/0176). Dabei bezieht sich dieser Wiederaufnahmegrund aber ausschließlich auf Sachverhaltselemente, nicht auf die rechtliche Beurteilung (vgl. den hg. Beschluss vom , 92/08/0176, sowie Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 637). Hat ein Beschwerdeführer durch eine undeutliche, irreführende Beantwortung eines Ergänzungsauftrages die Annahme der Fristversäumnis verschuldet, ist keine Wiederaufnahme zulässig (vgl. nochmals Dolp, aaO, 639).

Der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 2 VwGG liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Ohne Zweifel ist dem Verwaltungsgerichtshof der Mängelbehebungsschriftsatz zur Gänze, und nicht bloß die Seite 6 vorgelegen. Solcherart ist im Einstellungsbeschluss auch von ergänzenden, in Kursivschrift gesetzten Bereichen des Mängelbehebungsschriftsatzes die Rede. Sowohl hinsichtlich der zunächst fehlenden Gründe, auf welche sich die Rechtswidrigkeit stützt, wie auch hinsichtlich des zunächst fehlenden Begehrens iSd § 42 Abs. 2 VwGG ist der Mängelbehebungsauftrag mit dem in Rede stehenden Mängelbehebungsschriftsatz erfüllt worden.

Aus der Darstellung im Mängelbehebungsschriftsatz hat sich aber ergeben, dass das Recht, in welchem sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet, durch die oben wiedergegebene Passage festgelegt wird. Der Einstellungsbeschluss vom geht von der Rechtsauffassung aus, dass, wenn das Recht, in welchem sich ein Beschwerdeführer verletzt erachtet, unmissverständlich festgelegt wird, eine Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht vorzunehmen ist (vgl. etwa die hg. Entscheidungen vom , 2007/13/0153, und vom , 2010/16/0144 und 2010/16/0156).

Die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 45 Abs. 1 Z 2 VwGG bietet keine Handhabe, eine der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde liegende Rechtsansicht bekämpfen zu können (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom , 92/08/0176).

Auch der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG liegt nicht vor. Es entspricht nämlich der hg. Rechtsprechung zu der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG, dass dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof keine eigenständigen Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat, vom Gerichtshof kein Parteiengehör zu gewähren ist. Die rechtliche Beurteilung durch den Gerichtshof in der das Beschwerdevorbringen abschließenden Erledigung ist nicht Gegenstand des Parteiengehörs im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG (vgl. den hg. Beschluss vom , 2007/14/0001).

Dem Wiederaufnahmeantrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VwGG §34 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §45 Abs1 Z4;
Schlagworte
Frist
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2011150062.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-51830

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