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VwGH 14.05.2009, 2008/22/0129

VwGH 14.05.2009, 2008/22/0129

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Nach den Materialien zu § 41 NAG 2005 (RV 952 Blg NR 22. GP, 136: "Zu § 41") wurde im Bewilligungsverfahren für Schlüsselkräfte das "One-Stop-Shop"-Prinzip verwirklicht, da der Antragsteller neben der Niederlassungsbewilligung keine weitere beschäftigungsrechtliche Bewilligung oder Dokumentation über den Zugang zum Arbeitsmarkt benötigt. Das Vorliegen einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des AMS gilt als notwendige Tatbestandsvoraussetzung, was jedoch nichts an der abschließenden Entscheidungskompetenz der Niederlassungsbehörde ändert (Abs 2). Bei einer verfassungskonformen Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs 3 NAG 2005 und des § 24 AuslBG und deren Zusammenwirkens, dies unter dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips (Hinweis E VfSlg 13699; E , VfSlg 13796; E , VfSlg 17013), und bei Bedachtnahme auf die aus den Materialien hervorleuchtende gesetzgeberische Absicht, wie auch der in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs ist die Regelung des § 41 Abs 3 NAG 2005 so zu verstehen, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" zwar abzuweisen ist, dies jedoch nicht bedeutet, dass das Gutachten vom Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden sei. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die allgemeinen Verfahrensgrundsätze uneingeschränkt Anwendung finden. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch die in § 41 Abs 3 NAG 2005 ausdrücklich getroffene Anordnung, dass das Verfahren über die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" zum Zweck der Beschäftigung als Schlüsselkraft (nur) dann einzustellen ist, wenn die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung als unselbständige Schlüsselkraft (§ 12 AuslBG) in Rechtskraft erwachsen ist, somit eine - gemäß § 12 Abs 7 AuslBG mögliche - Berufung des Drittstaatsangehörigen gegen den negativen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS (§ 12 Abs 5 AuslBG) ohne Erfolg geblieben oder die Berufungsfrist ungenützt verstrichen ist. Es ist nun kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür ersichtlich und kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er dem eine "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" beantragenden Drittstaatsangehörigen nur im Fall des Aufenthaltszweckes einer unselbständigen Schlüsselkraft Rechtsschutz gegen eine negative Entscheidung des AMS gewähren wollte, hingegen im Fall der negativen Beurteilung als selbständige Schlüsselkraft durch das AMS nicht die Möglichkeit der Überprüfung dieser - in den abweisenden Bescheid der Niederlassungsbehörde einfließenden - Beurteilung einräumen wollte.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2006/18/0348 E VwSlg 17048 A/2006 RS 2 (hier nur dritter und vierter Satz)
Normen
RS 2
Die Zulassung von selbständigen Schlüsselkräften erfolgt gemäß § 12 Abs. 8 AuslBG nach den Vorschriften des § 41 NAG 2005 und des § 24 AuslBG. Das in § 2 Abs. 5 Z 3 AuslBG enthaltene Kriterium des maßgeblichen Einflusses auf die Führung eines Betriebes ("Führungskraft") kann fallbezogen nicht vernünftigerweise auf die Beurteilung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sinngemäß übertragen werden, zumal im Falle von Einzelunternehmern oder von die Geschäftsführung wahrnehmenden Alleingesellschaftern ein solcher maßgeblicher Einfluss regelmäßig immer vorliegen wird. Es gibt aber keinen Hinweis dafür, dass in solchen Fällen immer schon allein deswegen ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten wäre, und der Gesetzgeber allein deshalb die Voraussetzungen nach § 24 AuslBG als erfüllt ansehen wollte.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Ö, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 150.290/2- III/4/08, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde einen vom Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, der bislang über nach dem (am außer Kraft getretenen) Fremdengesetz 1997 für Ausbildungszwecke ausgestellte Aufenthaltserlaubnisse verfügte, eingebrachten Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig" gemäß §§ 13 Abs. 1 und 2, 29 Abs. 1 und 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Verbindung mit § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer beabsichtige in Österreich als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Ö K GmbH selbständig erwerbstätig zu werden. Die "Leistungen" dieses Unternehmens bestünden im Textileinzelhandel. Der Beschwerdeführer wolle als Geschäftsführer insbesondere auf den Einkauf des Warensortiments und die Preisgestaltung achten. Im Unternehmen sei ein Dienstnehmer angestellt. Es sei dem Vorbringen nach geplant, zwei weitere aufzunehmen. Im Jahr 2006 habe der Beschwerdeführer EUR 600,-- brutto verdient. Für das Jahr 2007 erwarte er einen Umsatz von EUR 110.000,--. Ein konkretes "betriebliches Konzept" sei allerdings nicht vorgelegt worden. Die beabsichtigte Schaffung von Arbeitsplätzen sei nicht durch "entsprechende betriebliche Unterlagen" nachgewiesen worden. Die bloße Behauptung der geplanten Einstellung von Mitarbeitern stelle dafür keinen geeigneten Nachweis dar. Anhand der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen sei kein Transfer von nachhaltigem Investitionskapital nach Österreich ersichtlich. Ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinne des § 24 AuslBG sei nicht erkennbar; eine ökonomische Gesamtbedeutung scheine nicht gegeben. Somit könnten unter Berücksichtigung des Gutachtens der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice die Voraussetzungen für das Vorliegen einer selbständigen Schlüsselkraft nicht bejaht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die hier relevanten Bestimmungen des § 41 NAG lauten - unter der Überschrift "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" - auszugsweise wie folgt:

