VwGH 25.11.2008, 2005/06/0029
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die in § 166 Z 1 StVG statuierte Pflicht, die Untergebrachten entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen, richtet sich an die Vollzugsbehörden, wenngleich der Untergebrachte gleichzeitig auch einen Anspruch auf diese Betreuung hat. Auch der systematische Zusammenhang dieser Bestimmung mit dem in § 164 StVG geregelten Zweck einer Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB - nämlich den Zustand der Untergebrachten soweit zu bessern, dass die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist, und den Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen - verbietet die Annahme, ein allenfalls auf die angemessene ärztliche Betreuung gerichteter Antrag eines Untergebrachten führe dazu, dass die Vollzugsbehörden von dieser Pflicht bis zur Entscheidung über diesen Antrag entbunden wären. |
Normen | AVG §59 Abs1; AVG §67c Abs3; StGB §21 Abs2; StVG §11; StVG §11g; StVG §120 Abs1; StVG §121 Abs1; StVG §166 Z1; |
RS 2 | Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde dem Anstaltsleiter der Justizanstalt "aufgetragen", den nach § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachten "entsprechend seinem Zustand" ärztlich zu betreuen. Mit dieser Formulierung hat die Vollzugskammer ihre Befugnis, über Beschwerden gegen "jedes" die Rechte der Strafgefangenen "betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten" zu entscheiden, nicht überschritten. Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist nämlich so unbestimmt, dass ihm letztlich nicht mehr als die Feststellung entnommen werden kann, dass der Anstaltsleiter die ihm durch § 166 Z. 1 StVG aufgetragene Verpflichtung verletzt habe. Die Verpflichtung des Anstaltsleiters, den dergestalt als rechtswidrig empfundenen Zustand - die Unterlassung einer vom Gesetz gebotenen medizinischen Behandlung - zu beenden, ergibt sich aus der in den §§ 11 ff und § 120 StVG verankerten Rechtsschutzfunktion der Vollzugskammer ungeachtet der Tatsache, dass die Anwendung des § 67c Abs. 3 AVG gemäß § 11g StVG ausgenommen ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Bundesministerin für Justiz gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz vom , GZ: Vk 35/04-6, betreffend eine Angelegenheit nach dem StVG (mitbeteiligte Partei: I Ö, Justizanstalt S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte war mit rechtskräftigem Urteil des Jugend-Geschworenengerichts beim Landesgericht F. vom zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig war seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB angeordnet worden. Die Anordnung des Vollzuges der mit der Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme war mit in der Justizanstalt X eingelangt.
Am fand eine Aussprache des Mitbeteiligten mit einem Mitarbeiter des psychiatrischen Dienstes (Dr. S) statt, der eine Stellungnahme, die am im Direktionsbüro einging, verfasste.
Am stellte der Beschwerdeführer ein Ansuchen an den Leiter der JA X. auf ehestmögliche Therapiebehandlung und fachärztliche Betreuung. Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin am mitgeteilt, dass eine Besprechung mit der Bundesministerin für Justiz abzuwarten sei.
Am berichtete Dr. S, dass beim Mitbeteiligten der Wunsch zur Psychotherapie gegeben sei, diese aber bis dato nicht eingeleitet worden sei; zum weiteren Procedere hielt er fest, dass dem Wunsch nach zunächst motivierenden und einsichtserzeugenden Gesprächen beim zuständigen Psychologen als Vorbereitung für eine spätere Psychotherapie entsprochen werden sollte.
Am teilte Dr. S mit, dass sich der Mitbeteiligte über mögliche Therapiemaßnahmen erkundige. Er habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass der Beginn einer Therapie noch einige Zeit auf sich warten lassen werde; es werde allerdings versucht, regelmäßige Gespräche zu organisieren. Eine Kopie dieses Vermerks erging an den psychologischen Dienst, der Anstaltsleiter hat diese zur Kenntnis genommen, jedoch keine Anordnungen getroffen.
