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VwGH 25.09.2009, 2007/18/0669

VwGH 25.09.2009, 2007/18/0669

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 1
Obgleich dem Fremden als Absender die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe an eine Behörde trifft (Hinweis E , 2003/06/0043) und er auch den Nachweis zu erbringen hat, dass der weitere Asylantrag tatsächlich bei der Asylbehörde eingebracht worden ist (Hinweis B , 2005/18/0217), kann allein auf Grund der Mitteilung der Erstbehörde in der Berufungsvorlage, dass der besagte Antrag im "AIS" nicht aufscheinen würde, nicht der Schluss gezogen werden, dass kein den Fremden betreffendes Asylverfahren anhängig ist. Dazu bedürfte es weiterer Ermittlungen wie zB einer Anfrage bei der Behörde, bei der der Fremde den Asylantrag seinem Vorbringen zufolge eingebracht hat.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Strohmayer und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des N K in M, geboren am , vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1/IV, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 101/07, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt, der am gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsangehörige J K. geheiratet. Diese Ehe sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Kirchdorf vom wieder geschieden worden. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz 1997 sei am widerrufen worden. Der Beschwerdeführer halte sich seit dem nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er am gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid des Bundesasylamtes Linz vom Berufung erhoben habe, die er am wieder zurückgezogen habe, weil er von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf aufgefordert worden sei, dies zu tun, da ihm sonst eine Niederlassungsbewilligung für den Zweck einer Familiengemeinschaft nicht erteilt werden könne. Es lägen jedoch nach wie vor die von ihm vorgebrachten Asylgründe vor. Darüber hinaus sei ihm zwischenzeitig bekannt geworden, dass neue Asylgründe vorhanden seien, weshalb er am einen weiteren Asylantrag eingebracht habe. Ein näheres Vorbringen zu seinen Asylgründen werde seiner Aussage in der anzuberaumenden mündlichen Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers vorbehalten. Es sei davon auszugehen, dass eine Abschiebung oder Zurückweisung in seine Heimat bereits aus asylrechtlicher Sicht unzulässig sei. Die wesentliche Frage, "inwieweit mir eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukommt, ist als Vorfrage im gegenständlichen Ausweisungsverfahren maßgeblich".

Die belangte Behörde führte weiter aus, dass durch Anfragen vom sowie vom habe festgestellt werden können, dass der am eingebrachte Asylantrag mit Bescheid vom rechtskräftig abgewiesen worden sei. Das dagegen eingebrachte Rechtsmittel der Berufung habe der Beschwerdeführer am zurückgezogen. Entgegen seinen Ausführungen in der Berufungsschrift sowie der dieser beigefügten Kopie eines neuerlichen Asylantrages scheine dieser "in dem entsprechenden Informationssystem" nicht auf.

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens (seit ) rechtswidrig im Bundesgebiet auf. In Anbetracht seines seit dem währenden Aufenthalts im Bundesgebiet sowie der Tatsache, dass er seit dem (wiederum) mit der österreichischen Staatsangehörigen J K. verheiratet sei, die deutsche Sprache erlernt habe und eine diesen Umständen entsprechende Integration vorweise, werde durch die Ausweisung massiv in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde jedoch dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund eines Antrages, welcher sich als unberechtigt erwiesen habe, vorläufig berechtigt gewesen sei. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Der Beschwerdeführer könne seinen Aufenthalt nicht vom Inland aus legalisieren. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden müssen.

Insoweit der Beschwerdeführer auf das Asylverfahren beim Bundesasylamt verweise, werde drauf hingewiesen, "dass entsprechend einer aktuellen Anfrage derzeit ein neuerliches Asylverfahren entgegen der von Ihnen der Berufungsschrift angefügten Beilage, nicht vorliegt".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe "aus Gründen der Vorsicht" mit schriftlicher Eingabe vom beim Bundesasylamt Linz einen (weiteren) Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt. Die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass in einem "Informationssystem" weder die Kopie eines "neuerlichen Asylantrages" aufscheine noch das erste Asylverfahren im Berufungsstadium anhängig sei. Für die belangte Behörde wäre es im Wege der ihr zustehenden Amtshilfe leicht möglich gewesen, sowohl beim unabhängigen Bundesasylsenat Wien als auch beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, entsprechende schriftliche Anfragen zu tätigen, um beurteilen zu können, inwieweit das bzw. die Asylverfahren "offen" oder "rechtskräftig entschieden" seien.

1.2. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in seiner gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid erhobenen Berufung u.a. vorbrachte, dass er "beim Asylamt Linz einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz" gestellt habe. Diesen mit datierten Asylantrag hat der Beschwerdeführer der Berufung in Kopie beigelegt. Mit Schreiben vom teilte die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems der belangten Behörde im Rahmen der Berufungsvorlage mit, dass der vom Beschwerdeführer genannte Asylantrag vom "im AIS (Asylwerberinformationssystem) nicht aufscheint". Weitere Erhebungen hat die belangte Behörde nach Aktenlage bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgenommen.

Obgleich dem Beschwerdeführer als Absender die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe an eine Behörde treffen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0043) und er auch den Nachweis zu erbringen hätte, dass der in Rede stehende weitere Asylantrag tatsächlich bei der Asylbehörde eingebracht worden ist (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2005/18/0217), kann vorliegend allein auf Grund der Mitteilung der Erstbehörde in der Berufungsvorlage, dass der besagte Antrag im "AIS" nicht aufscheinen würde, nicht der Schluss gezogen werden, dass kein den Beschwerdeführer betreffendes Asylverfahren anhängig sei. Dazu bedürfte es weiterer Ermittlungen wie z.B. einer Anfrage bei der Behörde, bei der der Beschwerdeführer den Asylantrag seinem Vorbringen zufolge eingebracht hat.

(Im Verwaltungsakt finden sich Aktenvermerke über ein Telefonat mit dem unabhängigen Bundesasylsenat und über ein Telefonat mit dem Bundesasylamt Linz, jeweils vom , die nach der am erfolgten Erlassung des angefochtenen Bescheides durchgeführt worden sind, wobei die darüber angelegten Aktenvermerke gemäß § 17 Abs. 3 AVG von der belangten Behörde als von der Akteneinsicht ausgenommen angesehen wurden.)

Sollte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag eingebracht haben, so könnte die Behörde zu einem anderen Bescheid gelangen (vgl. § 1 Abs. 2 FPG).

2. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer (vgl. Mayer, B-VG4, § 48 VwGG I.4.), sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren abzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel
Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde
"zu einem anderen Bescheid"
Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens
Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2007180669.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-51463