VwGH 02.05.2016, Ra 2016/16/0027
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Nach § 167 Abs. 2 FinStrG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde gestellt werden, bei der die Frist wahrzunehmen war oder die Verhandlung stattfinden sollte. Hört das Hindernis auf und hat die Partei davon unverschuldet keine Kenntnis, ist die Monatsfrist von dem Zeitpunkt an zu rechnen, in dem die Partei bei Anwendung pflichtgemäßer Aufmerksamkeit von dem Aufhören des Hindernisses wissen musste. Das Gericht leitete aus der von ihm wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallbezogen ab, dass das besagte Hindernis am , dem Tag der Akteneinsicht, weggefallen sei, weil es Sache der Partei bzw. deren rechtskundigen Vertreters gewesen sei, neben den bereits ausgehändigten Ablichtungen auch Einsicht in diesbezügliche Aktenteile wie etwa Zustellnachweise zu nehmen bzw. deren Ablichtung zu beantragen. Das Erkenntnis vom wurde bereits am im Wege der Hinterlegung zugestellt. Die rechtliche Schlussfolgerung des Gerichtes steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zumal sich, insbesondere in einer Konstellation wie im Revisionsfall des langen zeitlichen Abstandes zwischen der Fällung des anzufechtenden Erkenntnisses im Juli 2012 und der behaupteten Zustellung rund sieben Monate später, anlässlich der Akteneinsicht für einen aufmerksamen Parteienvertreter die Frage nach der (erstmaligen) wirksamen Zustellung des anzufechtenden Erkenntnisses stellte, um anhand stichhaltiger Grundlagen auf Grund eigener Überprüfung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 98/16/0290, mwN) den Zeitpunkt der Zustellung verlässlich zu bestimmen und davon ausgehend die Wahl der Rechtsbehelfe zu treffen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und Hofrat Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision der S R in H in T, vertreten durch Ullmann, Geiler und Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria Theresien-Straße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/3300011/2013, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2016/16/0028, verwiesen.
Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom begründete die Revisionswerberin zusammengefasst damit, das Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom sei ihr erstmals am wirksam zugestellt worden, woraufhin sie fristgerecht Berufung erhoben habe. Erst mit Erhalt des Bescheides der Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , mit dem ihre Berufung zurückgewiesen worden sei, habe sie davon Kenntnis erlangt, dass das angefochtene Erkenntnis des Finanzstrafbehörde erster Instanz vom bereits am beim Postamt hinterlegt worden sei.
2 Mit Bescheid vom wies die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet zurück. Laut einem Aktenvermerk vom habe ein Mitarbeiter des Rechtsfreundes der Revisionswerberin an diesem Tag im Amte Akteneinsicht genommen und diverse Aktenteile in Kopie erhalten. Die Monatsfrist habe somit ab diesem Datum zu laufen begonnen und am geendet. Der vorliegende Antrag für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom sei daher verspätet und zurückzuweisen.
3 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie vorbrachte, sie habe erstmals am durch den Bescheid vom 19. d.M. davon Kenntnis erlangt, dass ihr das zitierte Straferkenntnis bereits am im Wege der Hinterlegung zugestellt worden und die dagegen erhobene Berufung als verspätet anzusehen sei. In der vorliegenden Angelegenheit sei das zitierte Straferkenntnis erstmals am eigenhändig von der Revisionswerberin übernommen worden. Sie sei sodann unbedenklich davon ausgegangen, dass ab diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist zu laufen beginne.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
Begründend erwog das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung aus dem Finanzstrafgesetz fallbezogen:
"Am wurde beim Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde durch Mag. B, Mitarbeiterin bei der Rechtsanwaltskanzlei Ullmann - Geiler und Partner, Rechtsanwälte, eine Akteneinsicht in den Finanzstrafakt der Beschwerdeführerin vorgenommen. In diesem Strafakt findet sich dazu folgender Aktenvermerk vom : ‚Akteneinsicht Kanzlei Ullmann - Geiler und Partner. Diverse Kopien wurden ausgehändigt.'
Die Akteneinsicht steht nur für die in § 79 Abs. 1 FinStrG angeführten Zwecke zu. Wie sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, erfolgte die Anfertigung und Ausfolgung von Kopien nach diesbezüglicher Anfrage der Kanzleimitarbeiterin durch einen Bediensteten des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde; im Übrigen entspricht die Ausfolgung von Ablichtungen anstelle der Einsichtnahme der Bestimmung des § 79 Abs. 1 FinStrG.
Da das Bundesfinanzgericht von dem in der Beschwerdeschrift dargestellten Sachverhalt ausgegangen ist, erübrigen sich die beantragten Einvernahmen der Zeugin Mag. B bzw. der Beschwerdeführerin.
In der Beschwerdeschrift wird vorgebracht, die Vertreter der Beschwerdeführerin hätten anlässlich der Akteneinsicht inhaltliche Informationen über den Verfahrensstand, nicht aber genaue Kenntnisse über die diesbezüglichen Zustellungen gewonnen. Dazu ist darauf zu verweisen, dass das Recht auf Akteneinsicht keinen Selbstzweck, sondern ein Hilfsmittel zur Verfolgung der abgabenbzw. finanzstrafrechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin darstellt (vgl. dazu ). Dass die Finanzstrafbehörde die begehrte Akteneinsicht real verweigert hätte, behauptet weder die Beschwerdeführerin konkret noch ergibt sich dies aus den vorgelegten Verwaltungsakten.
Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, der nicht abgewiesen wird, dann liegt es bei der Partei, diese Möglichkeit zu nützen (). Wenn daher im gegenständlichen Fall Fristenläufe wie etwa die Wahrung einer Rechtsmittelfrist für die Verfolgung der Interessen der Beschwerdeführerin von Relevanz waren, ist es Sache der Partei bzw. deren - rechtskundigen - Vertreter, neben den ihnen bereits ausgehändigten Ablichtungen auch Einsicht in diesbezügliche Aktenteile wie etwa Zustellnachweise zu nehmen bzw. deren Ablichtung zu beantragen.
Die Monatsfrist des § 167 Abs. 2 FinStrG beginnt mit Aufhören des Hindernisses. Als Hindernis im Sinne dieser Gesetzesstelle ist jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht dieses Ereignis in einem Tatsachenirrtum über den Ablauf einer Frist zur Erhebung des Rechtsmittels, so hört das Hindernis auf, sobald der Beschwerdeführer den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste, nicht aber erst in dem Zeitpunkt, in dem der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung zugestellt worden ist (Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Rz. 22 zu §§ 167-168 FinStrG, mit Hinweis auf , 0168; , , 0012, , und , 0112).
Da jedenfalls mit der am vorgenommenen Akteneinsicht das Hindernis, das die Fristeinhaltung verhindert hat, weggefallen ist, begann die Monatsfrist des § 167 Abs. 2 FinStrG an diesem Tag zu laufen, weshalb sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom (laut Poststempel versendet am ) als verspätet erweist.
Der Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde vom erging daher zu Recht, weshalb die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen war."
Abschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision.
5 Die vorliegende Revision erblickt ihre Zulässigkeit - abgesehen von leitsatzartigen Ausführungen und der Zitierung des § 25a Abs. 4 VwGG - fallbezogen darin,
"(d)ie Rechtsansicht des Bundefinanzgerichtes ist im gegenständlichen Fall schlichtweg unvertretbar und jedenfalls auch aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren. Zuerst beschränkt die Behörde die Akteneinsicht in der Form, dass der Akt den Vertretern der Revisionswerberin nicht ausgefolgt wird. Dann werden selektiv ausgewählte Aktenstücke in Kopie ausgefolgt, ohne die mit Blick auf die Wiedereinsetzung relevanten Aktenstücke zu kopieren und auszufolgen. Abschließend beruft man sich darauf, dass man ja auch in die von der Behörde im Zuge der Akteneinsicht vorenthaltenen Aktenstücke Einsicht nehmen hätte können. Wäre diese Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes richtig ist, muss man die grundsätzliche und vollumfängliche Verpflichtung zur unverzüglichen Akteneinsicht im Falle der Beantragung einer jeden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bejahen, wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt.
Vor diesem Hintergrund liegt auch in der gegenständlichen Angelegenheit eine grundsätzliche Rechtsfrage vor, da die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht, da insbesondere hinsichtlich des § 167 FinStrG eine unrichtige Gesetzesauslegung erfolgte. Daher ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit ein Bedürfnis zur Korrektur dieses Fehlers gegeben."
6 Nach § 167 Abs. 2 FinStrG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde gestellt werden, bei der die Frist wahrzunehmen war oder die Verhandlung stattfinden sollte. Hört das Hindernis auf und hat die Partei davon unverschuldet keine Kenntnis, ist die Monatsfrist von dem Zeitpunkt an zu rechnen, in dem die Partei bei Anwendung pflichtgemäßer Aufmerksamkeit von dem Aufhören des Hindernisses wissen musste. Das Gericht leitete aus der von ihm wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallbezogen ab, dass das besagte Hindernis am , dem Tag der Akteneinsicht, weggefallen sei, weil es Sache der Partei bzw. deren rechtskundigen Vertreters gewesen sei, neben den bereits ausgehändigten Ablichtungen auch Einsicht in diesbezügliche Aktenteile wie etwa Zustellnachweise zu nehmen bzw. deren Ablichtung zu beantragen.
7 Die vorliegende Revision zieht nicht in Zweifel, dass das Erkenntnis vom bereits am im Wege der Hinterlegung zugestellt wurde. Die rechtliche Schlussfolgerung des Gerichtes steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zumal sich, insbesondere in einer Konstellation wie im Revisionsfall des langen zeitlichen Abstandes zwischen der Fällung des anzufechtenden Erkenntnisses im Juli 2012 und der behaupteten Zustellung rund sieben Monate später, anlässlich der Akteneinsicht für einen aufmerksamen Parteienvertreter die Frage nach der (erstmaligen) wirksamen Zustellung des anzufechtenden Erkenntnisses stellte, um anhand stichhaltiger Grundlagen auf Grund eigener Überprüfung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 98/16/0290, mwN) den Zeitpunkt der Zustellung verlässlich zu bestimmen und davon ausgehend die Wahl der Rechtsbehelfe zu treffen. Dies hat der Parteienvertreter außer Acht gelassen.
Damit entbehren die in der Revision aufgeworfenen Fragen des Procedere der Akteneinsicht der notwendigen Relevanz.
8 Die Revision ist daher nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016160027.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-50780