VwGH 27.01.2009, 2008/13/0219
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und in der eidesstättigen Erklärung überprüfte der Beschwerdevertreter am die in der Zeit vom 22. bis 25. September in der Rechtsanwaltskanzlei eingelangten Schriftstücke persönlich auf von diesen allenfalls ausgelöste Fristen. Dabei kann allerdings von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er sich mit dem Inhalt der Schriftstücke, auch wenn diese mit anderen zusammengeheftet sind, im Einzelnen vertraut macht. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2008/13/0220
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über den Antrag des C in A, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach 108, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1150-W/06 u. RV/1149-W/06, betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren für die Jahre 1999 bis 2001 sowie Umsatz- und Einkommensteuer für den Zeitraum 1999 bis 2001, und in der Beschwerdesache derselben Partei gegen den eben genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluss vom , VH 2008/13/0027-2, bewilligte der Verwaltungsgerichtshof der beschwerdeführenden Partei zur Beschwerdeerhebung gegen den angefochtenen Bescheid die Verfahrenshilfe u.a. durch Beigebung eines Rechtsanwaltes. Dieser Beschluss enthielt auch den Hinweis, dass die Frist zur Erhebung der Beschwerde laut § 26 Abs. 3 VwGG mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen beginne.
Der Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer bestellte mit Bescheid vom den Beschwerdevertreter als Verfahrenshelfer und übermittelte diesen Beststellungsbescheid in dreifacher Ausfertigung an den Verwaltungsgerichtshof (Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes vom ).
Vom Verwaltungsgerichtshof wurde eine zweite Ausfertigung des Bewilligungsbeschlusses vom zusammen mit einer (zweiten) Ausfertigung des Bestellungsbescheides der Rechtsanwaltskammer vom und einer Ablichtung des angefochtenen Bescheides dem zur Verfahrenshilfe bestellten Beschwerdevertreter übermittelt und diesem lt. der Übernahmebestätigung auf dem Rückschein am zugestellt. Die Zustellung einer dritten Ausfertigung des Bewilligungsbeschlusses vom samt einer (dritten) Ausfertigung des Bestellungsbescheides vom erfolgte weiters an den Beschwerdeführer (Zustellung durch Hinterlegung am ).
Mit einem am zur Post gegebenen, am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde, wobei er unter einem auch die Beschwerde erhob.
Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, der Kanzleipartner des Beschwerdevertreters sei im September 2008 nicht in der Kanzlei anwesend gewesen, der Beschwerdevertreter selbst "wegen privater Verpflichtungen in der Zeit vom 22. bis zum 24. September ebenfalls nicht". Die für den Posteingang (und das Fristenwesen) zuständige Mitarbeiterin sei am 23. September beim Arzt und ab 25. September auf Urlaub gewesen. Die Post sei zwar in Empfang genommen worden, die Poststücke seien aber nur abgestempelt und daraufhin geprüft worden, ob sofortige Maßnahmen erforderlich seien. Alles andere sei auf später verschoben worden.
Der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , mit dem der Beschwerdevertreter zum Verfahrenshelfer für den Beschwerdeführer bestellt worden sei, sei gemeinsam mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom über die Bewilligung der Verfahrenshilfe und der in Beschwerde gezogenen Berufungsentscheidung am zugestellt worden. Diese Schriftstücke seien zusammengeheftet gewesen, "wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs über die Bewilligung der Verfahrenshilfe sozusagen das Deckblatt gebildet hat und daher mit dem Eingangsstempel versehen wurde". Am sei der Bestellungsbescheid der Rechtsanwaltskammer dem gefertigten Rechtsanwalt "ein zweites Mal zugestellt" und entsprechend mit dem Eingangsstempel der Kanzlei versehen worden. An diesem Tag seien auch die durch die in der Zeit vom 22. bis zum 25. September zugestellten Schriftstücke ausgelösten Fristen geprüft, in das Fristenvormerkbuch eingetragen und auf dem den Lauf der Frist auslösenden Schriftstück vermerkt worden. Da der Bestellungsbescheid "gesondert vorhanden" gewesen sei, sei übersehen worden, dass neben anderen Unterlagen auch der Bestellungsbescheid dem am eingegangenen Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe angeheftet gewesen sei. Es sei dem Beschwerdevertreter "nicht erinnerlich, dass es früher schon einmal vorgekommen wäre, dass ihm der Bestellungsbescheid doppelt zugestellt wurde". Die Frist sei daher ausgehend vom Eingangsstempel berechnet und als letzter Tag der vermerkt worden. Der Irrtum sei am 6. November bemerkt worden, "als die dem Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe angeheftete Entscheidung abgetrennt wurde, um sie der gegenständlichen Beschwerde beilegen zu können".
