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VwGH 27.07.2016, Ra 2016/13/0022

VwGH 27.07.2016, Ra 2016/13/0022

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
"Gegen die Versäumung einer Frist" ist gemäß § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die "durch die Versäumung" einen Rechtsnachteil erleidet, unter näher geregelten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung zu bewilligen. Dass eine Versäumung vorliege, wird zu Beginn der Revisionsbegründung zwar behauptet, den gegenteiligen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis aber nicht konkret entgegengetreten. Die Revision, mit der die revisionswerbende Partei die Verletzung im Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung geltend macht, wirft schon deshalb keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. zur ständigen Judikatur betreffend das im Gesetz verankerte Erfordernis einer Versäumung die Nachweise bei Ritz, BAO5, § 308 Tz 4).
Norm
RS 2
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer nicht versäumten Frist ist aus dem Gesetz nicht ableitbar.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision der V AG in Bregenz, vertreten durch DDr. Hans Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Salesianergasse 1b/III/Top 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/1100160/2016, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Stabilitätsabgabe), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Im vorliegenden Fall bestätigte das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis die von der revisionswerbenden Partei mit Beschwerde bekämpfte Zurückweisung eines Antrages der revisionswerbenden Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen Bescheide betreffend Stabilitätsabgabe und Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe für das Jahr 2014. Schon das Finanzamt ging davon aus, dass die Frist für die zuletzt genannten Beschwerden gewahrt sei und eine Wiedereinsetzung aus diesem Grund nicht in Betracht komme. Das Bundesfinanzgericht schloss sich dieser Ansicht an. Es verwies auch darauf, dass die Beschwerden gegen die Sachbescheide in der Zwischenzeit (als rechtzeitig) erledigt worden seien.

5 In der Revision wird dem entgegengehalten, diese Beurteilung könne sich nach Aufhebung der zuletzt genannten, von der revisionswerbenden Partei mit der zu Ro 2016/13/0012 protokollierten Revision bekämpften Beschwerdeerledigungen durch den Verwaltungsgerichtshof noch ändern.

6 Die daran anknüpfende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird in der Revision wie folgt formuliert (diese und die folgenden Wiedergaben unkorrigiert):

"Ist ein Rechtsnachteil im Sinne des § 308 BAO dann nicht gegeben, wenn die Rechtzeitigkeit einer gegen einen Abgabenbescheid gerichteten Beschwerde vom Bundesfinanzgericht verneint wurde oder ist das Vorliegen eines Rechtsnachteils erst dann gegeben, wenn die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung gegen einen Abgabenbescheid des Finanzamts vom Bundesfinanzgericht in einer durch Revision der Parteien des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht mehr in Frage stellbaren Weise entschieden wurde, sodass die bloße Bejahung der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung durch ein noch der Revision unterliegendes, den Abgabenanspruch entscheidendes Urteil des Bundesfinanzgerichts das Vorliegen eines Rechtsnachteils nicht auszuschließen vermag."

7 Die Revisionspunkte lauten:

"Durch das angefochtene Urteil sind wir in unserem aus § 308 BAO erfliessenden Recht, dass beim - offenbar unbestrittenen Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes - die Wiedereinsetzung in die Frist zur Beschwerde gegen die Abgabenbescheide betreffend die Stabilitätsabgabe 2014 und den Sonderbeitrag 2014 bewilligt werde, auch wenn das Bundesfinanzgericht im Veranlagungsverfahren betreffend die Stabilitätsabgabe 2014 und den Sonderbeitrag 2014 dazu davon ausging, die eingebrachten Beschwerden seien rechtzeitig erhoben worden, solange diese Lage nicht in unverrückbarer Weise feststeht, verletzt."

