VwGH 28.04.2008, 2007/18/0280
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | 11997E018 EG Art18; 11997E039 EG Art39; EURallg; NAG 2005 §47; NAG 2005 §51; NAG 2005 §52 Z1; NAG 2005 §54 Abs1; NAG 2005 §57; |
RS 1 | Sind die Fremden drittstaatszugehörige Angehörige eines Österreichers (bzw. EWR-Bürgers oder Schweizers), der einen grenzüberschreitenden Freizügigkeitssachverhalt iSd Art. 18 und 39 ff EG verwirklicht hat (Hinweis E ), so wird das (gemeinschaftsrechtliche) Aufenthalts- und Niederlassungsrecht schon mit der Einreise begründet (§ 57 iVm § 54 Abs. 1 und § 52 Z. 1 bis 3 NAG 2005). Die allgemeinen Voraussetzungen des 1. Teils des NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (insbesondere Unterhaltsmittel am Maßstab der Ausgleichszulagenrichtsätze, ortsübliche Unterkunft, Eingehen einer Integrationsvereinbarung) kommen nicht zur Anwendung. Gemäß § 55 Abs. 1 und § 57 NAG 2005 besteht nur dann kein gesetzliches Niederlassungsrecht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt (also zB besteht es nicht bei fehlendem Krankenversicherungsschutz oder bei ungenügenden Existenzmitteln). Ist die eingangs genannte Voraussetzung nicht erfüllt, weil das zur Ausübung der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit iSd Art. 18 und 39ff EG notwendige grenzüberschreitende Element fehlt, so kommt § 47 NAG 2005 und nicht die Bestimmungen über das gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsrecht nach dem 4. Hauptstück (§§ 51 ff NAG 2005) zur Anwendung (Hinweis E , 2006/18/0414). (Hier: Die Aufenthaltstitel der Fremden dürften gemäß § 47 Abs. 2 und 5 NAG 2005 iVm § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG 2005 nur verlängert werden, wenn der Aufenthalt der Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (§ 11 Abs. 5 NAG 2005), es sei denn, die Erteilung des Aufenthaltstitels wäre gemäß § 11 Abs. 3 NAG 2005 aus Gründen des Art. 8 MRK geboten, was bereits im vorliegenden Ausweisungsverfahren im Rahmen des § 66 FrPolG 2005 zu prüfen ist (vgl. zur Bindung bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen an eine im rechtskräftigen Ausweisungsbescheid getroffene Feststellung, dass der Fremde durch die Ausweisung in seinen durch Art. 8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht verletzt wird, das Erkenntnis des ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2007/18/0400 E RS 3
(hier erster und vierter Satz) |
Normen | |
RS 2 | Beim Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" iSd § 47 Abs. 1 und 2 NAG 2005 handelt es sich um einen Erstantrag iSd § 21 Abs. 1 NAG 2005. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend muss die Fremde daher grundsätzlich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten (Hinweis E , 2007/18/0286). |
Normen | |
RS 3 | Die Fremde kann die Voraussetzung einer bisherigen rechtmäßigen Niederlassung iSd § 21 Abs. 2 Z 2 NAG 2005 nicht erfüllen, weil sie (auch) im Zeitraum bis zum der Sichtvermerkspflicht unterlegen ist, ihr aber ein Aufenthaltstitel nicht erteilt wurde (vgl. § 30 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 2 FrG 1997). Eine gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsberechtigung, die die Sichtvermerkspflicht ausschließen würde, kam der Fremden auch vor dem nicht zu (Hinweis E , 2008/18/0094; E , 2006/18/0490). |
Normen | |
RS 4 | § 73 Abs. 4 NAG 2005 sieht die Möglichkeit vor, trotz des Vorliegens von Versagungsgründen eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu erlangen, wenn deren Erteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK bzw. des § 11 Abs. 3 NAG 2005 geboten erscheint. Werden humanitäre Gründe geltend gemacht und liegen diese vor, so hat die Behörde die begehrte Bewilligung zu erteilen, wobei entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG 2005 ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen ist (Hinweis E , 2007/18/0286). |
Normen | MRK Art8; NAG 2005 §21 Abs1; |
RS 5 | Dem Vorbringen der Fremden, sie sei nach den zum Antragszeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen berechtigt gewesen, den Antrag in Österreich einzubringen, und es könne nicht ihr angelastet werden, dass das Verfahren bei der Fremdenpolizei Wien eine so lange Zeit in Anspruch genommen habe, ist nicht zu entnehmen, dass ein besonderer Ausnahmefall vorliegen würde, der eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht auf Familienleben erfordert, und dass die Fremde in ihren durch Art. 8 MRK gewährleisteten Rechten verletzt werden würde, wenn sie die Entscheidung über einen gemäß § 21 Abs. 1 NA 2005 grundsätzlich im Ausland zu stellenden Antrag auf Familienzusammenführung im Ausland abwarten müsste (Hinweis E , 2008/18/0094). |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2008/18/0118 E
2007/18/0384 E
2008/18/0034 E
2008/18/0020 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der MH in W, geboren am , vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 315.806/2-III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsngehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei mit einem vom 7. bis gültigen Visum C nach Österreich eingereist und halte sich seither illegal im Bundesgebiet auf. Am habe sie den österreichischen Staatsbürger PH. geheiratet. Seit April 2006 gehe sie einer Erwerbstätigkeit nach.
