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VwGH 23.01.2009, 2008/02/0030

VwGH 23.01.2009, 2008/02/0030

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §103;
ParkometerG Wr 1974 §1a;
ParkometerG Wr 1974 §4 Abs2;
VStG §24;
VwRallg;
RS 1
Nach der Rechtsprechung des VwGH (Hinweis E VS , 90/18/0091, VwSlg 13451A/1991), verpflichtet die Bezeichnung einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung an administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, als Lenker iSd mit § 1a Wr ParkometerG vergleichbaren Regelung des § 103 Abs 2 KFG, den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem Verwaltungsverfahren (Verwaltungsstrafverfahren). Die Beh kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die Beh in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu grundsätzlich bereit, reichen aber dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Beh (noch) nicht aus, so hat ihn die Beh zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbstständige Ermittlungen anzustellen. Die Unterlassung dieser Vorgangsweise wird regelmäßig die Bestrafung des Zulassungsbesitzers wegen Verletzung seiner Auskunftspflicht nach § 103 Abs 2 KFG (ebenso nach § 1a Wr ParkometerG) mit Rechtswidrigkeit belasten.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 98/17/0363 E RS 1
Normen
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;
RS 2
Die Behörde ist dann berechtigt, die Verantwortung eines Beschuldigten, er habe ein mehrspuriges Fahrzeug im Tatzeitpunkt einer mit Namen und Anschrift näher bezeichneten Person mit Wohnsitz im Ausland überlassen, auch ohne den Versuch zur amtlichen Überprüfung dieser Angaben als unrichtig zu qualifizieren, wenn der Beschuldigte die Glaubhaftmachung der Existenz dieser Person und/oder deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt grundlos verweigert.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 91/17/0175 E RS 1
Normen
KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
RS 3
Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung der Existenz einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren Aufenthalt in Österreich zur Tatzeit zu versuchen, dann wird die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland

befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu aber grundsätzlich bereit, reichen dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbständige Ermittlungen anzustellen. Die Unterlassung dieser Vorgangsweisen wird regelmäßig die Bestrafung des Zulassungsbesitzers wegen Verletzung seiner Auskunftspflicht nach § 103 Abs 2 KFG mit Rechtswidrigkeit belasten (Hinweis E , 88/02/0210).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/18/0200 E RS 3 (hier ohne den ersten Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des R P in W, vertreten durch Dr. Christian Leskoschek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19/17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-ME-06-0106, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertreung nach außen berufene Organ der Zulassungsbesitzerin eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges, in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der St. V. GesmbH in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft nicht dafür gesorgt habe,. dass der Bezirkshauptmannschaft M. auf deren schriftliche Anfrage vom innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung darüber Auskunft erteilt worden sei, wer dieses Kraftfahrzeug am um 9:45 Uhr an einem näher genannten Ort gelenkt habe.

Er habe dadurch eine Übertretung gemäß § 103 Abs. 2 iVm § 134 Abs. 1 KFG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat (vgl. nur das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 90/18/0091 = VwSlg Nr. 13451 A, mwN), verpflichtet die Bezeichnung einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung an administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, als Lenker im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG, den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem Verwaltungs(straf)verfahren. Die Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu grundsätzlich bereit, reichen aber dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbstständige Ermittlungen anzustellen. Die Unterlassung dieser Vorgangsweise wird regelmäßig die Bestrafung des Zulassungsbesitzers wegen Verletzung seiner Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG mit Rechtswidrigkeit belasten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0363).

Im Beschwerdefall war daher die Verwaltungs(straf)behörde im Sinne der Grundsätze der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt, nach Scheitern der Kontaktaufnahme mit der vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen Lenkerin, zweckdienliche Angaben vom Beschwerdeführer im Rahmen dessen erhöhter Mitwirkungspflicht zu verlangen.

Die erstinstanzliche Behörde hat dem Beschwerdeführer sodann mit Aufforderung zur Rechtfertigung am vorgehalten, dass die Adresse der bekannt gegebenen Lenkerin ungenau angegeben worden sei, weil die Postleitzahl gefehlt habe und ihm mitgeteilt, dass die Adresse nach telefonischer Rücksprache zwar vollständig, die Zustellung in Ungarn aber trotzdem nicht möglich gewesen sei.

Der Beschwerdeführer ging in seiner Stellungnahme vom davon aus, dass das an Frau S. gerichtete Schreiben mit einem Postvermerk retourniert worden sei, erklärte sich bereit, die Zustellprobleme bei der ungarischen Post aufzuklären und legte Urkunden zu seinem Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnissen bei (u.a. die Heiratsurkunde betreffend seine Eheschließung mit der von ihm bekannt gegebenen Lenkerin).

Wie bereits ausgeführt, ist die Behörde aber nur dann berechtigt, die Verantwortung eines Beschuldigten, er habe ein mehrspuriges Kraftfahrzeug im Tatzeitpunkt einer mit Namen und Anschrift näher bezeichneten Person mit Wohnsitz im Ausland überlassen, auch ohne den Versuch zur amtlichen Überprüfung dieser Angaben als unrichtig zu qualifizieren, wenn der Beschuldigte die Glaubhaftmachung der Existenz dieser Person und /oder deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt grundlos verweigert. Ist der Beschuldigte dazu aber grundsätzlich bereit, reichen bloß dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde nicht aus, so hat ihn die Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbstständige Ermittlungen anzustellen.

Im Beschwerdefall hat die erstinstanzliche Behörde solche Ermittlungen nach der Aktenlage nicht angestellt und den Beschwerdeführer (der nach der Aktenlage zur Mitwirkung bei der Feststellung des Lenkers bereit war) auch nicht aufgefordert, Behauptungen zur Glaubhaftmachung über den Aufenthalt seiner Ehefrau in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt aufzustellen.

Da somit nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels ein anderer Bescheid hätte erlassen werden können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §103;
KFG 1967 §134 Abs1;
ParkometerG Wr 1974 §1a;
ParkometerG Wr 1974 §4 Abs2;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland
VwRallg12
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime
Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1
Besondere Rechtsgebiete
"zu einem anderen Bescheid"
Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens
Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht
Beweismittel Beschuldigtenverantwortung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2008020030.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-51477