VwGH 24.06.2010, 2009/16/0312
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | 12010E267 AEUV Art267; 31992R2913 ZK 1992 Art137; 31992R2913 ZK 1992 Art204 Abs1 lita; 31992R2913 ZK 1992 Art204 Abs3; 31992R2913 ZK 1992 Art215; 31993R2454 ZKDV 1993 Art232; 31993R2454 ZKDV 1993 Art501 Abs3 litc; 31993R2454 ZKDV 1993 Art555 Abs1 litc idF 32001R0993; 31993R2454 ZKDV 1993 Art558 Abs1 idF 32001R0993; 31993R2454 ZKDV 1993 Art670; 32001R0993 Nov-31993R2454; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art30; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art60; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art61; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art70; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art71 Abs1; GütbefG 1995 §7 Abs1; GütbefG 1995 §9 Abs1; |
RS 1 | Gemäß Artikel 267 AEUV werden dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 558 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom (im Folgenden: ZK-DVO) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 993/2001 der Kommission vom dahin auszulegen, dass ein unzulässiger Einsatz eines Beförderungsmittels im Binnenverkehr bereits bei Beladung und Beförderungsbeginn vorliegt, wenn für das gewerblich verwendete Fahrzeug eine Bewilligung zum Binnenverkehr zwischen zwei Mitgliedstaaten erteilt wurde, die Beladung in einem der beiden Mitgliedstaaten erfolgt, der Bestimmungsort (geplante Entladeort) aber in einem anderen als den beiden Mitgliedstaaten liegt und für den anderen Mitgliedstaat keine Bewilligung erteilt wurde? 2. Ist im Falle der Bejahung der ersten Frage Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a in Verbindung mit Art. 215 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom (Zollkodex) dahin auszulegen, dass in dem Falle die Zollschuld im Mitgliedstaat der Beladung entsteht und dieser Mitgliedstaat zur Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig ist, obwohl erst beim Entladen feststeht, dass die Beförderung in einen Mitgliedstaat erfolgt ist, für den keine Bewilligung zum Binnenverkehr vorliegt? 3. Ist überdies im Falle der Bejahung der ersten Frage Art. 61 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass bei dem gegebenen Sachverhalt die Einfuhr im Mitgliedstaat der Beladung erfolgt und dieser Mitgliedstaat zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig ist, obwohl erst beim Entladen feststeht, dass die Beförderung in einen Mitgliedstaat erfolgt ist, für den keine Bewilligung zum Binnenverkehr vorliegt? |
Entscheidungstext
Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:
* EU-Register: EU 2010/0002
* EuGH-Zahl: C-351/10
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62010J0351 B
* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im
fortgesetzten Verfahren:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, in der Beschwerdesache des Zollamtes Linz Wels in Linz, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. ZRV/0128-Z2L/08, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: L in B, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30), den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß Artikel 267 AEUV werden dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 558 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom (im Folgenden: ZK-DVO) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 993/2001 der Kommission vom dahin auszulegen, dass ein unzulässiger Einsatz eines Beförderungsmittels im Binnenverkehr bereits bei Beladung und Beförderungsbeginn vorliegt, wenn für das gewerblich verwendete Fahrzeug eine Bewilligung zum Binnenverkehr zwischen zwei Mitgliedstaaten erteilt wurde, die Beladung in einem der beiden Mitgliedstaaten erfolgt, der Bestimmungsort (geplante Entladeort) aber in einem anderen als den beiden Mitgliedstaaten liegt und für den anderen Mitgliedstaat keine Bewilligung erteilt wurde?
2. Ist im Falle der Bejahung der ersten Frage Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a in Verbindung mit Art. 215 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom (Zollkodex) dahin auszulegen, dass in dem Falle die Zollschuld im Mitgliedstaat der Beladung entsteht und dieser Mitgliedstaat zur Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig ist, obwohl erst beim Entladen feststeht, dass die Beförderung in einen Mitgliedstaat erfolgt ist, für den keine Bewilligung zum Binnenverkehr vorliegt?
