VwGH 24.06.2010, 2008/15/0195
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/15/0012 E RS 1 |
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RS 2 | Maßnahmen gemäß § 206 BAO verdrängen die aus § 114 Abs. 1 BAO ableitbare grundsätzliche Verpflichtung der Abgabenbehörden, in allen abgabepflichtigen Fällen dem entstandenen Abgabenanspruch im Sinne des § 4 BAO entsprechende Abgabenfestsetzungen vorzunehmen. Sie erfolgen gemäß § 206 BAO von Amts wegen. Wird eine Maßnahme gemäß § 206 BAO von einem Abgabepflichtigen angeregt, so handelt es sich um kein auf eine Erledigung durch Bescheid gerichtetes Anbringen, weshalb eine Ablehnung gegebenenfalls nur formlos zu erfolgen braucht (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 206 Anm. 4 und 5). |
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RS 3 | Auf eine Maßnahme nach § 206 BAO besteht auch nach der Neufassung des § 206 BAO durch das BGBl. I Nr. 124/2003 kein Rechtsanspruch des Abgabepflichtigen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 238 Blg. XXII. GP, 13). Ein Antragsrecht auf Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Soweit die Einhebung von Abgaben nach der Lage des Falles unbillig ist, steht dem Abgabepflichtigen eine Antragstellung nach § 236 BAO offen. [Hier: Da eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin durch das Unterbleiben einer Maßnahme gemäß § 206 BAO somit nicht in Betracht kommt, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde (der unabhängige Finanzsenat) die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2003 als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hatte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragt, die im Gewinn enthaltenen stillen Reserven gemäß § 206 BAO von der Besteuerung auszunehmen. Das Finanzamt hatte diesem Antrag nicht entsprochen.] |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, in der Beschwerdesache der JK inF, vertreten durch Josef Schaufler, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater in 6020 Innsbruck, Wilhelm Greil Straße 21/III, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0103-F/07, betreffend Einkommensteuer 2003, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2003 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin habe in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragt, die im Gewinn enthaltenen stillen Reserven gemäß § 206 BAO von der Besteuerung auszunehmen. Die stillen Reserven seien die Differenz zwischen der erhaltenen Versicherungsentschädigung für das durch einen Brand zerstörte Sachanlagevermögen und der betreffenden Restbuchwerte der ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter.
Das Finanzamt habe im Einkommensteuerbescheid die durch den Brand aufgedeckten stillen Reserven besteuert.
Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung gegen diesen Bescheid vorgetragen, der Brand habe sich kurz vor Beginn der Wintersaison ereignet. Auch sei die bisherige kleine Wohnung durch den Brand völlig zerstört worden. Eine Wiederaufnahme der bisherigen betrieblichen Tätigkeit sei vorerst ausgeschlossen gewesen. Im Schriftsatz vom habe die Beschwerdeführerin weiters ausgeführt, durch das Schadenfeuer vom sei mit dem SB-Restaurant der Teil des Betriebes zerstört worden, in dem bis dahin rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes erzielt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe auch unter Einsatz der zustehenden Versicherungsleistung keine Möglichkeit gesehen, das zerstörte SB-Restaurant in zeitgemäßer Form und Ausstattung neu aufzubauen, zumal hiefür mit einer die Versicherungsleistung übersteigenden Investition zu rechnen gewesen wäre. Sie habe sich daher gezwungenermaßen entschlossen, um eine zusätzliche Verschuldung zu vermeiden, die Brandspuren so gut als möglich zu beseitigen und den Betrieb in stark reduziertem Umfang, d.h. ohne SB-Restaurant weiterzuführen. Damit sei als Folge des Feuerschadens eine Umsatzminderung auf rund ein Drittel eingetreten. Diese Betriebseinschränkung/Umsatzeinbuße stelle sich für die Beschwerdeführerin als Notstand dar, weil sie in Anbetracht dieser Veränderung der betrieblichen Einnahmensituation nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den Schuldendienst für die aus dem früheren Gesamtbetrieb stammenden Verbindlichkeiten zu bestreiten, was zu einer Insolvenzgefahr und damit zum Verlust der gesamten betrieblichen Existenz geführt hätte. Dieser Gefahr sei dadurch begegnet worden, dass die nach eingeschränkter Schadensbehebung noch verfügbaren Mittel aus der Versicherungsleistung zum Schuldenabbau eingesetzt worden seien, um zu einem unter den durch die Brandkatastrophe geänderten Verhältnissen noch tragbaren Schuldenstand zu gelangen. Wenn es nunmehr zu einer Besteuerung dieser Versicherungsleistung käme, ergebe sich für die Beschwerdeführerin neuerlich eine Notsituation, weil die zur Abgabenleistung heranzuziehenden Mittel der Schadensabgeltung bereits zur Existenzsicherung eingesetzt worden und daher nicht mehr verfügbar seien.
