VwGH 31.03.2009, 2005/10/0122
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Gemäß §§ 31 Abs. 2 und 3 NÖ NatSchG 2000 umfasst die Verpflichtung des Antragsteller, sein Ansuchen um Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung mit Unterlagen auszustatten, ausschließlich solche Unterlagen, die Aussagen über das zur Genehmigung beantragte Projekt zum Inhalt haben; geht es im Regelungszusammenhang doch darum, den Antragsteller zu einer so umfassenden Darstellung des zur Bewilligung beantragten Vorhabens zu verhalten, dass der Behörde eine taugliche Grundlage für die - unter Beiziehung von Sachverständigen - vorzunehmende Beurteilung vorliegt, ob und inwieweit das Vorhaben einen Eingriff in die Schutzgüter des NÖ NatSchG 2000 mit sich bringt (vgl. das zum insoweit vergleichbaren § 41 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33/1997, ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0229, zur Annahme der Naturschutzbehörde, sie dürfe einem Projektwerber die Vorlage von Unterlagen betreffend "die Beschreibung des vom beantragten Vorhaben noch nicht beeinflussten Naturhaushaltes" auftragen). (hier: Im gegenständlichen Fall erachtete die bel. Behörde die Beibringung einer einjährigen vogelkundlichen Studie hinsichtlich vorkommender Zugvögel, Zugkorridore und Brutvögel im Bereich der verfahrensgegenständlichen Windkraftanlage durch den BF erforderlich) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der Windpark P GmbH in E, vertreten durch Dr. Egon Sattler und Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU5- BE-220/006-2005, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit am bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (BH) eingelangtem Schreiben vom suchte die beschwerdeführende Partei um die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Windkraftanlage H. auf dem Grundstück Nr. 1318, KG. H., an. Am (Einlangen) ergänzte die beschwerdeführende Partei die Einreichunterlagen mit der Zustimmungserklärung der Grundeigentümer und der Bestätigung der Gemeinde F. über die Flächenwidmung des Grundstückes Nr. 1318. Unstrittig mit Telefonat vom teilte der naturkundliche Sachverständige der beschwerdeführenden Partei mit, für die Beurteilung des Vorhabens sei "eine einjährige vogelkundliche Studie" erforderlich.
Mit Schreiben vom kündigte die beschwerdeführende Partei an, sie werde eine solche Studie nicht vorlegen.
Mit Schreiben vom beantragte die beschwerdeführende Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Niederösterreichische Landesregierung (NÖ Landesregierung), weil der Bescheid der BH bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlassen worden war.
Diesen Antrag wies die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom ab.
Mit Bescheid vom wies die BH den Antrag auf naturschutzrechtliche Bewilligung vom ab. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.
Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0218, wurde der oben erwähnte Berufungsbescheid der NÖ Landesregierung vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, der Begründung des Bescheides der NÖ Landesregierung könne nicht entnommen werden, dass einer Entscheidung der Erstbehörde unüberwindliche Hindernisse entgegen gestanden wären, die - trotz zweckentsprechender und zügiger Verfahrensübung - eine Entscheidung vor dem Einlangen des Devolutionsantrages unmöglich gemacht hätten.
Im fortgesetzten Verfahren holte die NÖ Landesregierung eine Stellungnahme der naturkundlichen Amtssachverständigen Mag. K. vom ein. Dieser ist zu entnehmen, eine einjährige ornithologische Untersuchung hinsichtlich vorkommender Zugvögel, Zugkorridore und Brutvögel im Bereich der verfahrensgegenständlichen Windkraftanlage sei durch die beschwerdeführende Partei bisher nicht vorgelegt worden. Eine solche sei aber zur Beurteilung der Auswirkungen der Windkraftanlage auf die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum erforderlich.
Daran anschließend wurde eine allgemeine Empfehlung für den Inhalt der Untersuchung gegeben (Wiedergabe im Original):
"...
