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VwGH 16.12.2009, 2007/20/0482

VwGH 16.12.2009, 2007/20/0482

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Abweisende ausländische Asylentscheidungen stehen der Durchführung eines inhaltlichen Asylverfahrens in Österreich nicht entgegen (vgl. , 2006/20/0414).
Normen
RS 2
Im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides sind die Verwaltungsbehörden wie auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - gebunden, wobei mit einem solchen Bescheid - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - auch die Zuständigkeitsordnung in dieser Sache festgelegt ist. Diese Bindung besteht auch bei Aufhebung eines (verfahrensrechtlichen) Zurückweisungsbescheides (Hinweis E , 96/07/0127).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2004/07/0010 E RS 3 (Hier: Ausgehend von dieser Bindung kann die inhaltlich unzutreffende Rechtsansicht des UBAS ("Sperrwirkung" ausländischer Asylentscheidungen) im angefochtenen Bescheid nicht mehr aufgegriffen werden.)
Normen
RS 3
Entspricht ein die Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG tragendes Begründungselement nicht dem Gesetz, führt dies - wegen der Bindungswirkung auch dieses Begründungselementes für das weitere Verfahren - zur Rechtswidrigkeit des Behebungsbescheides (vgl. E , 2001/07/0067).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofrätin Dr. Pollak, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 266.542/6/7E-II/04/07, betreffend Behebung eines auf §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 gestützten Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG (mitbeteiligte Partei: R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit. Er reiste gemeinsam mit seinen Brüdern R und I in das Bundesgebiet ein und beantragte am darauf folgenden Tag Asyl. Sein Vater sei im Jänner 2003 widerrechtlich festgenommen worden und seither verschwunden. Aus diesem Grunde drohe auch dem Mitbeteiligten Verfolgung.

Das Bundesasylamt wies diesen Asylantrag mit Bescheid vom gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) zurück, stellte gemäß Artikel 13 iVm Artikel 16 Abs. 1 lit c der Dublin-Verordnung die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Asylantrages fest und wies den Mitbeteiligten gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG dorthin aus.

In Erledigung der dagegen erhobenen Berufung behob die belangte Behörde mit Bescheid vom die erstinstanzliche Entscheidung und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Begründend führte sie aus, die zuständige polnische Behörde habe - entgegen den Ausführungen des Bundesasylamtes - der Wiederaufnahme des Mitbeteiligten gemäß Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin-Verordnung zugestimmt; diese Bestimmung beziehe sich aber auf die Wiederaufnahme eines Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag der zur Aufnahme verpflichtete Staat abgelehnt habe. Sollte ein früherer Asylantrag des Mitbeteiligten in Polen bereits rechtskräftig abgewiesen worden sein, wäre eine neuerliche Antragstellung in Österreich wegen der aus Art. 3 Abs. 1 Dublin-Verordnung erfließenden, § 68 Abs. 1 AVG vergleichbaren Sperrwirkung als unzulässig zu erachten.

Das Bundesasylamt wies daraufhin mit Bescheid vom den Asylantrag neuerlich gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurück, stellte die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Asylantrages gemäß Artikel 13 iVm Artikel 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung fest und wies den Mitbeteiligten gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG dorthin aus.

Mit Bescheid vom behob die belangte Behörde diese erstinstanzliche Entscheidung und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt. Die belangte Behörde verwies in diesem Bescheid auf die Begründung in ihrem Bescheid vom . Das Bundesasylamt habe entschieden, ohne der im Bescheid vom ausgedrückten bindenden Rechtsansicht Rechnung zu tragen. Die erstinstanzliche Entscheidung werde daher neuerlich aus den bereits im Berufungsbescheid vom angeführten Gründen behoben.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab, stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei, und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

In Erledigung der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung hob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende

Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde stützte die Aufhebung tragend auf zwei

Gründe:

1. Die belangte Behörde trug der erstinstanzlichen Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auf, sich mit dem "jüngsten Ermittlungsstand" auseinander zu setzen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/20/0771, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, sind die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen, welche in den Verfahren, auf die in dem angefochtenen Bescheid pauschal verwiesen wird, erstattet wurden (also der im angefochtenen Bescheid bezeichnete "jüngste Ermittlungsstand"), nicht nachvollziehbar. Sie sind in sich widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, die zusammenfassende Behauptung der Sachverständigen hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit eines beliebigen Tschetschenen zu tragen.

Mangelhafte Gutachten bilden aber keinen "Ermittlungsstand", der vom Bundesasylamt zu beachten und zu dessen Behandlung eine mündliche Verhandlung unvermeidlich ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 2007/20/0210, 0211 und 0228).

2. Ergänzend verwies die belangte Behörde darauf, eine meritorische Erledigung des dem Verfahren zu Grunde liegenden Antrages erfordere (wie schon im Berufungsbescheid vom "überdeutlich festgehalten"), dass der vom Mitbeteiligten bereits früher in Polen gestellte Asylantrag dort noch nicht rechtskräftig erledigt worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass das Bundesasylamt in diese Richtung Ermittlungen angestellt habe. Auch aus diesem Grunde sei die neuerliche Behebung unvermeidlich.

Abweisende ausländische Asylentscheidungen stehen der Durchführung eines inhaltlichen Asylverfahrens in Österreich nicht entgegen (vgl. das zum Dubliner Übereinkommen ergangene, in der Argumentation auch auf die Dublin-Verordnung zutreffende Erkenntnis vom , Zl. 2006/20/0414). Die gegenteilige Rechtsansicht hat die belangte Behörde aber bereits in den unbekämpften Aufhebungsbescheiden vom und geäußert. Die in der Begründung rechtskräftiger Aufhebungsbescheide nach § 66 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende, die Aufhebung und Zurückverweisung tragende Rechtsansicht der Berufungsbehörde ist, solange die dafür maßgebliche Sach- und Rechtslage keine Veränderung erfährt, im weiteren Verfahren - auch für die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts - bindend (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 26 ff mwN). Ausgehend von dieser Bindung kann die inhaltlich unzutreffende Rechtsansicht der belangten Behörde ("Sperrwirkung" ausländischer Asylentscheidungen) im angefochtenen Bescheid nicht mehr aufgegriffen werden.

3. Entspricht ein die Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG tragendes Begründungselement nicht dem Gesetz, führt dies - wegen der Bindungswirkung auch dieses Begründungselementes für das weitere Verfahren - zur Rechtswidrigkeit des Behebungsbescheides (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0067). Da das oben zu 1. erörterte Begründungselement gesetzwidrig ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ein Aufwandersatz findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
32003R0343 Dublin-II Art16 Abs1 lite;
32003R0343 Dublin-II Art3 Abs1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 2005 §5a Abs1;
AsylG 2005 §5a Abs4;
AsylG 2005 §8 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1 impl;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland
VwRallg12
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung
des Abspruches und der Rechtskraft
Besondere Rechtsgebiete
Allgemein
Zurückweisung wegen entschiedener Sache
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der
Behörde
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von
Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2007200482.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-51467