VwGH 15.03.2012, 2010/06/0133
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | B-VG Art116; B-VG Art118; B-VG Art119a Abs9; GdG Vlbg 1985 §81; GdG Vlbg 1985 §85; GdG Vlbg 1985 §92 Abs5; |
RS 1 | Das in Art. 119a B-VG vorgesehene Aufsichtsrecht des Bundes und der Länder über die Gemeinden bezieht sich auf den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden (siehe dazu Art. 118 B-VG). Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen (Hinweis B vom , 2002/06/0210). Dem entspricht § 92 Abs. 5 Vlbg GdG 1985, wie im Vlbg GdG 1985 (§§ 81 ff) überhaupt die aufsichtsbehördlichen Befugnisse des Landes in Bezug auf den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden geregelt sind (u.a. in § 85 Vlbg GdG 1985 die Befugnis, rechtskräftige Bescheide der Gemeinde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen aufzuheben). |
Normen | AVG §66 Abs4; B-VG Art116 Abs1; B-VG Art119a Abs9; GdG Vlbg 1985 §85 Abs1 litd; GdG Vlbg 1985 §92 Abs1; GdG Vlbg 1985 §92 Abs5; RPG Vlbg 1996 §35 Abs3; VwGG §34 Abs1; |
RS 2 | Die Bezirkshauptmannschaft hob den Bescheid des Bürgermeisters der bf Gemeinde gemäß § 85 Abs. 1 lit. d iVm § 92 Abs. 1 Vlbg GdG 1985 auf. In weiterer Folge hob die Landesregierung den bekämpften aufsichtsbehördlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos auf. Ein die Gemeinde in ihrem Recht auf Selbstverwaltung belastender aufsichtsbehördlicher Bescheid liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde vielmehr ein die Gemeinde in diesem Sinne belastender Bescheid, mit dem ein im eigenen Wirkungsbereich erlassener Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde in Ausübung aufsichtsbehördlicher Befugnisse gemäß § 85 Abs. 1 lit. d Vlbg GdG 1985 i.V.m. § 35 Abs. 3 Vlbg RPG 1996 aufgehoben wurde, ersatzlos behoben. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde somit ein erfolgter Eingriff in das Verwaltungshandeln eines Gemeindeorganes im eigenen Wirkungsbereich wieder beseitigt. Die Beschwerde war daher mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit der bf Gemeinde zurückzuweisen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie den Hofrat Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der Gemeinde A, vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Marktplatz 9, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. VIIa-81.580, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung gemäß § 35 Abs. 3 Vbg RPG (mitbeteiligte Parteien: 1. R R und 2. M R, beide in A, beide vertreten durch Hämmerle & Häusle Rechtsanwaltskanzlei in 6850 Dornbirn, Riedgasse 20/III), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und den mitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligten zeigten mit Eingabe vom bei der beschwerdeführenden Gemeinde die Errichtung eines Maschendrahtzaunes entlang des A-Weges in einer Höhe von 1,80 m auf den Grundstücken Nr. 3811, 3812, 3813 und 3814, KG F., an.
Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde erteilte der angezeigten Errichtung einer Einfriedung auf den angeführten Grundstücken mit Bescheid vom nach Maßgabe der Plan- und Beschreibungsunterlagen gemäß § 33 Abs. 2 Vbg. BauG die Freigabe (Spruchpunkt I.).
Die Bezirkshauptmannschaft F hob mit Bescheid vom den angeführten Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom gemäß § 85 Abs. 1 lit. d i.V.m. § 92 Abs. 1 Vbg. GemeindeG (GG.) auf. Sie begründete dies insbesondere damit, dass der Bescheid gegen eine Bestimmung des geltenden Bebauungplanes verstoße und daher gemäß § 35 Abs. 3 Vbg. RaumplanungsG (RPG) ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht sei.
Die Mitbeteiligten erhoben dagegen Berufung.
Die belangte Behörde hob den bekämpften aufsichtsbehördlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos auf. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Nichtigkeitsdrohung des § 35 Abs. 3 Vbg. RaumplanungsG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 35/2008 (also im Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Freigabebescheides) nur Baubewilligungen erfasst habe. Eine rückwirkende Anwendung dieser mit der angeführten Novelle geänderten Bestimmung sei nicht zulässig.
Die Beschwerde ist nicht zulässig:
Art. 116 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 119a Abs. 9 B-VG gewährleistet der Gemeinde ein subjektives Recht auf Selbstverwaltung und auf Beschwerdeführung gegen aufsichtsbehördliche Bescheide und demzufolge einen Abwehranspruch gegenüber rechtswidrigen aufsichtsbehördlichen Verwaltungsakten. Das in Art. 119a B-VG vorgesehene Aufsichtsrecht des Bundes und der Länder über die Gemeinden bezieht sich auf den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden (siehe dazu Art. 118 B-VG). Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2002/06/0210). Dem entspricht § 92 Abs. 5 GG., wie im GG. (§§ 81 ff) überhaupt die aufsichtsbehördlichen Befugnisse des Landes in Bezug auf den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden geregelt sind (u.a. in § 85 GG. die Befugnis, rechtskräftige Bescheide der Gemeinde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen aufzuheben).
Jede Gemeinde ist sohin berechtigt, gegen sie belastende aufsichtsbehördliche Bescheide mittels Bescheidbeschwerde den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, sie macht dabei ein subjektives Recht geltend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/06/0146).
Ein die Gemeinde in ihrem Recht auf Selbstverwaltung belastender aufsichtsbehördlicher Bescheid liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde vielmehr ein die Gemeinde in diesem Sinne belastender Bescheid, mit dem ein im eigenen Wirkungsbereich erlassener Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde in Ausübung aufsichtsbehördlicher Befugnisse gemäß § 85 Abs. 1 lit. d GG. i.V.m. § 35 Abs. 3 RPG aufgehoben wurde, ersatzlos behoben. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde somit ein erfolgter Eingriff in das Verwaltungshandeln eines Gemeindeorganes im eigenen Wirkungsbereich wieder beseitigt.
Die Beschwerde war daher mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit der beschwerdeführenden Gemeinde durch den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 49 Abs. 6 VwGG i.V. m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die von den Mitbeteiligten durch denselben Rechtsvertreter jeweils erstattete Stellungnahme stimmen im Übrigen inhaltlich überein.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §66 Abs4; B-VG Art116 Abs1; B-VG Art116; B-VG Art118; B-VG Art119a Abs9; GdG Vlbg 1985 §81; GdG Vlbg 1985 §85 Abs1 litd; GdG Vlbg 1985 §85; GdG Vlbg 1985 §92 Abs1; GdG Vlbg 1985 §92 Abs5; RPG Vlbg 1996 §35 Abs3; VwGG §34 Abs1; |
Schlagworte | Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Verhältnis zu anderen Materien und Normen Aufsichtsbehördliches Verfahren (siehe auch Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen) |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2010060133.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-51737