"§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine 'Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft' erteilt werden, wenn

1.

sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen;

2.

ein Quotenplatz vorhanden ist und

3.

eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder ein Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG vorliegt.

(2) Entscheidungen über die Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft' sind überdies von der zuständigen Behörde gemäß §§ 12 oder 24 AuslBG unverzüglich, längstens jedoch binnen sechs Wochen ab Einbringung des Antrages, zu treffen. Von der Einholung einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle oder eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist abzusehen, wenn der Antrag

1.

wegen eines Formmangels (§§ 21 bis 24) zurückzuweisen ist;

2.

wegen zwingender Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1) abzuweisen ist oder

3. mangels eines Quotenplatzes zurückzuweisen ist.

(3) Erwächst die negative Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice über die Zulassung als unselbständige Schlüsselkraft (§ 12 AuslBG) in Rechtskraft, ist das Verfahren ohne weiteres einzustellen. Ist das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in einem Verfahren über den Antrag zur Zulassung als selbständige Schlüsselkraft negativ (§ 24 AuslBG), ist der Antrag ohne weiteres abzuweisen."

§ 24 AuslBG hat (nach der Überschrift "Erstellung von Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte") folgenden Wortlaut:

"§ 24. Die nach der beabsichtigten Niederlassung der selbständigen Schlüsselkraft zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen drei Wochen das im Rahmen des fremdenrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 41 NAG erforderliche Gutachten über den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Erwerbstätigkeit, insbesondere hinsichtlich des damit verbunden Transfers von Investitionskapital und/oder der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erstellen. Vor der Erstellung dieses Gutachtens ist das Landesdirektorium anzuhören."

§ 41 Abs. 3 zweiter Satz NAG normiert zwar, dass bei Vorliegen eines negativen Gutachtens im Sinn des § 24 AuslBG der Antrag auf Erteilung der "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" (als selbständige Schlüsselkraft) abzuweisen ist, dies bedeutet allerdings - bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des § 41 Abs. 3 NAG und des § 24 AuslBG - nicht, dass das Gutachten durch den Antragsteller nicht entkräftet oder widerlegt werden kann oder dass die Behörde an ein unschlüssiges Gutachten gebunden wäre. Vielmehr gilt auch in Bezug auf die Würdigung dieses Beweismittels, dass die in § 45 AVG verankerten allgemeinen Verfahrensgrundsätze der materiellen Wahrheit, der freien Beweiswürdigung und des Parteiengehörs uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2008/22/0270, und vom , 2008/22/0110).

Die Beschwerde richtet sich gegen die im - von der erstinstanzlichen Behörde im Verfahren eingeholten - Gutachten des Arbeitsmarktservice sowie im angefochtenen Bescheid vertretene Annahme, der Beschwerdeführer würde die Kriterien einer selbständigen Schlüsselkraft nicht erfüllen.

Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 24 AuslBG, dass für die Beurteilung, ob eine beabsichtigte selbständige Tätigkeit zur Stellung als Schlüsselkraft führt, der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der selbständigen Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung von neuen oder der Sicherung von gefährdeten Arbeitsplätzen dient. Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, ob ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist (vgl. dazu ebenfalls die bereits erwähnten hg. Erkenntnisse vom und vom ).

Der Beschwerdeführer vermag nun aber nicht aufzuzeigen, weshalb die Beurteilung der belangten Behörde, er erfülle diese Kriterien nicht, unrichtig wäre. Er bringt vor, als Alleingesellschafter und Geschäftsführer seines Unternehmens übe er maßgeblichen Einfluss auf die Führung dieses Betriebes aus. Allein dies sei bereits nach § 2 Abs. 5 Z 3 AuslBG für die Qualifikation als Schlüsselkraft ausreichend. Dabei übersieht der Beschwerdeführer allerdings, dass gemäß § 12 Abs. 8 AuslBG die Zulassung von selbständigen Schlüsselkräften nach den Vorschriften des § 41 NAG und des § 24 AuslBG erfolgt. Darüber hinaus erkennt der Beschwerdeführer in seinem weiteren Vorbringen selbst, dass das in § 2 Abs. 5 Z 3 AuslBG enthaltene Kriterium des maßgeblichen Einflusses auf die Führung eines Betriebes ("Führungskraft") in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht vernünftigerweise auf die Beurteilung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sinngemäß übertragen werden kann, zumal im Falle von Einzelunternehmern oder - so wie hier - von die Geschäftsführung wahrnehmenden Alleingesellschaftern ein solcher maßgeblicher Einfluss regelmäßig immer vorliegen wird. Es gibt aber keinen Hinweis dafür, dass in solchen Fällen immer schon allein deswegen ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten wäre, und der Gesetzgeber allein deshalb die Voraussetzungen nach § 24 AuslBG als erfüllt ansehen wollte.

Soweit der Beschwerdeführer auf sein (nicht abgeschlossenes) Studium der Betriebswirtschaftslehre und seine vorangegangene Ausbildung und Erfahrungen hinweist, ist darauf schon deswegen nicht näher einzugehen, weil er Derartiges im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht hat, und sich daher seine diesbezüglichen Beschwerdeausführungen als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen erweisen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Wenn der Beschwerdeführer weiter vorbringt, es sei ein Stammkapital von EUR 37.000,-- in das Unternehmen geflossen und das Unternehmen repräsentiere einen höheren Wert als das Stammkapital, legt er damit nicht dar, inwiefern damit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist.

Soweit der Beschwerdeführer abschließend noch rügt, er hätte darüber aufgeklärt werden müssen, welcher Aufenthaltszweck seinem Willen tatsächlich entspreche und in welche Kategorie dieser einzuordnen sei, ist er darauf hinzuweisen, dass er von der erstinstanzlichen Behörde mit Verfahrensanordnung vom gemäß § 13 Abs. 3 AVG (im Hinblick auf § 23 Abs. 1 NAG) aufgefordert wurde, sich zum beabsichtigten Aufenthaltszweck zu deklarieren. Auf Grund dessen gab der Beschwerdeführer am ausdrücklich bekannt, eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig" zu beantragen. Die belangte Behörde durfte daher allein das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Aufenthaltstitels prüfen. Im Übrigen wird in der Beschwerde auch nicht näher dargelegt, warum dieser Aufenthaltstitel - unter Berücksichtigung der nach dem NAG vorgesehenen Aufenthaltstitel und ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer letztlich die Voraussetzungen für den von ihm gewählten nicht erfüllt - für den von ihm ins Auge gefassten Aufenthaltszweck nicht als der zutreffende angesehen hätte werden können und welchen Aufenthaltstitel er sonst angestrebt hätte. Insoweit wird auch die Relevanz des - behaupteten, letztlich aber gar nicht bestehenden - Verfahrensfehlers nicht aufgezeigt.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses
VwRallg10/1/3
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der
wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung
Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2008220129.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-51618