Der Mitbeteiligte richtete folgendes, mit datiertes Schreiben, das zunächst am , sodann - nach erfolgter Verbesserung - am einlangte, an die belangte Behörde:
"Sehr geehrte Vollzugskammer!
Ich verbüße eine 16-jährige Freiheitsstrafe und wurde zusätzlich zur Anhaltung nach §21 Abs.2 (gemeint: StGB) verurteilt.
Nach der Ablehnung vom OLG Linz im April 2004 habe ich beschlossen, aufgrund der Weigerung von seiten der (JA X) eine Therapie mit mir zu beginnen, mich bei Ihnen darüber zu beschweren und um Hilfe zu bitten
In der Beilage sende ich Ihnen auch die Kopien der Schriftstücke, nach denen ich bereits versucht habe eine Therapie zu bekommen, abgesehen von den vielen Ansuchen, die ich nach §11 StVg hier im Haus gestellt habe.
In der Ablehnung vom OLG-Linz ... wird auch auf das Gutachten
von ... Dr. (H) vom eingegangen in dem es wörtlich heißt: ‚daß eine Zukunftsprognose, ohne langfristig gesicherte und strukturierte Behandlung ungünstig ist.'
Ich brauche und will eine Therapie um mich als jungen Menschen in meiner Persönlichkeit zu festigen und meine Zukunft geordnet bewältigen zu können.
Ich ersuche Sie nochmals um Ihre Hilfe und verbleibe
Mit vorzüglicher Hochachtung
(Unterschrift)"
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Beschwerde Folge und trug dem Leiter der Justizanstalt X auf, den Mitbeteiligten entsprechend seinem Zustand ärztlich zu betreuen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Anstaltsleiter die Beschwerde mit dem Auftrag übermittelt worden sei, zum erhobenen Vorwurf der Nichtdurchführung einer ärztlichen Betreuung Bericht zu erstatten. Unter Vorlage des Personalaktes habe der Anstaltsleiter am ausgeführt, "dass der Untergebrachte der Begutachtungsstelle in der Justizanstalt (W) hinsichtlich einer Erstbegutachtung gemeldet wurde; die Begutachtungsstelle beruft den (Mitbeteiligten) zum gegebenen Zeitpunkt ein und legt nach umfangreichen Testungen ein Klassifizierungsgutachten vor, dessen Inhalt die Persönlichkeit des Untergebrachten ausführlich darlegt, die zur Behebung der Persönlichkeitsdefizite geeignetste Justizanstalt vorgibt und auch Therapievorschläge umfasst; auf Basis dieses Gutachtens wird der Vollzugsplan evaluiert und die notwendige und zielführende Therapieform festgelegt." Der Anstaltsleiter habe seit bzw. seit Anordnung des Vollzuges der vorbeugenden Maßnahme am (eingelangt am ) bis keine Maßnahmen/Anordnungen getroffen, um den Mitbeteiligten - seinem Zustand entsprechend - einer ärztlichen, insbesondere psychiatrischen, psychotherapeutischen Betreuung zuzuführen, eine solche habe nicht stattgefunden und finde auch derzeit nicht statt. Aus den Stellungnahmen des Dr. S gehe hervor, dass Gespräche beim zuständigen Psychologen als Vorbereitung für eine spätere Psychotherapie stattfinden sollten, diese aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht eingeleitet worden seien. Der Anstaltsleiter widerspreche dem Beschwerdevorbringen einer bis dato nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft unterlassenen Betreuung nicht. Die Unterlassung einer lege artis durchzuführenden Betreuung gründe auf die von Dr. S empfohlene Vorgangsweise, zunächst motivierende und einsichtserzeugende Gespräche beim Psychologen als Vorbereitung für eine spätere Psychotherapie durchzuführen, was auch im Einklang mit dem Inhalt von Handbüchern für die Arbeit mit Sexualdelinquenten im Strafvollzug stehe (danach sollen Motivationsgespräche den Täter zur Therapie führen und es seien dabei der Zeitpunkt des Beginns, unmittelbar nach der Verurteilung bzw. nach Überstellung wichtig, wobei das Ziel sei, die Verleugnung des Täters zu durchbrechen und seine Bereitschaft zur Auseinandersetzung zu fördern und bei erfolgreicher Motivation Folgegespräche im individuell notwendigen Ausmaß bis zum Beginn der eigentlichen Therapie durchzuführen). Diese Erfordernisse stünden im Einklang mit der - im Rahmen des Strafverfahrens erstellten - Expertise des Sachverständigen Dr. H, wonach nur eine langfristig gesicherte und gut strukturierte Behandlung die Zukunftsprognose verbessere.
