VwGH 26.06.2013, 2011/01/0228
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | B-VG Art132; VwGG §27; |
RS 1 | Art 132 B-VG gewährt Rechtsschutz in den Fällen, in denen jemand einen Rechtsanspruch darauf hat, dass eine Verwaltungsbehörde einen Bescheid erlässt; die Säumnisbeschwerde schützt den Einzelnen vor behördlicher Untätigkeit in der Hoheitsverwaltung (Hinweis B vom , 2006/12/0140, mwH). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/03/0070 B RS 1 |
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RS 2 | Im Verfahren vor Behörden, die das AVG nicht anzuwenden haben, sind die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0062). Aus dem Umstand, dass die Rechtsanwaltskammern als gesetzliche berufliche Vertretungen in ihrem Verfahren das AVG nicht anzuwenden haben, folgt u.a., dass die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG bei Säumigkeit mit der Entscheidung über einen in diesem Selbstverwaltungsbereich gestellten Antrag ausscheidet (vgl. das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom zu den Notariatskammern). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer an die belangte Behörde (den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer/Plenum) einen Devolutionsantrag gestellt. Dieser Antrag war, da § 73 AVG im Verfahren vor den Organen der Wiener Rechtsanwaltskammer nicht gilt, nicht zulässig. Ein unzulässiger Devolutionsantrag bewirkt keinen Übergang der Zuständigkeit in der betreffenden Angelegenheit auf die bezogene Behörde. Für die belangte Behörde hat daher hinsichtlich des Antrages des Bf keine Entscheidungspflicht bestanden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2007/06/0149 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Pitsch, in der Beschwerdesache des Dr. H in W, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dannebergplatz 6/4/4, gegen den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Altersrente, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat (mit Wirkung vom ) auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet und bezieht (seit ) eine Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien.
Die Abteilung VI des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien hat mit Beschluss vom die Altersrente des Beschwerdeführers mit Wirkung vom auf monatlich EUR 182,42 (brutto) neu festgesetzt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) hat mit Beschluss vom dieser Vorstellung (des Beschwerdeführers) Folge gegeben und die Sache an die Abteilung VI "zur neuerlichen Behandlung und Beschlussfassung zurückverwiesen".
Mit der am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, der "Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien" (belangte Behörde) sei seiner Entscheidungspflicht nicht nachgekommen. Er bringt vor, die Abteilung VI des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien sei (seit Zustellung des Zurückverweisungsbeschlusses) untätig geblieben. Deshalb habe er am "Devolution an die Oberbehörde, den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien" beantragt; der Devolutionsantrag sei am bei der belangten Behörde eingetroffen.
Die belange Behörde sei die oberste Behörde, die im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen habe werden können. Seit Eintreffen des Devolutionsantrages habe die belangte Behörde "nicht in der Sache entschieden". Der Beschwerdeführer stellte in der Säumnisbeschwerde abschließend den Antrag, "der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen".
Nach Ausweis der (von der belangten Behörde) vorgelegten Verwaltungsakten hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung VI, am , GZ 5199/2008, folgenden Beschluss gefasst:
"Die Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, von Herrn Dr. H, em. Rechtsanwalt, wohnhaft in H, wird auf Grund der Ergebnisse des Jahresabschusses 2008 neu festgesetzt und beträgt seit nach Abzug der Verwaltungskosten EUR 182,42 p.m. (brutto)." Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am (nachweislich) zugestellt.
Zu diesem (nach Einbringung der Säumnisbeschwerde) ergangenen Beschluss der Abteilung VI der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes aus, diese am (von ihm) übernommene Entscheidung sei mit Nichtigkeit behaftet, weil sie von der unzuständigen Behörde erster Instanz getroffen worden sei. Die an die Behörde zweiter Instanz übergegangene Entscheidungspflicht könne die Behörde erster Instanz nicht rechtswirksam erfüllen. Der Beschwerdeführer wiederholte in seinen weiteren Schriftsätzen (vom , und ) seinen Antrag, "der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen".
Die Säumnisbeschwerde ist nicht zulässig.
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Art. 132 B-VG gewährt Rechtsschutz in den Fällen, in denen jemand einen Rechtsanspruch darauf hat, dass eine Verwaltungsbehörde einen Bescheid erlässt; die Säumnisbeschwerde schützt den Einzelnen vor behördlicher Untätigkeit in der Hoheitsverwaltung (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 2009/03/0070; und vom , Zl. 2012/03/0155, mwN).
Gemäß Art. I Abs. 2 Z. 27 EGVG (BGBl. I Nr. 87/2008 idF BGBl. I Nr. 20/2009 und 22/2013) ist im Verfahren der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen das AVG nicht anwendbar. Im Verfahren vor Behörden, die das AVG nicht anzuwenden haben, sind die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0062).
Die Rechtsanwaltskammern als gesetzliche berufliche Vertretungen haben das AVG in ihrem Verfahren nicht anzuwenden. Die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG bei Säumigkeit mit der Entscheidung über einen in diesem Selbstverwaltungsbereich gestellten Antrag scheidet daher aus. Der (am ) an die belangte Behörde gestellte Devolutionsantrag des Beschwerdeführers war, da § 73 AVG im Verfahren vor den Organen der Wiener Rechtsanwaltskammer nicht gilt, nicht zulässig. Dieser unzulässige Devolutionsantrag bewirkte keinen Übergang der Zuständigkeit in der betreffenden Angelegenheit auf die damit angerufene Behörde. Für die belangte Behörde hat hinsichtlich der Angelegenheit der Festsetzung (Herabsetzung) der Altersrente des Beschwerdeführers daher keine Entscheidungspflicht bestanden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0149).
Die vorliegende Säumnisbeschwerde richtete sich allein darauf, die belangte Behörde habe "in der Sache" nicht entschieden, bzw. der Verwaltungsgerichtshof möge "in der Sache selbst" entscheiden. Mangels Entscheidungspflicht der belangten Behörde "in der Sache" war die Säumnisbeschwerde aber schon aus diesem Grund zurückzuweisen (vgl. das oben genannte Erkenntnis Zl. 2007/06/0149).
Die vorliegende Säumnisbeschwerde war somit mangels einer Entscheidungspflicht der belangten Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mangels gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2 Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2011010228.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-51802