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VwGH 17.03.2009, 2008/21/0612

VwGH 17.03.2009, 2008/21/0612

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs1;
AVG §70 Abs3;
RS 1
Die Bewilligung bzw. die Verfügung der Wiederaufnahme kann nur gleichzeitig mit dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergehenden Sachbescheid nach Maßgabe der gegen diesen Bescheid zulässigen Rechtsmittel im Verwaltungsweg bekämpft werden

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Andreas Fehringer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schikanedergasse 1/5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 147.817/5-III/4/08, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einem wiederaufgenommenen Verfahren über die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem türkischer Staatsangehörigen, wurde von (einem Bediensteten) der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten am in Form einer im Reisepass ersichtlich gemachten Vignette eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erteilt, obwohl der Beschwerdeführer niemals mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet war.

Der genannte Bedienstete wurde mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom schuldig erkannt, das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB begangen zu haben, indem er gesetzwidrig Aufenthaltstitel ausgestellt habe, und zwar unter anderem am die erwähnte Niederlassungsbewilligung für den Beschwerdeführer.

Im Hinblick darauf verfügte die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (im Folgenden: BH) mit Bescheid vom von Amts wegen die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer. Zur Begründung verwies die Behörde auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, wonach ein durch rechtskräftigen Bescheid abgeschlossenes Verfahren wieder aufzunehmen sei, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden sei. Aus diesem Grund sei gemäß § 69 Abs. 3 AVG die amtswegige Wiederaufnahme auch nach Ablauf von drei Jahren seit Erlassung des Bescheides zulässig.

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom gemäß § 70 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück, weil nach dem letzten Satz dieser Bestimmung gegen die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme eine abgesonderte Berufung nicht zulässig sei. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides könnten erst mit einem (allfälligen) Rechtsmittel gegen eine neuerliche Entscheidung in der Sache selbst, die abgewartet werden müsse, geltend gemacht werden.

Mit Schreiben vom teilte die BH unter Hinweis auf einen angeschlossenen Aktenvermerk dem Beschwerdeführer mit, dass das wiederaufgenommene Verfahren mangels Antrages eingestellt worden sei.

Dieser Aktenvermerk vom wurde mit der Wiedergabe der Rechtsauffassung der unterfertigenden Sachbearbeiterin eingeleitet, durch die verfügte Wiederaufnahme sei der Bescheid der BH vom in Form einer Vignette, mit dem dem Beschwerdeführer eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei, außer Kraft getreten. Durch die Wiederaufnahme des Verfahrens seien die durch den ursprünglichen Bescheid erworbenen Rechte weggefallen. Danach heißt es in dem erwähnten Aktenvermerk, das wiederaufgenommene Verfahren sei nun neuerlich durchzuführen und die gleiche Verwaltungssache neu zu entscheiden. Der - nun weggefallene - Bescheid sei widerrechtlich, ohne diesbezüglichen Antrag erlassen worden. Mangels Antrages liege nun im wiederaufgenommenen Verfahren keine Verwaltungssache vor, die einer Erledigung bedürfe. Das Verfahren werde daher eingestellt.

Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer eine Berufung, die von der Sicherheitsdirektion Niederösterreich mit Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil dem Schreiben der BH vom kein Bescheidcharakter zukomme und es daher "keinen tauglichen Gegenstand einer Berufung" bilden könne.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0178, als unbegründet ab. In dieser Entscheidung wies der Verwaltungsgerichtshof zunächst auf seine Rechtsprechung hin, wonach bereits mit der Bewilligung oder der (amtswegigen) Verfügung der Wiederaufnahme - ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft - der im wiederaufgenommenen Verfahren in der Sache erlassene Bescheid (im Umfang der Wiederaufnahme) außer Kraft trete. Im vorliegenden Fall habe somit bereits die mit Bescheid vom von der BH verfügte Wiederaufnahme das Erlöschen der dem Beschwerdeführer erteilten Niederlassungsbewilligung vom bewirkt, ohne dass es - mangels Sonderregelung im Fremdengesetz 1997 - eines diesbezüglichen feststellenden Ausspruches bedurft hätte. Den dieser Auffassung entsprechenden (zutreffenden) rechtlichen Ausführungen der Sachbearbeiterin der BH im Aktenvermerk vom komme daher als bloße Belehrung über die Rechtswirkungen eines schon früher erlassenen Bescheides kein normativer, das nunmehrige Vorliegen eines neuen Bescheides indizierender Charakter zu. Dass es sich bei der im Amtsvermerk auch beurkundeten Verfahrenseinstellung - so begründete der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter - um eine Erledigung in Form eines Bescheides handle, sei weder in der Beschwerde behauptet worden noch sei dies anzunehmen, wenn die BH diese formlose Beendigung des Verfahrens durch Einstellung ausdrücklich nur in einem Aktenvermerk festgehalten und dort auch begründet habe, weshalb sie - nämlich mangels seinerzeitigen Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - eine (bescheidmäßige) Erledigung nicht für erforderlich halte. Abschließend äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof zu den unter dem Gesichtspunkt einer Säumnis erstatteten Beschwerdeausführungen dahin, dass die BH - in der vorliegenden Konstellation - das wiederaufgenommene Verfahren durch Bescheid zu beenden haben werde, wenn der Beschwerdeführer einen diesbezüglichen Antrag stellen sollte, weil er mit seiner Berufung gegen die Wiederaufnahme ausdrücklich auf die abzuwartende Sachentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren verwiesen worden sei; andernfalls würde ihm die Möglichkeit einer wirksamen Bekämpfung der Wiederaufnahmeverfügung genommen.