8 Begründet wird die Rechtsverletzung wie folgt:

"Durch ein Versehen, dass auch einem sorgfältigen und pflichtbewussten leitenden Angestellten widerfahren kann, dem ein solches Versehen noch nie widerfahren ist, unterblieb die fristgerechte Erhebung der Beschwerden gegen die Veranlagungsbescheide betreffend die Stabilitätsabgabe 2014 und den Sonderbeitrag dazu. Das angefochtene Urteil geht von der (momentanen) Auffassung der Finanzverwaltung aus, dass die erfolgte Zustellung der genannten Bescheide unwirksam war, weil die dem auch nunmehrigen Vertreter im Berufungsverfahren zunächst nicht zugestellt wurde und als dieser Umstand der Finanzbehörde auffiel, es ohnedies zu einer rechtzeitigen Beschwerdeerhebung gegen die beiden Veranlagungsbescheide durch den (auch) nunmehrigen Revisionswerberinvertreter kam. Diese Auffassung übersieht, dass durch das in der Veranlagungssache ergangene Urteil zwar implizit die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung gegen die Veranlagungsbescheide bejaht wird, dass aber keinerlei Gewissheit besteht, dass dieses Urteil weiterbesteht, sodass selbst dann, wenn die Revision erfolgreich ist und das angefochtene Urteil beseitigt ist (nämlich durch die wahrscheinliche Kassation), die Finanzverwaltung etwa ihre Auffassung (z.B. infolge einer Weisung) ändern kann und ein der Finanzverwaltung unpassend scheinenendes Urteil des Bundesfinanzgerichts im fortgesetzten Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof ua. mit dem Argument bekämpfen könnte, infolge Fristversäumung hätte die Beschwerde im Veranlagungsverfahren zurückgewiesen werden müssen.

Diese Auffassung könnte auch das Bundesfinanzgericht selbst im zweiten Rechtsgang vertreten, weil eine Bindung an das aufgehobene Urteil nicht bestehen kann. Schließlich ist es für die Revisionswerberin nicht absehbar, ob das Urteil des Bundesfinanzgericht vom Finanzamt schon jetzt mit dem Argument durch Revision bekämpft wird, die Beschwerde sei verfristet, etwa um den Verwaltungsgerichtshof zu hindern, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH auszulösen. Die Beschwerdeführerin erleidet daher durch den Verlust der Rechtschutzmöglichkeit bevor die Entscheidung im Abgabenverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof endgültig erfolgt oder die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts für keine der Parteien des Verfahrens mehr anfechtbar ist, somit einen Rechtsnachteil im Sinne des § 308 BAO."

9 "Gegen die Versäumung einer Frist" ist gemäß § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die "durch die Versäumung" einen Rechtsnachteil erleidet, unter näher geregelten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung zu bewilligen. Dass eine Versäumung vorliege, wird zu Beginn der Revisionsbegründung zwar behauptet, den gegenteiligen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis aber nicht konkret entgegengetreten. Die Revision, mit der die revisionswerbende Partei die Verletzung im Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung geltend macht, wirft schon deshalb keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. zur ständigen Judikatur betreffend das im Gesetz verankerte Erfordernis einer Versäumung die Nachweise bei Ritz, BAO5, § 308 Tz 4). Das in der Revision behauptete Rechtsschutzdefizit soll sich aus einer unzureichenden Rechtskraftwirkung der von der revisionswerbenden Partei ebenfalls bekämpften Erledigung der Beschwerden in der Sache ergeben, wobei auf mögliche Rechtskraftwirkungen des mit der vorliegenden Revision bekämpften Erkenntnisses nicht eingegangen wird (vgl. etwa die Ausführungen bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 44 bis 52, betreffend die Feststellungswirkung von Bescheiden über die Zurückweisung von Rechtsmitteln und die Bedeutung des Zurückweisungsgrundes in diesem Zusammenhang). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer nicht versäumten Frist ist aus dem Gesetz aber unabhängig von der Frage des Bestehens der in der Revision behaupteten Unsicherheit nicht ableitbar.

10 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016130022.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-50759