3. Ist überdies im Falle der Bejahung der ersten Frage Art. 61 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass bei dem gegebenen Sachverhalt die Einfuhr im Mitgliedstaat der Beladung erfolgt und dieser Mitgliedstaat zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig ist, obwohl erst beim Entladen feststeht, dass die Beförderung in einen Mitgliedstaat erfolgt ist, für den keine Bewilligung zum Binnenverkehr vorliegt?
Begründung
Dem Vorabentscheidungsersuchen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am wurde ein in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zugelassenes Sattelfahrzeug der dort ansässigen L bei der Einfahrt in das Zollgebiet der Union in das formlos nach Art. 501 Abs. 3 Buchstabe c iVm Art. 232 ZK-DVO bewilligte Verfahren der vorübergehenden Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt. Zweck der Einreise war die Durchführung von Transporten zwischen Schweden und Deutschland. In der Folge wurden in Schweden Waren für Deutschland und Österreich geladen und über Deutschland, für welches eine güterkraftfahrrechtliche Genehmigung vorlag, am nach Österreich befördert. Nach der Entladung in Österreich und der neuerlichen Beladung mit Waren für Empfänger in Schweden wurde das Fahrzeug von Organen der österreichischen Zollverwaltung kontrolliert. Dabei konnte dessen Fahrer keine für Österreich gültigen güterkraftfahrrechtlichen Genehmigungen vorweisen.
Mit Bescheid vom schrieb das Zollamt Linz Wels L deshalb gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom (Zollkodex - ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für das Sattelzugfahrzeug Eingangsabgaben in Höhe von EUR 18.433,80 (Zoll EUR 7.524,-- und Einfuhrumsatzsteuer EUR 10.909,80) mit der Begründung vor, dass durch die widerrechtliche Verwendung eines im Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingebrachten Beförderungsmittels eine der damit verbundenen Pflichten nicht erfüllt worden sei. Auf Grund des nach den güterbeförderungsrechtlichen Bestimmungen unzulässigen Güterverkehrs sei das Sattelfahrzeug entgegen den Bestimmungen des Art. 558 Abs. 1 Buchstabe c ZK-DVO im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet worden, sodass die Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK (für die Einfuhrumsatzsteuer: iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG) entstanden sei.
Dieser Bescheid vom wurde durch den Bescheid des von L angerufenen Unabhängigen Finanzsenates vom aufgehoben. Der Unabhängigen Finanzsenat vertrat dabei die Auffassung, dass die Zollschuld gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK bereits mit dem Beginn des Transportes entstanden sei, weil Waren in Schweden geladen worden seien, um sie in Österreich zu entladen. Für die Entstehung der Zollschuld komme es ausschließlich auf den Be- und Entladeort an. Daher seien die Zollbehörden Schwedens zur buchmäßigen Erfassung und Mitteilung zuständig.
Dagegen erhob das Zollamt Linz Wels Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Im Beschwerdefall ist von folgender Rechtslage auszugehen:
Im Verfahren der vorübergehenden Verwendung können nach Art. 137 ZK Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung auf Grund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.
Nach Art. 558 Abs. 1 Buchstabe c ZK-DVO wird die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben u.a. für im Straßenverkehr verwendete Beförderungsmittel bewilligt, die bei gewerblicher Verwendung nur für Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden; sie können jedoch im Binnenverkehr eingesetzt werden, sofern die im Bereich des Verkehrs geltenden Vorschriften, insbesondere diejenigen betreffend die Voraussetzung für den Marktzugang und die Durchführung von Beförderungen, es vorsehen.
Nach Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c bedeutet Binnenverkehr: "die Beförderung von Personen oder Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft einsteigen oder geladen werden, um in diesem Gebiet wieder auszusteigen oder ausgeladen zu werden".
Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist nach § 7 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593/1995, auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber u.a. einer Genehmigung auf Grund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom (Z 2) oder einer auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen vergebenen Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (Z 4) sind.
Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern, deren Be- und Entladeort innerhalb Österreichs liegt, durch Güterkraftverkehrsunternehmer mit Sitz im Ausland (Kabotage) ist nach § 7 Abs. 2 leg. cit. verboten; sie ist im Wesentlichen nur dann gestattet, wenn mit dem Staat, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, eine diesbezügliche Vereinbarung besteht.
Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden. Der Fahrer hat nach Abs. 2 leg. cit. die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet im Kraftfahrzeug mitzuführen und den Aufsichtsorganen (§ 21) auf Verlangen auszuhändigen.
Gemäß Art. 204 Abs. 1 lit. a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabepflichtigen Ware aus deren vorübergehenden Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben.
Gemäß Art. 215 Abs. 1 ZK entsteht die Zollschuld an dem Ort, an dem der Tatbestand, der die Zollschuld entstehen lässt, eingetreten ist.
Nach Art. 30 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gilt als "Einfuhr eines Gegenstands" die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Artikels 24 des Vertrags befindet, in die Gemeinschaft.
Die Einfuhr von Gegenständen erfolgt nach der Grundregel des Art. 60 der genannten Richtlinie in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Gemeinschaft verbracht wird.
Abweichend von Artikel 60 erfolgt nach Art. 61 der Richtlinie 2006/112/EG bei einem Gegenstand, der sich nicht im freien Verkehr befindet und der vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft u.a. der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben unterliegt, die Einfuhr in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Gegenstand nicht mehr diesem Verfahren oder der sonstigen Regelung unterliegt.
Art. 70 der Richtlinie 2006/112/EG bestimmt, dass Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt.
Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft u.a. der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben, treten nach Art. 71 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen.
Zur 1. und 2. Frage:
Der 272/03 ("Jens Christian Siig"), in Bezug auf den (damaligen) Art. 718 Abs. 3 Buchstabe b ZK-DVO, der - ebenso wie der nunmehr anzuwendende Art. 558 Abs. 1 Buchstabe c ZK-DVO - darauf abstellt, dass die Beförderungsmittel zu Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebietes beginnen oder enden, ausgesprochen, dass zur Beurteilung, ob eine vorübergehende Verwendung eines Fahrzeuges vorliegt, nicht auf den endgültigen Bestimmungsort der Waren, sondern auf die durchgeführte Beförderung abzustellen ist.
Dieses Urteil ist aber zu einer anderen Rechtslage ergangen. Während der vom EuGH damals herangezogene Art. 670 Buchstabe p ZK-DVO den "Binnenverkehr" noch als "Beförderung von Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft verladen und in diesem Gebiet wieder entladen werden" bestimmt, wird ab der "Binnenverkehr" durch Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c ZK-DVO als "Beförderung von … Waren, die im Zollgebiet der Gemeinschaft geladen werden, um in diesem Gebiet wieder … ausgeladen zu werden" definiert.
Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Änderung im Hinblick auf die Beurteilung des vorliegenden Falles hat. Liegt eine unzulässige Verwendung des Beförderungsmittels bereits mit der Beladung von Waren mit einem Bestimmungsort in einem Mitgliedstaat vor, für welchen keine Bewilligung erteilt wurde?
Nach der seit dem geltenden Fassung der ZK-DVO liegt somit Binnenverkehr vor, wenn Waren befördert werden, die im Zollgebiet der Union geladen wurden, um wieder ausgeladen zu werden. Es muss daher nach Auffassung des vorlegenden Gerichtes ein tatsächliches Befördern erfolgen und zwar verbunden mit der Absicht, diese Waren wieder im Zollgebiet zu entladen. Nach dem Wortlaut des Art. 555 Abs. 1 Buchstabe c ZK-DVO ist zur Beurteilung, ob ein Binnenverkehr vorliegt, der bei Beladen des Fahrzeuges verfolgte Zweck maßgebend. Abgesehen von der Frage, welche Rechtsfolgen eine nach der Ladung und dem Beginn der Beförderung erfolgte Änderung der Absicht nach sich ziehen würde (vgl. dazu Fuchs, ZfZ, 2003, 248), stellt sich die Frage, ob bereits die - allenfalls durch einen Frachtbrief - manifestierte Absicht, die geladenen Waren zu einem Zielort in einem anderen Mitgliedstaat der Union, der allerdings für die Beförderung auf dessen Gebiet keine Genehmigung erteilt hat, in Verbindung mit dem Beginn der Beförderung ausreichen, um das Entstehen der Zollschuld zur Folge zu haben. Einerseits könnte in der gegenüber dem früheren Art. 670 der ZK-DVO neuen Definition des Binnenverkehrs durch Art. 555 ZK-DVO eine Verschärfung der Rechtslage gesehen werden und bereits im Beladen eines Fahrzeugs mit Waren zu einer Beförderung ohne eine den Zielmitgliedstaat erfassende güterverkehrsrechtliche Bewilligung und im Beginn einer solchen Beförderung ein unzulässiger Binnenverkehr gelegen sein und in diesem Zeitpunkt und am Ort des Beförderungsbeginns die Zollschuld entstehen.