Gemäß § 164 Abs. 1 StVG solle die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher die Untergebrachten davon abhalten, unter dem Einfluss ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen; die Unterbringung solle den Zustand der Untergebrachten so weit bessern, dass von ihnen die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist und den Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen.
§ 166 Z 1 StVG bestimme, dass die Untergebrachten zur Erreichung der Vollzugszwecke iSd § 164 StVG entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen seien. Diese Bestimmung enthalte somit eine an die Strafvollzugsbehörden gerichtete Anordnung, Untergebrachte entsprechend ihrem Zustand ärztlich zu betreuen. § 166 Z 1 iVm § 120 Abs. 1 StVG sehe die Möglichkeit eines Untergebrachten vor, sich über jedes seine Rechte betreffende Verhalten des Anstaltsleiters zu beschweren. Da im vorliegenden Fall kein in der Vergangenheit abgeschlossenes, sondern ein derzeit noch andauerndes Verhalten betroffen sei, könne dies nur durch die im Spruch des Bescheides bezeichnete Anordnung an den Anstaltsleiter "aus der Welt geschafft werden".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - auf § 121 Abs. 5 StVG gestützte - Beschwerde der Bundesministerin für Justiz.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Strafvollzugsgesetz - StVG, BGBl. Nr. 144/1969 idF
BGBl. I Nr. 138/2000, lautet auszugsweise:
"Beschwerden
§ 120. (1) Die Strafgefangenen können sich gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihrer Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Über die Art der ärztlichen Behandlung können sich die Strafgefangenen jedoch nur nach § 122 beschweren. Die Beschwerde hat die angefochtene Entscheidung, Anordnung oder das Verhalten zu bezeichnen und die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, soweit sie nicht offenkundig sind, darzulegen.
...
Verfahren bei Beschwerden
§ 121. (1) Über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen hat der Anstaltsleiter zu entscheiden. Richtet sich die Beschwerde gegen den Anstaltsleiter oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugskammer zu.
...
(5) Entscheidungen der Vollzugskammern unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist einschließlich der Fälle des Art. 130 Abs. 1 lit. b des Bundes-Verfassungsgesetzes zulässig. Der Bundesminister für Justiz kann Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit erheben.
...
Dritter Abschnitt
UNTERBRINGUNG IN EINER ANSTALT FÜR GEISTIG ABNORME RECHTSBRECHER
Zwecke der Unterbringung
§ 164. (1) Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher soll die Untergebrachten davon abhalten, unter dem Einfluss ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen. Die Unterbringung soll den Zustand der Untergebrachten soweit bessern, dass von ihnen die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist, und den Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen.
...
Unterbringung nach § 21 Abs. 2 des Strafgesetzbuches
§ 166. Für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 des Strafgesetzbuches gelten folgende besondere Bestimmungen:
1. Die Untergebrachten sind zur Erreichung der Vollzugszwecke (§ 164) entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen. Soweit danach Abweichungen von den Bestimmungen über den Vollzug der Unterbringung (§ 167) erforderlich sind, hat der Anstaltsleiter diese Abweichungen im Rahmen des § 165 Abs. 1 Z 1 und 2 anzuordnen.
...
Ergänzende Bestimmungen
§ 167. (1) Soweit die §§ 164 bis 166 nichts anderes bestimmen, gelten die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 dem Sinne nach. ..."