Der Beschwerdeführer stellte (mit Schriftsatz vom ) einen solchen, an die BH gerichteten und dort am eingelangten Antrag auf Beendigung des wiederaufgenommenen Verfahrens in Bescheidform.

Hierauf erging, nachdem der Beschwerdeführer über entsprechenden Vorhalt am eine Stellungnahme zur Frage der Zuständigkeit der BH erstattet hatte, ein auf die §§ 4 und 81 Abs. 1 des (am in Kraft getretenen) Aufenthalts- und Niederlassungsgesetzes - NAG gestützter Bescheid vom mit folgendem Spruch:

"Im Namen des Landeshauptmannes von NÖ weist die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten den Antrag von Herrn (Bfr) vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück."

Einleitend wurde festgestellt, im "fremdenpolizeilichen Programm" der BH sei hinsichtlich des damaligen, die Erteilung der eingangs erwähnten (widerrechtlich erteilten) Niederlassungsbewilligung betreffenden "Antrages" das "Eingangsdatum" mit "" und als "Einbringungsart" "persönlich eingebracht" vermerkt. Nach Darstellung des oben wiedergegebenen Verfahrensganges und Zitierung des § 81 Abs. 1 und des § 4 NAG stellte die Erstbehörde weiters fest, der Beschwerdeführer sei seit an verschiedenen Adressen in Wien gemeldet. Im Falle einer örtlichen Zuständigkeitsverschiebung bleibe zwar die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen habe, zur Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zuständig, zur Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren sei diese Behörde jedoch örtlich nicht mehr zuständig. Da der Beschwerdeführer aber auf der Entscheidungspflicht der - im Hinblick auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers in Wien örtlich unzuständigen - BH beharre, sei der Antrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung vom zurückzuweisen.

In der vom Beschwerdeführer in der Folge erhobenen Berufung stellte er primär Anträge, die auf die (wegen Unzuständigkeit vorzunehmende) Nichtigerklärung bzw. auf die (infolge Gesetzwidrigkeit vorzunehmende) ersatzlose Behebung des die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides vom zielen. Erst für den (letzten) Eventualfall stellte der Beschwerdeführer auch einen Antrag auf Aufhebung des antragszurückweisenden Bescheides vom und Zurückverweisung an die Erstbehörde zur Erlassung einer Sachentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren. Dazu vertrat der Beschwerdeführer den - schon in der Stellungnahme vom eingenommenen - Standpunkt, für die begehrte Endentscheidung sei jedenfalls die Behörde sachlich und örtlich zuständig, welche die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt habe. Es sei allerdings schon die Wiederaufnahme gesetzwidrig erfolgt, wobei in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer auf die Ausführungen in der ersten Berufung gegen den Bescheid vom verwiesen wurde. Soweit die Berufungsbehörde die BH zur Entscheidung über den ursprünglichen Antrag (auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung) tatsächlich für unzuständig erachten sollte, treffe das - so der Beschwerdeführer - aber auch auf die Entscheidung betreffend die Wiederaufnahme zu und es wäre daher dieser Bescheid für nichtig zu erklären.