Da die Beschwerdeführerin noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt habe, sei ihr Antrag als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten. Sie habe diesen Antrag ca. drei Jahre nach Ablauf des Visums gestellt und sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten. Da sie die Voraussetzungen für eine Inlandsantragstellung nicht erfülle, hätte sie den Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet widerstreite den Interessen iSd § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG, weil sie seit Ablauf ihres Visums illegal in Österreich aufhältig sei. Daran könne § 11 Abs. 3 NAG, wonach ein Aufenthaltstitel trotz Fehlens einer der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z. 2 bis 6 NAG erteilt werden könne, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei, nichts zu ändern. Der Antrag sei daher gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. mit anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Das Fremdengesetz 1997 (FrG) ist mit Ablauf des außer Kraft getreten (Art. 5 des Fremdenrechtspaktes 2005, BGBl. I Nr. 100). Die Behörde hatte den vorliegenden, am gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem NAG zu beurteilen. Von daher geht der Hinweis der Beschwerdeführerin, sie habe die zum Zeitpunkt der Antragstellung erforderlichen Voraussetzungen für die Bewilligung ihres Antrages erfüllt, ins Leere (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0414).
2. Es liegen weder konkrete Behauptungen in der Beschwerde noch sonstige Anhaltspunkte dafür vor, dass der österreichische Ehemann der Beschwerdeführerin einen grenzüberschreitenden Freizügigkeitssachverhalt iSd Art. 18 und 39 ff EG verwirklicht hat. Der Beschwerdeführerin kommt ein (gemeinschaftsrechtliches, ex lege wirksames) Aufenthalts- und Niederlassungsrecht (§ 57 iVm § 54 Abs. 1 und § 52 Z. 1 NAG) nicht zu. Daher kommen im vorliegenden Fall (in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise) § 47 NAG und nicht die Bestimmungen über das gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsrecht nach dem 4. Hauptstück (§§ 51 ff NAG) zur Anwendung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/18/0400, mwN, und vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0490).
3. Beim gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" iSd § 47 Abs. 1 und 2 NAG handelt es sich um einen Erstantrag iSd § 21 Abs. 1 NAG. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte die Beschwerdeführerin daher grundsätzlich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0286). Die Voraussetzungen für einen der in § 21 Abs. 2 NAG genannten Fälle, in denen eine Inlandsantragstellung ausnahmsweise zulässig sind, sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin kann die Voraussetzung einer bisherigen rechtmäßigen Niederlassung iSd Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nicht erfüllen, weil sie (auch) im Zeitraum bis zum der Sichtvermerkspflicht unterlegen ist, ihr aber ein Aufenthaltstitel nicht erteilt wurde (vgl. § 30 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 2 Fremdengesetz 1997). Eine gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsberechtigung, die die Sichtvermerkspflicht ausschließen würde, kam der Beschwerdeführerin auch vor dem nicht zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/18/0094, mwN, und nochmals das vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0490).
4.1. § 73 Abs. 4 NAG sieht die Möglichkeit vor, trotz des Vorliegens von Versagungsgründen eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu erlangen, wenn deren Erteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. des § 11 Abs. 3 NAG geboten erscheint. Werden humanitäre Gründe geltend gemacht und liegen diese vor, so hat die Behörde die begehrte Bewilligung zu erteilen, wobei entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2007/18/0286).
4.2. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei nach den zum Antragszeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen berechtigt gewesen, den Antrag in Österreich einzubringen, und es könne nicht ihr angelastet werden, dass das Verfahren bei der Fremdenpolizei Wien eine so lange Zeit in Anspruch genommen habe, ist nicht zu entnehmen, dass ein besonderer Ausnahmefall vorliegen würde, der eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Familienleben erfordert, und dass die Beschwerdeführerin in ihren durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werden würde, wenn sie die Entscheidung über einen gemäß § 21 Abs. 1 NAG grundsätzlich im Ausland zu stellenden Antrag auf Familienzusammenführung im Ausland abwarten müsste (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2008/18/0094, mwN).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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Normen | 11997E018 EG Art18; 11997E039 EG Art39; EURallg; FrG 1997 §30 Abs2; FrG 1997 §5 Abs2; MRK Art8; NAG 2005 §11 Abs3; NAG 2005 §21 Abs1; NAG 2005 §21 Abs2 Z2; NAG 2005 §47 Abs1; NAG 2005 §47 Abs2; NAG 2005 §47; NAG 2005 §51; NAG 2005 §52 Z1; NAG 2005 §54 Abs1; NAG 2005 §57; NAG 2005 §73 Abs4; NAG 2005 §74; VwGG §34 Abs1; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Auslegung Diverses VwRallg3/5 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2007180280.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-51460