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VwGH 29.01.2009, 2008/07/0217

VwGH 29.01.2009, 2008/07/0217

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
RS 1
Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde gemäß § 27 VwGG ist - anders als bei einem Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs 2 AVG - nicht entscheidend, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belBeh zurückzuführen ist (Hinweis E VS , 85/18/0078, VwSlg 12088 A/1986). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist demnach, daß die oberste in dieser Angelegenheit anrufbare Verwaltungsbehörde trotz Bestehen einer Entscheidungspflicht nicht innerhalb von sechs Monaten - oder einer im Gesetz vorgesehenen längeren Frist - entschieden hat.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 97/07/0146 B RS 1
Normen
VwGG §55 Abs1;
VwGG §55 Abs2 Z3 idF 2008/I/004;
RS 2
Hat es die belangte Behörde verabsäumt, darzustellen, dass die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben wird, so kann der VwGH nicht finden, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Z 3 VwGG im Gegenstand vorliegen. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob die Säumnisbeschwerde selbst mutwillig eingebracht wurde, sondern darauf, ob die Verwaltungsangelegenheit, bei deren Erledigung die Behörde säumig geworden ist, mutwillig betrieben wurde. Dass auch die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben worden sei, wird von der belangten Behörde nicht behauptet.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, in der Beschwerdesache des M V, vertreten durch Rechtsanwalt MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger, Rechtsanwalt in 6840 Götzis, Dr.-A.-Heinzle-Straße 34, gegen den Landesagrarsenat beim Amt der Vorarlberger Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Güterweges D-K, den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 773,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der vorliegenden, am beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde vom  machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde in Bezug auf seine am (Aufgabebestätigung) erhobene Berufung gegen den Bescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz vom geltend.

Er brachte vor, am sei erstmals eine mündliche Berufungsverhandlung von der belangten Behörde abgehalten worden. Ob es noch weitere mündliche Verhandlungen geben werde, habe die Vorsitzende der belangten Behörde offen gelassen. Da man mittlerweile bereits den schreibe, seien seit Einbringung der Berufung vom  mehr als sechs Monate vergangen, ohne dass die belangte Behörde ihrer Entscheidungspflicht nachgekommen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung des Bescheides an die beschwerdeführende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde ihren Bescheid vom , dem Beschwerdeführer zugestellt am , vor. Sie legte dar, dass die öffentliche mündliche Verhandlung am stattgefunden habe, in deren Rahmen der Beschwerdeführer eine Fotodokumentation vorgelegt und die Vernehmung des Mieters des Objektes auf einem näher genannten Grundstück, die Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines Sachverständigen und die Übermittlung der Verhandlungsschrift zur Stellungnahme binnen 14 Tagen beantragt habe. Die Vorsitzende habe daraufhin bekannt gegeben, dass die Beratung und Abstimmung in nichtöffentlicher Sitzung erfolge, und - falls (auf Grund der Beweisanträge des Beschwerdeführers) weiter ermittelt werde - dies bekannt gegeben werde, ansonsten die Entscheidung auf schriftlichem Wege ergehe. Mit Schreiben vom sei dem Beschwerdeführer schließlich die Verhandlungsschrift zur Information und Durchsicht zugeleitet worden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach es die Vorsitzende der belangten Behörde offen gelassen habe, ob es noch weitere mündliche Verhandlungen geben werde, seien daher nicht zutreffend.

Die belangte Behörde vertrat weiters die Ansicht, die Säumnisbeschwerde sei im konkreten Fall deshalb unbegründet, weil aus organisatorischen Gründen kein früherer Termin für eine Zusammenführung der Senatsmitglieder festgelegt hätte werden können, und die mündliche Verhandlung sowie die Beratung und Abstimmung durch den Senat vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG stattgefunden habe. Wie die zeitliche Abfolge der Daten der Verhandlungsschrift, des Begleitschreibens an den Beschwerdeführer und des Bescheides selbst zeige, sei nach Abfassung der Verhandlungsschrift durch den Schriftführer, die der Entscheidung des Senates zugrunde zu legen gewesen sei, unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub die schriftliche Ausfertigung und Zustellung des Erkenntnisses an den Beschwerdeführer erfolgt. Diese Fallkonstellation lasse nicht den Schluss zu, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine rechtzeitige Erledigung seiner Anträge durch die Behörde mittels Bescheid verletzt worden sei. Zudem hätte der Beschwerdeführer aus Erfahrung gewusst, dass er innerhalb ein bis drei Wochen mit der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde rechnen habe können. Ausgehend von der am dritten Werktag nach der mündlichen Verhandlung eingebrachten Säumnisbeschwerde könnte der Eindruck entstehen, es gehe nicht um die Entscheidung an sich, sondern vielmehr um das Unterdrucksetzen der belangten Behörde bzw. um mutwillige Inanspruchnahme des Verwaltungsgerichtshofes. Es werde daher die Einstellung des Verfahrens über die Säumnisbeschwerde beantragt und die Zuerkennung des Ersatzes des Schriftsatzaufwandes und des Vorlageaufwandes gemäß § 55 Abs. 2 Z 3 VwGG.

