VwGH 10.12.2008, 2008/22/0828
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Wünscht ein Klient von einem Rechtsanwalt die Einbringung eines Rechtsmittels, dann gehört es zu dessen selbstverständlichen Pflichten, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung, durch Befragung der Partei oder durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde festzustellen. Das ist einem Rechtsanwalt auch ohne weiteres zuzumuten. Unterlässt er diese naheliegenden Schritte und gibt er sich mit mehrdeutigen Angaben einer nicht rechtskundigen Partei über den Zustellungszeitpunkt zufrieden, dann stellt dies eine auffallende Sorglosigkeit dar, die der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2000/21/0086 E RS 3
(Hier: Die Unterlassung entsprechender Ermittlungen - etwa durch
Anfrage an die Botschaft - ist als eine die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand hindernde Sorglosigkeit zu werten.) |
Normen | |
RS 2 | Es ist der Partei als grober Sorgfaltsverstoß anzulasten, ihrem Rechtsvertreter nicht den richtigen Tag angegeben zu haben, an dem sie persönlich bei der Behörde den angefochtenen Bescheid übernommen hat (Hinweis E vom , 98/18/0068). |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2008/22/0785
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, in der Beschwerdesache der VP, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 151.279/2- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde, die als Zustelldatum des angefochtenen Bescheides den nennt, wurde am zur Post gegeben.
Über Vorhalt der Verspätung der Beschwerde behauptete die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid erst am in Moskau zugestellt bekommen zu haben, stellte in eventu aber den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, sie habe am den Bescheid ihrem Rechtsanwalt per Telefax übermittelt. Dieser habe ausgehend von diesem Datum die sechswöchige Beschwerdefrist ordnungsgemäß berechnet. Er habe keinen Grund für die Annahme gehabt, dass der Fristenlauf früher begonnen hätte. Da der vom Bundesministerium für Inneres übermittelte Bescheid einen Eingangsstempel von der Österreichischen Botschaft Moskau vom aufweise, habe der Rechtsanwalt annehmen dürfen, dass dieser Bescheid erst tatsächlich am bei dieser Botschaft eingelangt sei und es daher unüblich gewesen wäre, dass der Bescheid bereits am selben Tag der Beschwerdeführerin zugestellt worden wäre. Diese Zustellung des Ministerialbescheides an die Botschaft sei auch gemeint gewesen, wenn auf der Beschwerde als Zustelldatum der vermerkt wurde. Sollte sich die Beschwerdeführerin bei der Angabe des Zustelldatums geirrt haben, liege auf Grund der schweren Überprüfungsmöglichkeit im konkreten Einzelfall ein minderer Grad des Versehens vor. Auch der Beschwerdeführerin könne schlechtestenfalls ein minderer Grad des Versehens angelastet werden, weil sie immerhin unverzüglich einen Rechtsanwalt in Österreich eingeschaltet und ihm die Entscheidung am gefaxt habe. Da sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei, habe sie von dritter Seite eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verfassen lassen. Die Beschwerdeführerin sei durch die rechtliche Konstellation hinsichtlich der Ausübung ihrer Rechte erheblich behindert gewesen, weil sie die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrsche, jedoch in wenigen Tagen einen inländischen Rechtsanwalt habe beauftragen müssen, eine Beschwerde zu erheben. Dies habe sie nur so bewerkstelligen können, indem eine dritte Person in der Kanzlei angerufen und ersucht habe, dass das Rechtsmittel erhoben werden soll.
Wie nun aus einer über Anfrage an die Österreichische Botschaft Moskau von dieser übermittelten Fotokopie ersichtlich ist, hat die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid am bei der Österreichischen Botschaft Moskau persönlich übernommen. Die Beschwerdeführerin nahm über Vorhalt diesen Umstand ohne weitere Ausführungen zur Kenntnis und ersuchte um Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Partei muss das Verhalten ihres Rechtsvertreters gegen sich gelten lassen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , 2007/21/0242, 0243).
In dem zitierten Beschluss hat der Gerichtshof erneut ausgesprochen, dass es zu den Pflichten des Rechtsanwalts gehöre, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung, durch Befragung der Partei oder durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde festzustellen. Es stelle eine auffallende Sorglosigkeit dar, sich mit mehrdeutigen Angaben einer nicht rechtskundigen Partei zufrieden zu geben.
Auch im vorliegenden Fall ist dem Vertreter der Beschwerdeführerin vorzuwerfen, dass er deren Angaben über die angebliche Zustellung des Bescheides an einem bestimmten Tag nicht durch entsprechende Erhebungen überprüft hat, obwohl die Beschwerdeführerin nach den Angaben ihres Vertreters die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht und den Auftrag zur Erhebung einer Beschwerde über "eine dritte Person" erteilen musste. Die Unterlassung entsprechender Ermittlungen - etwa (wie vom Gerichtshof vorgenommen) durch Anfrage an die Botschaft in Moskau -
ist als eine die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hindernde Sorgfaltswidrigkeit zu werten.
Dem Wiedereinsetzungsantrag müsste aber auch der Erfolg versagt bleiben, wären Verständigungsschwierigkeiten zwischen der Partei und ihrem Vertreter nicht anzunehmen. In diesem Fall wäre es nämlich der Partei als grober Sorgfaltsverstoß anzulasten, nicht den richtigen Tag angegeben zu haben, an dem sie persönlich bei der Botschaft den angefochtenen Bescheid übernommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/18/0068).
In jedem Fall war daher der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen und die Beschwerde wegen Verspätung zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2008220828.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-51627