Hierauf erging der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , dessen Spruch lautet:

"Ihre Berufung gegen den folgenden Bescheid:

Bezirkshauptmannschaft St. Pölten

vom

Zahl PLS3-F-05

wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 3 AVG und § 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz abgewiesen."

Begründend führte die belangte Behörde aus, die BH habe zwar irrtümlich einen Antrag vom betreffend Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zitiert, welcher nicht gestellt worden sei, jedoch ausgeführt, dass die bescheidmäßige Erledigung tatsächlich aufgrund des Antrages vom ergehe. Im Anschluss an die Wiedergabe des zentralen Berufungsargumentes stellte die belangte Behörde fest, dass dem Beschwerdeführer ohne Antragstellung am durch die BH eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit Österreicher erteilt worden sei. Nach der Feststellung, der Beschwerdeführer habe sich am an einer Adresse in Wien angemeldet und er sei "bis dato" noch immer in Wien wohnhaft, folgt im angefochtenen Bescheid die Darstellung des bisherigen Verfahrensganges. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2007/21/0178, lasse sich entnehmen, dass die Einstellung des Verfahrens am "rechtlich zutreffend" erfolgt und das von der BH am wieder aufgenommene Verfahren "somit abgeschlossen" sei. Der "vom ursprünglichen Wiederaufnahmeverfahren gesonderte" Antrag sei vom Beschwerdeführer datierend mit bei der BH eingebracht worden, über den diese Behörde in erster Instanz abzusprechen gehabt habe. Wie bereits ausgeführt habe die BH im Spruch, aber auch in der Begründung irrtümlich einen Antrag vom zitiert, wozu von der belangten Behörde festgestellt werde, dass an dem betreffenden Tag kein Antrag gestellt worden sei; dabei handle es sich lediglich um das Ausstellungsdatum des widerrechtlich erteilten Aufenthaltstitels. Gemäß § 4 NAG richte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Betreffenden. Da der Beschwerdeführer seit seinen Hauptwohnsitz in Wien habe, sei für die inhaltliche Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers vom nicht die BH, sondern der Landeshauptmann von Wien zuständig.

Zur Wiederaufnahme des Verfahrens mit Bescheid vom führte die belangte Behörde noch aus, dass diese gemäß § 69 Abs. 4 AVG zu Recht von der BH vorgenommen worden sei, weil diese Behörde den Bescheid - in Form einer Vignette - in letzter Instanz erlassen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

1.1. Die Erstbehörde ist davon ausgegangen, dass im wiederaufgenommenen Verfahren betreffend Niederlassungsbewilligung die Bestimmungen des am in Kraft getretenen NAG anzuwenden sind. Das gründet sich auf die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 NAG, wonach Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten des NAG anhängig waren, nach dessen Bestimmungen zu Ende zu führen sind. Während nach § 89 Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 für Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen der vorliegenden Art die Bezirksverwaltungsbehörden sachlich zuständig waren, ist nach § 3 Abs. 1 NAG in erster Instanz der Landeshauptmann zuständig, der unter bestimmten Voraussetzungen die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung zur Entscheidung in seinem Namen ermächtigen kann. Auf diese Norm gründet sich die von der Erstbehörde, die ausdrücklich "im Namen des Landeshauptmannes von NÖ" entschieden hat, in Anspruch genommene Zuständigkeit. Folgerichtig hat über die dagegen erhobene Berufung gemäß § 3 Abs. 2 NAG die Bundesministerin für Inneres entschieden.

1.2. Der Beschwerdeführer vertrat auf Vorhalt der nach Ansicht der Erstbehörde gegebenen Unzuständigkeit der BH in seiner Stellungnahme vom die Auffassung, für die begehrte Endentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren sei jedenfalls die Behörde sachlich und örtlich zuständig, welche die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt habe. Die Erstbehörde deutete diese Äußerung dahin, dass der Beschwerdeführer auf der Entscheidungspflicht der BH beharrt habe. Ausgehend von diesen Prämissen ist aber - wie an dieser Stelle anzumerken ist - für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, weshalb die getroffene Unzuständigkeitsentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren vom Landeshauptmann von Niederösterreich (durch die von ihm ermächtigte BH) und nicht - wie nach Auffassung der Erstbehörde vom Beschwerdeführer ausdrücklich beantragt - von der BH (im eigenen Namen) getroffen wurde. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber von einer in eigener Kompetenz ergangenen Entscheidung der BH auszugehen scheint (vgl. nur die Formulierung im oben wiedergegebenen Spruch des bekämpften Bescheides), widerspricht dies jedoch dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides und der entsprechenden Fertigungsklausel.