Im Schriftsatz vom habe die Beschwerdeführerin ergänzend vorgetragen, durch den Feuerschaden sei für sie ein wirtschaftlicher Notstand verursacht worden, der in erster Linie durch einen markanten Umsatzeinbruch ins Auge springe. Dabei falle ins Gewicht, dass diese Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage nicht nur auf kurze Zeit wirke und dementsprechend durch einmalige Versicherungsleistungen als ausgeglichen angesehen werden könne, sondern Langzeitfolgen nach sich ziehe. Ein Vergleich der aus dem Betriebsgeschehen erwirtschafteten liquiden Mittel der Jahre 2003 und 2004 zeige, in welchem Ausmaß die katastrophalen Folgen des Feuerschadens fortwirkten. Die als Brandfolge eingetretene Verschlechterung der betrieblichen Liquidität erfordere in Zukunft besondere Anstrengungen, um den Schuldendienst gegenüber den Kreditinstituten bestreiten zu können, was aber durch die beschriebene Umsatzeinbuße ganz wesentlich erschwert werde.
Nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung habe die Beschwerdeführerin den Vorlageantrag gestellt.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, der Reichsfinanzhof habe in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis Kriterien für die Steuerfreiheit der stillen Reserven herausgearbeitet, die dem § 12 EStG entsprechen und eine Anschaffung von Ersatzwirtschaftsgütern voraussetzten. Im gegenständlichen Fall seien aber gerade keine Ersatzwirtschaftsgüter angeschafft worden, sondern sei die Versicherungsentschädigung dazu verwendet worden, um Verbindlichkeiten zu tilgen. Da der steuerliche Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt werde, führe die Tilgung von betrieblichen Verbindlichkeiten durch Versicherungsleistungen, die den Buchwert der zerstörten Wirtschaftsgüter überstiegen, nicht nur zu einem Buchgewinn, sondern zu einem realen Gewinn. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Verschlechterung der Liquidität sei nicht eine unmittelbare Folge des Brandes, sondern sei auf die betriebswirtschaftliche Entscheidung der Beschwerdeführerin, das SB-Restaurant nicht mehr aufzubauen, zurückzuführen. Dieser Verschlechterung der Liquidität sei im Gegenzug die durch die Schuldentilgung entstandene Verbesserung der Eigenkapitalquote gegenüber zu stellen. Die Entscheidung, das SB-Restaurant nicht mehr aufzubauen, sei aber kein Notstand im Sinne des § 206 BAO, weil sie eine von der Beschwerdeführerin bewusst getroffene Willensentscheidung darstelle. Durch diese Entscheidung habe die Beschwerdeführerin de facto einen Teilbetrieb aufgegeben. Eine Teilbetriebsaufgabe sei steuerlich aber nur unter den Voraussetzungen des § 37 EStG begünstigt. Diese Voraussetzungen seien zweifellos nicht gegeben.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem sich aus § 206 BAO ergebenden Recht auf Berücksichtigung der ertragsteuerlichen Folgen einer Brandkatastrophe im Sinne einer entsprechenden Minderung der Einkommensteuer für 2003 verletzt".
Diese Bestimmung in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 124/2003, lautet:
"§ 206. Die Abgabenbehörde kann von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen,
a) soweit Abgabepflichtige von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes betroffen werden, vor allem soweit abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden (insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden) veranlasst worden sind;
b) soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird;
c) wenn in einer Mehrheit von gleich gelagerten Fällen der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe der festzusetzenden Abgabe steht."
Vor dem BGBl. I Nr. 124/2003 hatte die Bestimmung in der hier maßgebenden lit. a folgenden Wortlaut:
"Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Festsetzung bestimmter Abgaben ganz oder teilweise Abstand zu nehmen,
a) soweit Abgabepflichtige von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes betroffen wurden;"
Maßnahmen nach § 206 BAO liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde erster und zweiter Instanz (vgl. Ritz, BAO3, § 206 Tz. 1). Seit (dem BGBl. I Nr. 124/2003 zufolge) setzen sie keine oberbehördliche Weisung voraus.
Maßnahmen gemäß § 206 BAO verdrängen die aus § 114 Abs. 1 BAO ableitbare grundsätzliche Verpflichtung der Abgabenbehörden, in allen abgabepflichtigen Fällen dem entstandenen Abgabenanspruch im Sinne des § 4 BAO entsprechende Abgabenfestsetzungen vorzunehmen. Sie erfolgen gemäß § 206 BAO von Amts wegen. Wird eine Maßnahme gemäß § 206 BAO von einem Abgabepflichtigen angeregt, so handelt es sich um kein auf eine Erledigung durch Bescheid gerichtetes Anbringen, weshalb eine Ablehnung gegebenenfalls nur formlos zu erfolgen braucht (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 206 Anm. 4 und 5).
Auf eine Maßnahme nach § 206 BAO besteht auch nach der Neufassung des § 206 BAO durch das BGBl. I Nr. 124/2003 kein Rechtsanspruch des Abgabepflichtigen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 238 Blg. XXII. GP, 13). Ein Antragsrecht auf Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Soweit die Einhebung von Abgaben nach der Lage des Falles unbillig ist, steht dem Abgabepflichtigen eine Antragstellung nach § 236 BAO offen.
Da eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin durch das Unterbleiben einer Maßnahme gemäß § 206 BAO somit nicht in Betracht kommt, war die Beschwerde - durch einen gemäß § 12 Abs. 3 BAO gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Ermessen VwRallg8 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2008150195.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-51584