Andererseits könnte in der neuen Definition des Art. 555 ZK-DVO auch eine Abschwächung gegenüber der früheren Rechtslage gesehen werden, wenn von einem unzulässigen Binnenverkehr wie bisher erst mit der tatsächlichen Beförderung und Entladung im von der güterverkehrsrechtlichen Bewilligung nicht erfassten Mitgliedstaat gesprochen werden könnte und erst bei einer Beförderung und Entladung im Bestimmungsmitgliedstaat die Zollschuld zu diesem Zeitpunkt und in diesem Mitgliedstaat entsteht, jedoch jene Fälle keinen unzulässigen Binnenverkehr darstellen, in denen eine solche Beförderung und Entladung nicht schon bei der Beladung beabsichtigt war und zB durch technische oder andere Umstände erzwungen worden wären. Bei Bejahung dieser Frage entspräche wohl der Ort der Entstehung sowie der Zoll- als auch der Umsatzsteuerschuld dem Ort des zweckgerichteten Verladens (des Beginns der Beförderung). Bei einem solchen Verständnis würden sich aber Probleme in der Beurteilung von Sachverhalten ergeben, bei denen während der Beförderung aber noch vor Erreichen des Ziel-Mitgliedstaates, für den bei Beginn der Beförderung keine Genehmigung bestand, die Genehmigung erteilt wird oder die beabsichtigte innergemeinschaftliche Beförderung abgebrochen wird.
Bei der zweitangeführten Auslegung käme man wohl zum Ergebnis, dass der Ort der Entstehung der Zollschuld im Bestimmungsmitgliedstaat gelegen wäre.
Bei dem letztgenannten Verständnis der unionsrechtlichen Bestimmungen wären die oben angeführten Probleme hintangehalten. Insofern wäre auch von einer effizienteren Administrierbarkeit der Bestimmungen auszugehen. Bei Behörden des letztgenannten Mitgliedstaates können nämlich regelmäßig eingehendere Kenntnisse der im Bereich des Verkehrs (insbesondere über den Marktzugang und die Durchführung von Beförderungen) in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften und Verträge vorausgesetzt werden.
Zur 3. Frage:
Die Bejahung der ersten beiden Fragen dürfte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge haben, dass dem Mitgliedstaat des Beladeortes auch das Recht zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zukommt.
Aus den unionsrechtlichen Bestimmungen des Zollkodex ist die Antwort auf die dargelegten Rechtsfragen für den Verwaltungsgerichtshof nicht derart offenkundig, dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. Urteil vom , Rs 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 ff) kein Raum bliebe. Die oben genannten Fragen werden daher dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 AEUV vorgelegt.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | 12010E267 AEUV Art267; 31992R2913 ZK 1992 Art137; 31992R2913 ZK 1992 Art204 Abs1 lita; 31992R2913 ZK 1992 Art204 Abs3; 31992R2913 ZK 1992 Art215; 31993R2454 ZKDV 1993 Art232; 31993R2454 ZKDV 1993 Art501 Abs3 litc; 31993R2454 ZKDV 1993 Art555 Abs1 litc idF 32001R0993; 31993R2454 ZKDV 1993 Art558 Abs1 idF 32001R0993; 31993R2454 ZKDV 1993 Art670; 32001R0993 Nov-31993R2454; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art30; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art60; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art61; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art70; 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art71 Abs1; GütbefG 1995 §7 Abs1; GütbefG 1995 §9 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2009160312.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-51711