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hielt im Vorerkenntnis vom die Erledigung des wiederaufgenommenen Verfahrens in Bescheidform im gegenständlichen Fall deshalb für geboten, weil der Beschwerdeführer mit seiner Berufung gegen die Wiederaufnahme ausdrücklich auf die abzuwartende Sachentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren verwiesen worden sei und ihm andernfalls die Möglichkeit einer wirksamen Bekämpfung der Wiederaufnahmeverfügung genommen würde. Die Bewilligung bzw. die Verfügung der Wiederaufnahme kann nämlich nur gleichzeitig mit dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergehenden Sachbescheid nach Maßgabe der gegen diesen Bescheid zulässigen Rechtsmittel im Verwaltungsweg bekämpft werden (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2, Anm. 9 zu § 70 AVG).

2.2. Davon hat der Beschwerdeführer nun insofern Gebrauch gemacht, als er mit der Berufung gegen den das wiederaufgenommene Verfahren (in Form einer Antragszurückweisung) beendenden Bescheid vom die Berufung gegen den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid vom verbunden und diesbezüglich auch vorrangige, auf Nichtigerklärung bzw. ersatzlose Behebung dieses Bescheides gerichtete Anträge gestellt hat. Darauf wäre von der Berufungsbehörde vorweg einzugehen gewesen. Denn erst nach Prüfung und Bejahung der Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahmeverfügung hätte sich überhaupt die Frage nach der Richtigkeit der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Erledigung gestellt. Das wurde von der belangten Behörde nicht beachtet, zumal mit dem bekämpften Bescheid spruchmäßig nur die Berufung gegen den Bescheid vom erledigt wurde. Schon deshalb leidet der angefochtene Bescheid an einer die Aufhebung nach sich ziehenden Rechtswidrigkeit seines Inhalts.

3.1. Die belangte Behörde befasste sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides allerdings insoweit mit dem Bescheid vom , als sie den diesbezüglichen (hilfsweise vorgebrachten) Einwand des Beschwerdeführers, die BH sei dafür nicht zuständig gewesen, für nicht berechtigt erachtete. Dem ist beizupflichten.

3.2. Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat. Das war - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - die BH, die gemäß dem (bis in Geltung gestandenen) § 89 Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 im eigenen Namen am die Niederlassungsbewilligung (in Form einer Vignette) erteilt hatte. Demzufolge war die BH - trotz des mittlerweiligen Wohnsitzwechsels des Beschwerdeführers - auch dafür zuständig, (von Amts wegen) die Verfahrenswiederaufnahme mit Bescheid vom zu verfügen (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 288 zu § 69).

3.3. Ob die verfügte Wiederaufnahme sonst dem Gesetz entsprach, wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren unter Bedachtname auf die vom Beschwerdeführer vorgetragenen inhaltlichen Berufungseinwände jedoch noch zu prüfen haben.

4.1. Der belangten Behörde kann aber auch in Bezug auf die Deutung des in erster Instanz erlassenen Bescheides nicht gefolgt werden. In diesem Bescheid ging die Erstbehörde erkennbar davon aus, dass der Erteilung der Niederlassungsbewilligung am die Stellung eines entsprechenden, vom Beschwerdeführer am selben Tag persönlich eingebrachten Antrages voranging. Das ergibt sich schon aus dem Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid auf die diesbezüglichen Eintragungen im "fremdenpolizeilichen Programm" der BH, womit offenbar eine elektronische Datenbank gemeint ist, und deren wörtlicher Wiedergabe in der Bescheidbegründung. Die Bezugnahme auf einen Antrag des Beschwerdeführers vom erfolgte im erstinstanzlichen Bescheid - anders als die belangte Behörde meint - somit nicht "irrtümlich".

4.2. Es war vielmehr eindeutige Absicht der Erstbehörde, in Stattgebung des Antrages des Beschwerdeführers vom auf bescheidmäßige Beendigung des wiederaufgenommenen Verfahrens betreffend Niederlassungsbewilligung diesbezüglich eine Enderledigung in Bescheidform vorzunehmen. Insoweit entsprach das auch den abschließenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im genannten Vorerkenntnis. Dies erfolgte durch Zurückweisung des - ihrer Ansicht nach am vom Beschwerdeführer gestellten - Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wegen (mittlerweile eingetretener) örtlicher Unzuständigkeit.