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Greifvögel-Winteraspekt | Standardisierte Erhebungen zu Vorkommen, Aktivität und Risiko von gefährdeten und spezifisch gefährdeten Vogelarten | Erfassung von Korridoren, Zugrouten, Rastplätzen und sonstigen Häufungspunkten und - bereichen; | |
Dezember | 2 flächendeckende Vollerhebungen unter hochwinterlichen Bedingungen | ||
Jänner | Ev. 1 Kontrolltag | Miterfassung evtl. vorhandener Schlafplätze und Kiebitzrastplätze | |
Februar | Ev. 1 Kontrolltag | ||
März | Mindestens 2 Kontrolltage (z.B.: 9-15 Uhr) | Miterfassung eventueller markanter Flugkorridore, Nahrungs- und Schlafplatzflüge, Zugkorridore | |
April | Mindestens 2 Kontrolltage (z.B.: 7-13 Uhr) | ||
Mai | Mindestens 2 Kontrolltage (z.B.: 5 - 11 Uhr)evtl. Abend-/Nachtkontrollen | ||
Juni | Mindestens 1 Kontrolltag pro Monat | ||
Juli | |||
August | Mindestens 1 Kontrolltag pro MonatMiterfassung evtl. vorhandener Schlafplätze (evtl. Abend- / Nachtkontrollen) | ||
September | |||
Oktober | |||
November |
..."
Mit Schreiben vom wurde die beschwerdeführende Partei von der NÖ Landesregierung aufgefordert "darzulegen", ob eine einjährige ornithologische Untersuchung im Sinne der Stellungnahme der naturkundlichen Amtssachverständigen Mag. K. vorgelegt werde.
Mit Schreiben vom brachte die beschwerdeführende Partei neuerlich zum Ausdruck, dass sie sich weigere, eine solche Studie vorzulegen.
Mit Bescheid vom wies die NÖ Landesregierung unter Stattgebung des Devolutionsantrags den Antrag vom gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 31 Abs. 2 und - erkennbar gemeint - Abs. 3 des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 (im Folgenden: NÖ NatSchG 2000) zurück (Spruchpunkt I.) und behob - in Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei - gemäß § 66 Abs. 4 AVG den Bescheid der BH vom (Spruchpunkt II.).
In der Begründung zu Spruchpunkt I. führte die NÖ Landesregierung aus, der Antrag vom sei erst mit Vorlage der ergänzenden Unterlagen am gemäß § 31 Abs. 2 NÖ NatSchG 2000 vollständig eingebracht worden. Der Sachverständige habe mit Telefonat vom die Vorlage einer einjährigen ornithologischen Studie für erforderlich gehalten. Damit habe die Behörde gemäß § 31 Abs. 3 NÖ NatSchG 2000 innerhalb von sechs Wochen ab Einlagen des Antrages die Vorlage dieser Studie verlangt. Da sich die beschwerdeführende Partei geweigert habe, eine solche Studie vorzulegen, sei der Antrag vom zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid, und zwar erkennbar nur gegen den Ausspruch hinsichtlich der Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages, richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als kostenpflichtig beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die maßgebenden Bestimmungen des NÖ NatSchG 2000 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 5500-3 lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Abschnitt II
Allgemeine Schutzbestimmungen
...
§ 7
Bewilligungspflicht
(1) Außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), bedürfen der Bewilligung durch die Behörde:
1. die Errichtung und wesentliche Abänderung von allen Bauwerken, die nicht Gebäude sind und die auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Gebäuden stehen und von sachlich untergeordneter Bedeutung sind;
...
Abschnitt VI
Verfahrensbestimmungen
...
§ 31
Antragsverfahren
(1) ...
(2) In Anträgen auf Erteilung von Bewilligungen oder Ausnahmen sind Art, Lage, Umfang und Verwendung des Vorhabens anzugeben sowie die zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen, insbesondere Pläne, Beschreibungen, Skizzen udgl. in dreifacher Ausfertigung sowie ein aktueller Grundbuchsauszug anzuschließen. Ist der Antragsteller nicht Grundeigentümer, ist die Zustimmung des Eigentümers glaubhaft zu machen. Weiters ist der Nachweis darüber zu erbringen, dass die beantragte Bewilligung nicht einem rechtswirksamen überörtlichen oder örtlichen Raumordnungsprogramm widerspricht.
(3) Die Behörde kann innerhalb von sechs Wochen ab Einlangen des Antrages die Vorlage von zusätzlichen Unterlagen verlangen, falls solche zur Beurteilung der voraussichtlichen Auswirkungen eines Vorhabens erforderlich sind.
(4) Die Behörde hat vor Erlassung von Bescheiden, ausgenommen solcher im Strafverfahren, das Gutachten eines Sachverständigen (§ 25) einzuholen.
..."
1.2. Der im Beschwerdefall maßgebende § 13 Abs. 3 AVG lautet:
"Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."