Neben einer "eidesstättigen Erklärung" des Beschwerdevertreters sind dem Wiedereinsetzungsantrag auch "beide Bestellungsbescheide im Original" als Bescheinigungsmittel angeschlossen. Bei den zuletzt genannten beiden Bescheinigungsmitteln handelt es sich jeweils sowohl um den - jeweils zusammengehefteten - Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes über die Bewilligung der Verfahrenshilfe vom und den Bescheid der Rechtsanwaltskammer über die Vertreterbestellung vom . Der mit dem Eingangsstempel "" der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdevertreters versehene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom (dem auch eine Ausfertigung des Bestellungsbescheides vom angeheftet ist) weist als Aufdruck u.a. auch den Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes vom auf, der auch den Vermerk "2.A" (für 2. Ausfertigung) enthält. Dem mit dem Eingangsstempel der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdevertreters
"" versehenen Bestellungsbescheid vom ist ebenfalls der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom angeheftet. Der dort aufscheinende Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes vom trägt den Vermerk "3.A" (für 3. Ausfertigung). Das oberste Blatt bildet in beiden Fällen der Bestellungsbescheid. Die Funktion des Bewilligungsbeschlusses als "Deckblatt" ergibt sich bei der am zugestellten Sendung nur daraus, dass der Bestellungsbescheid nach hinten gefaltet wurde, wobei die am mit dem Eingangsstempel des Beschwerdevertreters versehene Sendung Spuren einer gleichartigen Faltung aufweist. Die Kuverts, in denen die Sendungen beim Beschwerdevertreter einlangten, sind dem Wiedereinsetzungsantrag nicht angeschlossen.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein dem Vertreter der Partei widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat (siehe die hg. Beschlüsse vom , 2005/13/0043, vom , 2003/15/0145, und vom , 2001/13/0024 und 0025).
Ebenso entspricht es ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erstatteten Behauptungen des Antragstellers vorgegeben wird (siehe auch hiezu den bereits zitierten hg. Beschluss vom , 2003/15/0145, sowie weiters etwa den hg. Beschluss vom , 2005/13/0177).
Das Antragsvorbringen des Beschwerdeführers erlaubt es dem Gerichtshof nicht, die im Beschwerdefall unterlaufene Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit einem rechtlich als Wiedereinsetzungsgrund qualifizierbaren Sachverhalt in Zusammenhang zu bringen.
Hat die Partei innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt für sie nach § 26 Abs. 3 VwGG die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Der Bescheid ist durch den Verwaltungsgerichtshof zuzustellen.
Die den Fristenlauf zur Beschwerdeerhebung gemäß § 26 Abs. 3 VwGG auslösende Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer erfolgte zusammen mit der Zustellung einer Ausfertigung des hg. Beschlusses über die Gewährung der Verfahrenshilfe und einer Ablichtung des angefochtenen Bescheides im vorliegenden Fall unstrittig am .
Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und in der eidesstättigen Erklärung überprüfte der zum Verfahrenshelfer bestellte Beschwerdevertreter am die in der Zeit vom 22. bis 15. September in der Rechtsanwaltskanzlei eingelangten Schriftstücke persönlich auf von diesen allenfalls ausgelöste Fristen. Dabei kann allerdings von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er sich mit dem Inhalt der Schriftstücke, auch wenn diese mit anderen zusammengeheftet sind, im Einzelnen vertraut macht. Schon deshalb kann es nicht mehr nur als ein minderer Grad des Versehens angesehen werden, wenn der Beschwerdevertreter bei der Prüfung der eingelangten Post den an den (mit dem Eingangsstempel der Kanzlei "" versehenen) Bewilligungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes angehefteten Bestellungsbescheid der Rechtsanwaltskammer übersehen haben sollte. Dazu kommt, dass die Erklärungsversuche für dieses Versehen im Wesentlichen dahingehend, dass wegen einer weiteren Zustellung des Bestellungsbescheides am dieser "gesondert vorhanden" gewesen sei, nicht stichhältig sind. So ist dem als Bescheinigungsmittel vorgelegten, mit dem Eingangsstempel
"" versehenen Bestellungsbescheid vom nämlich ebenfalls der Bewilligungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom beigeheftet. Damit war der Bestellungsbescheid insoweit auch nicht nur "gesondert vorhanden", sodass der am eingelangte Bestellungsbescheid auch nicht ohne weiteres etwa nur als Nachhang zu den bereits am seitens des Verwaltungsgerichtshofes übermittelten Schriftstücken (die ebenfalls den Bewilligungsbeschluss enthielten) gesehen werden konnte. Weiters wird im Wiedereinsetzungsantrag in keiner Weise erläutert, weshalb der Beschwerdevertreter überhaupt davon ausgehen konnte, dass die am in der Rechtsanwaltskanzlei eingelangten Schriftstücke vom Verwaltungsgerichtshof stammten. Nach dem auf diesen (dem Bewilligungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes) u. a. ausgewiesenen Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes vom handelte es sich vielmehr um die an die beschwerdeführende Partei zugestellte "3. Ausfertigung", sodass diese Schriftstücke der Rechtsanwaltskanzlei vom Beschwerdeführer übermittelt worden sein mussten.
Der Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Frist zur Erhebung der Beschwerde begann damit gemäß § 26 Abs. 3 VwGG mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an den Beschwerdevertreter am , einem Montag, zu laufen und endete am Montag, dem . Die erst am zur Post gegebene Beschwerde war somit verspätet und war - im Zusammenhang mit der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am
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Norm | VwGG §46 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2009:2008130219.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-51579