4.3. Die belangte Behörde bewegte sich daher insoweit außerhalb der Sache des Berufungsverfahrens, als sie davon ausging, die Erstbehörde hätte den Antrag des Beschwerdeführers vom zurückgewiesen. Auch deshalb, weil die belangte Behörde erkennbar einen solchen, in Wahrheit aber gar nicht erlassenen Bescheid bestätigen wollte, erweist sich der angefochtene Bescheid somit als inhaltlich rechtswidrig.

5.1.  Die - wie oben dargelegt - nach der damals geltenden Rechtslage zuständige BH hat das wiederaufgenommene Verfahren betreffend Niederlassungsbewilligung mit Aktenvermerk vom eingestellt. Dem lag die Auffassung zugrunde, die Niederlassungsbewilligung sei dem Beschwerdeführer am widerrechtlich, ohne diesbezüglichen Antrag erteilt worden und mangels Antrages liege nun im wiederaufgenommenen Verfahren keine Verwaltungssache vor, die einer - gemeint:

bescheidmäßigen - Erledigung bedürfe. Demgegenüber hielt es der Verwaltungsgerichtshof in der vorliegenden Konstellation aus Rechtsschutzgründen ausnahmsweise für erforderlich, (auf entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers) das wiederaufgenommene Verfahren durch Bescheid zu beenden.

Ausgehend von der mit der Aktenlage im Einklang stehenden damaligen Annahme der BH, der Beschwerdeführer habe gar keinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, hätte dieser Bescheid - in Wiederholung der zunächst nur per Aktenvermerk vorgenommenen Beendigung des wiederaufgenommenen Verfahrens - nur auf Einstellung des Verfahrens lauten können. Hiefür wäre - wovon der Verwaltungsgerichtshof auch im Vorerkenntnis ausging - weiterhin die BH im eigenen Namen zuständig gewesen, zumal die Übergangsregelung des § 81 Abs. 1 NAG einen solchen Fall nicht erfasst. Über eine dagegen erhobene Berufung hätte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich zu entscheiden gehabt.

5.2. Demgegenüber hat die Erstbehörde bei Erlassung ihres Bescheides aufgrund der erwähnten Eintragungen im "fremdenpolizeilichen Programm" unterstellt, der Beschwerdeführer habe am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Das steht - wie erwähnt - im Widerspruch zu der offenbar auf das Fehlen eines schriftlichen Antrages im Fremdenakt gestützten ursprünglichen Annahme der BH bei der Verfahrenseinstellung, ein solcher Antrag sei vom Beschwerdeführer nie gestellt worden. Diese Auffassung vertrat auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid.

Dem kann schon deshalb nicht entgegengetreten werden, weil die Erstbehörde für ihre Annahme keine nachvollziehbare Begründung gegeben hat. Den von ihr herangezogenen Eintragungen durfte nämlich vor dem Hintergrund, dass die Niederlassungsbewilligung (amts)missbräuchlich und ohne Vorliegen der essentiellen Voraussetzung einer Ehe des Beschwerdeführers mit einer Österreicherin erteilt wurde, keine maßgebliche Aussagekraft zugebilligt werden, weil sie auch nur der Verschleierung der antragslosen Titelerteilung gedient haben könnten. Damit steht das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom im Einklang, wonach er nie behauptet habe, mit einer Österreicherin verheiratet zu sein. Hätte der Beschwerdeführer jedoch einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher", wie sie dem Beschwerdeführer erteilt wurde, gestellt, setzte das aber notwendigerweise eine solche Behauptung voraus.

5.3. Ausgehend von der - somit als nicht unschlüssig anzusehenden - Meinung der belangten Behörde, vom Beschwerdeführer sei damals tatsächlich kein solcher Antrag gestellt worden, hätte sie jedoch aufzugreifen gehabt, dass die BH das wiederaufgenommene Verfahren mit Bescheid hätte einstellen müssen. Das hätte die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides zur Folge gehabt.

6.1. Der angefochtene Bescheid war somit aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6.2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

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Normen
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs1;
AVG §70 Abs3;
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die
Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung
der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung
Anspruch auf meritorische Erledigung)
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2008210612.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-51616