Die beschwerdeführende Bundesministerin bringt vor, ein von der belangten Behörde angenommenes Verhalten des Anstaltsleiters sei nicht vorgelegen, weil für das Verfahren vor Strafvollzugsbehörden auch die Entscheidungsfrist des § 73 AVG anzuwenden sei. Obgleich danach durch die Behörde ohne unnötigen Aufschub der Bescheid zu erlassen sei, stehe der Behörde erforderlichenfalls die sechsmonatige Entscheidungsfrist zu. Werde über ein Ansuchen um individuelle Konkretisierung eines im StVG abstrakt eingeräumten subjektiven Rechtes nicht innerhalb dieser Frist entschieden, könne die "Reflexwirkung des nicht entsprochenen Begehrens ab dem Ablauf der 6-Monats-Frist nunmehr
nicht als ein ... Verhalten des allenfalls entscheidungssäumigen
Verwaltungsorgans interpretiert werden." Ein solches Verhalten liege nur bei all jenen Erscheinungsformen unmittelbar vollzugsbehördlichen Handelns vor, die keine Entscheidung oder Anordnung im Sinne des StVG seien. Vor einer weiterführenden rechtsförmigen Verfolgung seines Interesses wäre seitens des Mitbeteiligten der Ablauf der Entscheidungsfrist abzuwarten und gegebenenfalls eine formelle Entscheidung im Devolutionswege oder das Aufsichtsrecht anzurufen gewesen. Ob angesichts der nicht im Einflussbereich des Leiters der Justizanstalt X gelegenen Gutachtenserstattung ein schuldhaftes Überschreiten der Entscheidungsfrist vorgelegen sei, wäre erst dann zu beurteilen gewesen. Durch die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsmeinung, ein Verhalten des Anstaltsleiters zu substituieren, würde dem Rechtsinstitut der Devolution der Boden entzogen werden.
Mit diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Bundesministerin, dass sich die in § 166 Z 1 StVG statuierte Pflicht, die Untergebrachten entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen, an die Vollzugsbehörden richtet, wenngleich der Untergebrachte gleichzeitig auch einen Anspruch auf diese Betreuung hat. Auch der systematische Zusammenhang dieser Bestimmung mit dem in § 164 StVG geregelten Zweck einer Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB - nämlich den Zustand der Untergebrachten soweit zu bessern, dass die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nicht mehr zu erwarten ist, und den Untergebrachten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen - verbietet die Annahme der beschwerdeführenden Bundesministerin, ein allenfalls auf die angemessene ärztliche Betreuung gerichteter Antrag eines Untergebrachten führe dazu, dass die Vollzugsbehörden von dieser Pflicht bis zur Entscheidung über diesen Antrag entbunden wären. Demzufolge kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde ein, der Beschwerdemöglichkeit des § 121 Abs. 1 StVG unterliegendes Verhalten des Anstaltsleiters - nämlich die Unterlassung der angemessenen ärztlichen Betreuung - annahm und die Beschwerde des Mitbeteiligten daher meritorisch behandelte (vgl. zur prinzipiellen Beschwerdemöglichkeit betreffend ein Unterlassen des Anstaltsleiters das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0035, dem ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zu Grunde lag). Aus diesem Grund ist auch auf das Beschwerdevorbringen, das sich gegen das Vorliegen einer anfechtbaren Entscheidung des Anstaltsleiters wendet und das Schreiben des Mitbeteiligten an die belangte Behörde somit als Rechtsmittel gegen eine solche qualifiziert, nicht einzugehen.
Die Beschwerde bringt weiters vor, dass auf Grund des im Verfahren vor der belangten Behörde erstatteten Berichtes des Leiters der Justizanstalt X, worin die Tatsache, dass der Mitbeteiligte der Begutachtungsstelle in der Justizanstalt W gemeldet worden sei, ein entsprechender Erhebungsschritt zum Stand des konkreten Verfahrens zum Entscheidungszeitpunkt angezeigt gewesen wäre. Auch ein Zuwarten mit der Entscheidung bis zum zeitlich kurz bevorstehenden Vorliegen des forensischen Gutachtens vom hätte nach Einsicht in das Gutachten ein umfassenderes Bild der konkreten Therapieindikation zugelassen. Die noch nicht erfolgte Einleitung therapeutischer Maßnahmen durch den Leiter der Justizanstalt X sei in der Sachlage begründet gewesen und habe daher keine subjektiven Rechte des Mitbeteiligten verletzt.
Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen:
Wie aus den eingangs wiedergegeben Stellungnahmen des Mitarbeiters des psychologischen Dienstes hervorgeht, wäre eine dem Zustand des Mitbeteiligten entsprechende Betreuung unter anderem darin gelegen, zunächst motivierende und einsichtserzeugende Gespräche beim Psychologen als Vorbereitung für eine spätere Psychotherapie durchzuführen. Diese Empfehlung hat der Anstaltsleiter zwar zur Kenntnis genommen, jedoch keine aktiven Schritte zur Erfüllung derselben gesetzt. Weder die Anmeldung zu, aber auch nicht die tatsächliche Durchführung der Klassifizierung des Mitbeteiligten in der Justizanstalt W stellt eine Betreuung iSd § 166 Z 1 StVG dar, weil damit lediglich eine Betreuungs- und Vollzugsortempfehlung für den Mitbeteiligten erhoben werden sollte und darin nur eine Vorbereitungshandlung für die weitere Betreuung zu sehen ist. Somit musste die belangte Behörde weder weitere Ermittlungsschritte setzten noch die Erstellung des angesprochenen Gutachtens abwarten.
Auch der Vorwurf, wonach im angefochtenen Bescheid in den Feststellungen davon gesprochen werde, dass "eine Besprechung mit der Bundesministerin für Justiz im Mai 2004 abzuwarten sei", in der rechtlichen Würdigung sodann von der "Mitteilung der Nichtdurchführung der Therapie" verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg, weil ungeachtet dieser sprachlichen Diskrepanz im angefochtenen Bescheid außer Zweifel steht, dass eine Betreuung iSd § 166 Z 1 StVG durch ein Verhalten des Anstaltsleiters nicht erfolgt war.
Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde dem Anstaltsleiter der Justizanstalt "aufgetragen", den Mitbeteiligten "entsprechend seinem Zustand" ärztlich zu betreuen. Mit dieser Formulierung hat die belangte Behörde ihre Befugnis, über Beschwerden gegen "jedes" die Rechte der Strafgefangenen "betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten" zu entscheiden, nicht überschritten. Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist nämlich so unbestimmt, dass ihm letztlich nicht mehr als die Feststellung entnommen werden kann, dass der Anstaltsleiter die ihm durch § 166 Z. 1 StVG aufgetragene Verpflichtung verletzt habe. Die Verpflichtung des Anstaltsleiters, den dergestalt als rechtswidrig empfundenen Zustand - die Unterlassung einer vom Gesetz gebotenen medizinischen Behandlung - zu beenden, ergibt sich aus der in den §§ 11 ff und § 120 StVG verankerten Rechtsschutzfunktion der Vollzugskammer ungeachtet der Tatsache, dass die Anwendung des § 67c Abs. 3 AVG gemäß § 11g StVG ausgenommen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Das Kostenbegehren der belangten Behörde war auf Grund der Bestimmung des § 47 Abs. 4 VwGG, wonach u.a. in den Fällen des Artikels 131 Abs. 2 B-VG - die Beschwerdebefugnis der Bundesministerin nach § 121 Abs. 5 StVG ist ein Fall der sog. Amtsbeschwerde nach Art 131 Abs. 2 B-VG - für die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet, abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §59 Abs1; AVG §67c Abs3; StGB §21 Abs2; StVG §11; StVG §11g; StVG §120 Abs1; StVG §121 Abs1; StVG §164; StVG §166 Z1; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Inhalt des Spruches Diverses Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2008:2005060029.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-51119