VwGH 19.04.2007, 2007/16/0065
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde. Sinn dieser Bestimmung ist es, in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird. Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann allerdings - wie der Verwaltungsgerichtshof für das Bescheidbeschwerdeverfahren ausgesprochen hat - nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist. Dies gilt auch in Säumnisbeschwerdefällen, wenn aus der Beschwerde in ihrem Gesamtzusammenhang (einschließlich allfälliger Beilagen, wie z.B. Berufung an die säumige Behörde) zweifelsfrei hervorgeht, welcher obersten Behörde im Sinne des Art. 132 B-VG die Verletzung der Entscheidungspflicht vorgeworfen wird (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom , 92/17/0223, und das dort angeführte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 85/18/0078, Rechtssatz veröffentlicht in VwSlg 12088 A/1986, wo fallbezogen ausgesprochen wurde, es sei nach der damaligen Aktenlage eindeutig erkennbar, dass sich die Beschwerde nicht gegen den in ihr bezeichneten "Hilfsapparat" des Amtes der Landesregierung, sondern gegen die Landesregierung selbst richte). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/16/0211 B RS 1 |
Normen | B-VG Art132; GdO NÖ 1973 §36; LAO NÖ 1963 §48; VwGG §27; VwGG §28 Abs1 Z1; VwGG §28 Abs1 Z2; VwGG §28 Abs3; VwRallg; |
RS 2 | Es ist unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der belangten Behörde ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom , 88/17/0183, und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie den hg. Beschluss vom , 92/08/0005). Diese Beurteilung gilt angesichts desselben dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG als auch für die Bezeichnung der belangten Behörde in Säumnisbeschwerden gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. (hg. Beschlüsse vom , 90/17/0181, und vom , 2005/16/0211). Gemäß § 48 NÖ AO in der geltenden Fassung iVm § 36 NÖ GemO ist in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in zweiter Instanz der Stadtsenat (Gemeindevorstand) sachlich zuständig. Der Stadtsenat der Stadtgemeinde M hat daher über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M vom zu entscheiden. Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich dem Gemeinderat der Stadtgemeinde M eine Säumnis bei der Entscheidung über die von ihr erhobene Berufung gegen den Bescheid erster Instanz in einer Getränkesteuersache zum Vorwurf gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin mit der so bezeichneten belangten Behörde in Wahrheit den gemäß § 48 NÖ AO iVm § 36 NÖ GemO zuständigen Stadtsenat der Stadtgemeinde M gemeint hat, sind weder der Beschwerde noch der dieser angeschlossenen Beilagen zu entnehmen. Auch die Berufung enthält nämlich keine ausdrückliche Bezeichnung der Berufungsbehörde. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Eine Umdeutung der in der Beschwerde ausdrücklich bezeichneten belangten Behörde in den Stadtsenat der Stadtgemeinde M kommt daher nicht in Betracht (vgl. die hg. Beschlüsse vom , 92/17/0223, und vom , 2005/16/0211). Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG ist es, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag zu entscheiden. Da der im Beschwerdefall belangte Gemeinderat der Stadtgemeinde M zur Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung gar nicht zuständig ist, fehlte der Beschwerdeführerin ihr gegenüber die Beschwerdelegitimation, weil diese Behörde, entgegen der Behauptung in der Säumnisbeschwerde, nicht zur Entscheidung über die Berufung berufen und daher auch nicht diejenige Behörde gewesen ist, durch deren Säumnis die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt werden konnte. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/16/0176 B RS 1
(hier Grundsteuersache; Stadtgemeinde Tulln betroffen; Berufung
erhoben gegen Bescheid des Bürgermeisters vom ) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, in der Beschwerdesache des HZ in T, vertreten durch Mag. Eva Plaz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19/10, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Tulln wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit der Grundsteuer, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Tulln gab der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom betreffend Grundsteuer mit Berufungsvorentscheidung vom keine Folge. Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Schriftsatz vom brachte der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Als belangte Behörde wird der Gemeinderat der Stadtgemeinde Tulln bezeichnet.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde.
Sinn dieser Bestimmung ist es, in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird.
Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann allerdings - wie der Verwaltungsgerichtshof für das Bescheidbeschwerdeverfahren ausgesprochen hat - nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist. Dies gilt auch in Säumnisbeschwerdefällen, wenn aus der Beschwerde in ihrem Gesamtzusammenhang (einschließlich allfälliger Beilagen, wie z.B. Berufung an die säumige Behörde) zweifelsfrei hervorgeht, welcher obersten Behörde im Sinne des Art. 132 B-VG die Verletzung der Entscheidungspflicht vorgeworfen wird (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom , Zl. 92/17/0223, und das dort angeführte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/18/0078, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. N.F. Nr. 12.088/A, wo fallbezogen ausgesprochen wurde, es sei nach der damaligen Aktenlage eindeutig erkennbar, dass sich die Beschwerde nicht gegen den in ihr bezeichneten "Hilfsapparat" des Amtes der Landesregierung, sondern gegen die Landesregierung selbst richte).
Es ist freilich unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der belangten Behörde ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 88/17/0183, und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie den hg. Beschluss vom , Zl. 92/08/0005). Diese Beurteilung gilt angesichts desselben dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG als auch für die Bezeichnung der belangten Behörde in Säumnisbeschwerden gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. (hg. Beschlüsse vom , Zl. 90/17/0181, , Zl. 2005/16/0211, und , Zl. 2005/16/0176).
Gemäß § 48 NÖ AO in der geltenden Fassung iVm § 36 NÖ GemO ist in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in zweiter Instanz der Stadtsenat (Gemeindevorstand) sachlich zuständig.
Der Stadtsenat der Stadtgemeinde Tulln hat daher nach der ergangenen Berufungsvorentscheidung und dem gestellten Vorlageantrag über die Berufung des Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Tulln vom zu entscheiden.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer ausdrücklich dem Gemeinderat der Stadtgemeinde Tulln Säumnis bei der Entscheidung über die von ihm erhobene Berufung gegen den Bescheid erster Instanz in einer Grundsteuersache zum Vorwurf gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer mit der so bezeichneten belangten Behörde in Wahrheit den gemäß § 48 NÖ AO iVm § 36 NÖ GemO zuständigen Stadtsenat der Stadtgemeinde Tulln gemeint hat, sind weder der Beschwerde noch den dieser angeschlossenen Beilagen zu entnehmen. Auch die Berufung enthält keine ausdrückliche Bezeichnung der Berufungsbehörde.
Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es - wie oben schon betont - unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Eine Umdeutung der in der Beschwerde ausdrücklich bezeichneten belangten Behörde in den Stadtsenat der Stadtgemeinde Tulln kommt daher nicht in Betracht (vgl. die oben zitierten hg. Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes).
Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG ist es, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag zu entscheiden
Da der im Beschwerdefall belangte Gemeinderat der Stadtgemeinde Tulln zur Entscheidung über die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gar nicht zuständig ist, fehlte dem Beschwerdeführer dieser Behörde gegenüber die Beschwerdelegitimation, weil sie, entgegen der Behauptung in der Säumnisbeschwerde, nicht zur Entscheidung über die Berufung zuständig und daher auch nicht diejenige Behörde gewesen ist, durch deren Säumnis der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt werden konnte.
Die Säumnisbeschwerde war daher wegen des Fehlens der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | B-VG Art132; GdO NÖ 1973 §36; LAO NÖ 1963 §48; VwGG §27; VwGG §28 Abs1 Z1; VwGG §28 Abs1 Z2; VwGG §28 Abs3; VwRallg; |
Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2007:2007160065.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-51448