Nach § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden, hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Daten unstrittigen Unterlagen ergibt sich, dass die Entscheidungsfrist über die Berufung des Beschwerdeführers am zu laufen begann.

Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde gemäß § 27 VwGG ist - anders als bei einem Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG - nicht entscheidend, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 85/18/0078, VwSlg 12088 A/1986, ua). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist demnach lediglich, dass die oberste in dieser Angelegenheit anrufbare Verwaltungsbehörde trotz Bestehen einer Entscheidungspflicht nicht innerhalb von sechs Monaten - oder einer im Gesetz vorgesehenen anderen Frist - entschieden hat (vgl. den hg. Beschluss vom , 2008/07/0060, mwN).

Sollte die belangte Behörde mit ihren Ausführungen im Schriftsatz vom , wonach der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine rechtzeitige bescheidmäßige Erledigung seiner Anträge durch die Behörde nicht verletzt worden sei, so zu verstehen seien, dass damit die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde bestritten wird, so übersieht die belangte Behörde, dass die Voraussetzungen des § 27 VwGG im gegenständlichen Fall vorlagen, zumal unstrittig ist, dass die Zustellung des Berufungsbescheides erst am , somit nach Ablauf der am endenden Sechs-Monats-Frist des § 27 VwGG, erfolgte.

Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Die belangte Behörde verwies in ihrem Kostenersatzantrag auf die Bestimmung des § 55 Abs. 2 Z 3 VwGG.

§ 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG regelt die Höhe des dem Beschwerdeführer bei Nachholung des versäumten Bescheides zuzusprechenden Aufwandersatzes.

§ 55 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 4/2008 hat folgenden Wortlaut:

"(2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn

1. die belangte Behörde Gründe nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich gemacht haben, und diese Gründe dem Beschwerdeführer vor Einbringung der Säumnisbeschwerde bekannt gegeben hat,

2. die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war oder

3. die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben wird."

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Z 3 VwGG im Gegenstand vorliegen, zumal es die belangte Behörde verabsäumt, darzustellen, dass die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben wird. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob - in diese Richtung gingen die Ausführungen der belangten Behörde - die Säumnisbeschwerde selbst mutwillig eingebracht wurde, sondern darauf, ob die Verwaltungsangelegenheit, bei deren Erledigung die Behörde säumig geworden ist, mutwillig betrieben wurde. Dass auch die der Säumnisbeschwerde zugrunde liegende Verwaltungssache mutwillig betrieben worden sei, wird von der belangten Behörde nicht behauptet.

Darüber hinaus ist auch nicht davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 55 Abs. 2 Z 1 oder 2 VwGG verwirklicht worden wäre. Dass die belangte Behörde Gründe für die nicht fristgerechte Erlassung des Bescheides dem Beschwerdeführer vor Einbringung der Säumnisbeschwerde bekannt gegeben hat, ist ebenso wenig hervorgekommen, wie die Zurückführung der Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei.

Lag aber die Ausnahmebestimmung des § 55 Abs. 2 VwGG nicht vor, so war unverändert die Kostenbestimmung des § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG anzuwenden. Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich daher auf diese Bestimmung in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

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Normen
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §55 Abs1;
VwGG §55 Abs2 Z3 idF 2008/I/004;
Schlagworte
Anrufung der obersten Behörde
Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche
Angelegenheiten
Binnen 6 Monaten
Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2008070217.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-51523