2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
2.1. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, die Errichtung der unstrittig außerhalb des Ortsbereiches liegenden und nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Gebäuden stehenden verfahrensgegenständlichen Windkraftanlage bedürfe einer naturschutzrechtlichen Bewilligung. Diese Auffassung erweist sich als unbedenklich.
2.2.1. Die Beschwerde bringt vor, die Vorlage einer einjährigen ornithologischen Studie sei nicht erforderlich. Ferner habe es die Behörde unterlassen, innerhalb der sechswöchigen Frist gemäß § 31 Abs. 3 NÖ NatSchG 2000 die Vorlage dieser Studie zu verlangen. Ein solches Ersuchen durch die Behörde vermöge das Telefonat des Sachverständigen vom nicht zu ersetzen. Dieser Einwand verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
2.2.2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die unterlassene Vorlage der laut Stellungnahme der naturkundlichen Amtssachverständigen Mag. K. erforderlichen Studie rechtfertige die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages.
Die Lösung des vorliegenden Beschwerdefalles hängt entscheidend von der Frage ab, in welchem Umfang die §§ 31 Abs. 2 und 3 NÖ NatSchG 2000 einen Antragsteller verpflichten, sein Ansuchen um Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung mit Unterlagen auszustatten.
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen umfasst diese Verpflichtung - soweit im Beschwerdefall relevant - die Vorlage der "zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen" (Abs. 2) bzw. "die Vorlage von zusätzlichen Unterlagen ..., falls solche zur Beurteilung der voraussichtlichen Auswirkungen eines Vorhabens erforderlich sind" (Abs. 3). Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Antragsteller solcherart verpflichtet wäre, sein Ansuchen mit Unterlagen über sämtliche für die Erledigung des Antrages maßgeblichen tatsächlichen Umstände zu belegen. Vielmehr sind vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Amtswegigkeit unter "Unterlagen" bzw. "zusätzlichen Unterlagen" ausschließlich solche Unterlagen zu verstehen, die Aussagen über das zur Genehmigung beantragte Projekt zum Inhalt haben. Die Mitwirkungsobliegenheit des Projektwerbers geht aber nicht so weit, dass die Beibringung von Befund und Gutachten über die Beschaffenheit der geschützten Güter und der allfälligen Beeinträchtigung derselben infolge Anführung des Vorhandenen verlangt werden dürfte. Nur in Ansehung des vom Antragsteller geplanten Projektes sind im vorliegenden Zusammenhang der amtswegigen behördlichen Erhebung nämlich Grenzen gesetzt, die eine entsprechende Mitwirkung des Antragstellers erforderlich machen.
Für dieses Auslegungsergebnis, wonach die Verpflichtung des Antragstellers, sein Ansuchen gemäß § 31 Abs. 2 und 3 NÖ NatSchG 2000 mit allen erforderlichen (zusätzlichen) Unterlagen zu belegen, ausschließlich projektsbezogene Unterlagen umfasst, spricht auch der systematische Zusammenhang, in dem sich die betreffenden Regelungen befinden. Im hier relevanten Regelungszusammenhang geht es darum, den Antragsteller zu einer so umfassenden Darstellung des zur Bewilligung beantragten Vorhabens zu verhalten, dass der Behörde eine taugliche Grundlage für die - unter Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen - vorzunehmende Beurteilung vorliegt, ob und inwieweit dieses Vorhaben einen Eingriff in die Schutzgüter des NÖ NatSchG 2000 mit sich bringt (vgl. das zum insoweit vergleichbaren § 41 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33/1997, ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0229, zur Annahme der Naturschutzbehörde, sie dürfe einem Projektwerber die Vorlage von Unterlagen betreffend "die Beschreibung des vom beantragten Vorhaben noch nicht beeinflussten Naturhaushaltes" auftragen).
Indem die belangte Behörde annahm, sie sei gemäß § 31 Abs. 2 und 3 NatSchG nicht nur ermächtigt, der beschwerdeführenden Partei die Vorlage projektbezogener Unterlagen, sondern auch die Vorlage von Unterlagen betreffend die Beschreibung des vom beantragten Vorhaben noch nicht beeinflussten Naturhaushaltes aufzutragen, hat sie die Rechtslage verkannt.
2.3. Der angefochtene Bescheid war daher - ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 aufzuuheben.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2009:2005100122.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-51147