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VwGH 30.03.2016, Ra 2016/13/0007

VwGH 30.03.2016, Ra 2016/13/0007

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Es ist nicht Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Verlängerung einer infolge Abgabenhinterziehung gemäß § 207 Abs. 2 BAO längeren Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO Verfolgungshandlungen im Sinne des Finanzstrafgesetzes erfordert.
Normen
RS 2
Im Vordergrund der Zulässigkeitsbegründung betreffend die Revision steht die Behauptung, das Bundesfinanzgericht sei nicht "Abgabenbehörde im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO" und daher nicht zuständig, zu beurteilen, ob die Abgaben hinterzogen worden seien. In den Revisionsgründen wird dazu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2000/16/0083, 0084, verwiesen, wonach die Hinterziehungskriterien "von der Abgabenbehörde" darzulegen seien. Das bezog sich auf die Begründungspflichten einer Finanzlandesdirektion als damaliger Berufungsbehörde. Dass im vorliegenden Fall das als Berufung eingebrachte Rechtsmittel vom Bundesfinanzgericht zu erledigen war, stellt auch die Revision nicht in Frage, womit die Zulässigkeitsbegründung in diesem Teil zum Ausdruck bringt, bei der Erledigung der nunmehr als Beschwerde zu behandelnden Berufung dürfe nicht erstmals von Abgabenhinterziehung ausgegangen werden. Hiezu kann auf das Erkenntnis vom , 2002/13/0141, VwSlg 7737 F/2002, verwiesen werden, wo unter Bezugnahme auf § 289 Abs. 2 BAO in der damals geltenden Fassung dargelegt wurde, die Berufungsbehörde habe die Frage, ob eine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 207 Abs. 2 vorliege, "nach eigener Anschauung" als Vorfrage zu beurteilen. § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO umschreibt die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichtes im Bescheidbeschwerdeverfahren mit denselben Worten wie zuvor § 289 Abs. 2 zweiter Satz BAO diejenige der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren, sodass auch in der Frage der Beurteilung des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung gegenüber der dem Erkenntnis vom zugrunde liegenden Rechtslage keine maßgebliche Änderung eingetreten ist. Mit der Frage, ob Ermittlungshandlungen eines Verwaltungsgerichtes gemäß § 209 Abs. 1 BAO zur Verlängerung der Verjährungsfrist führen können, hängt die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, ob Verjährung eingetreten ist, nicht zusammen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Revision der I GmbH in O, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Petrusgasse 2/15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7105525/2014, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1994 und 1995 sowie Kapitalertragsteuer für die Jahre 1995 und 1996, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Im vorliegenden Fall wurde eine dieselben Abgabenansprüche wie das nunmehr angefochtene Erkenntnis betreffende Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom  mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/13/0075, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil hinsichtlich dieser Abgabenansprüche die Verjährung nur in dem Umfang nicht eingetreten war, in dem die Abgaben hinterzogen worden waren, und ausreichende Feststellungen dazu fehlten. Im nunmehr angefochtenen Erkenntnis legt das Bundesfinanzgericht dar, dass und aus welchen Gründen es der Ansicht sei, die Abgaben seien hinterzogen worden.

5 Die Begründung für die Zulässigkeit der Revision gegen dieses Erkenntnis (§ 28 Abs. 3 VwGG) lautet wie folgt:

"Das BFG hat die ordentliche Revision nicht zugelassen, weil es die neuen (allgemeinen) Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG, die vom Gesetzgeber aus § 502 Abs. 1 ZPO - beschränkter Zugang zum OGH - übernommen wurden, als nicht gegeben ansieht. Dies mit dem Hinweis auf die ‚bisherige Rechtsprechung des VwGH zur Verjährung bei hinterzogenen Abgaben sowie verdeckte Gewinnausschüttung' und sei diese Rechtsprechung des VwGH nicht uneinheitlich.

Dabei übersieht das BFG, dass es in erster Linie nicht um diese Rechtsprechung geht, sondern um die grundsätzliche Frage, dass das BFG über hinterzogene Abgaben - eine Vorfrage im Abgabenverfahren - und die Auswirkungen in der Verjährung entscheidet, obwohl es keine Abgabenbehörde im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO ist. Damit ist das Grundrecht der Verletzung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 83 B-VG angesprochen, das im Verfahren vor dem VwGH insofern von Relevanz ist, als es gemäß § 42 Abs. 2 Zi. 2 VwGG infolge Unzuständigkeit des BFG zur Aufhebung des Erkenntnisses führen muss.

Die Rw erachtet sich daher durch die der Zulassung zugrunde liegenden Rechtsfragen, wie Verletzung des Art. 83 (2) B-VG iVm § 42 Abs. 2 Zi. 2 VwGG sowie Art. 14 EMRK iVm § 207 Abs. 2 BAO und gemäß § 186 Abs. 2 FinStrG iVm Art. 6 (2) EMRK beschwert.

Es liegt daher ein erheblicher Verfahrensmangel vor, der in die Entscheidungskompetenz des Revisionsgerichtes fällt. Es ist einheitliche Rechtsprechung des VfGH und VwGH, dass auf den gesetzlichen Richter nicht verzichtet werden kann. Eine Verletzung dieses in Art. 83 Abs. 2 B-VG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (zu ergänzen: gewährleisteten Rechts) stellt auch einen absoluten Revisionsgrund dar (siehe auch §§ 132 iVm 138 dVwGO).

In zweiter Linie übersieht das BFG auch, dass der VwGH in ständiger Rechtsprechung genaue bescheidmäßige Feststellungen der Abgabenbehörde über die Abgabenhinterziehung fordert (siehe Ritz, BAO zu § 207, Rz 15 mwN VwGH 2009/16/0032).

Feststellungen über diesbezügliche Verfolgungshandlungen gemäß §§ 209 Abs. 1 BAO iVm 14 Abs. 8 FinStrG, wann (gemeint wohl: wenn) die verlängerte Festsetzungsverjährung gemäß § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung kommen soll, liegen von Seiten der Abgabenbehörde nicht vor.

Diese Rechtsprechung wird vom belangten BFG nicht beachtet!" 6 Zum zweiten Teil dieser Ausführungen wird in den Revisionsgründen dargelegt, rechtlich zu beurteilender Sachverhalt sei die auf Seite 20 des Erkenntnisses erwähnte Aktivierung und Abschreibung der "angeblich" erworbenen Kundenadressen. Mit dieser Formulierung sei das Bundesfinanzgericht "von einem tatsächlichen (angeblichen) Kauf der Kundenadressen" ausgegangen, was den nachfolgenden Ausführungen über das Vorliegen von Abgabenhinterziehungen mangels eines solchen Kaufes widerspreche. Davon kann (arg. "angeblich") nicht die Rede sein, Feststellungen im Sinne des in der Zulässigkeitsbegründung genannten Erkenntnisses vom , 2009/16/0032, liegen vor. Es ist auch nicht Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Verlängerung einer infolge Abgabenhinterziehung gemäß § 207 Abs. 2 BAO längeren Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO Verfolgungshandlungen im Sinne des Finanzstrafgesetzes erfordert, wie in diesem Teil der Zulässigkeitsbegründung noch vorausgesetzt und in den Revisionsgründen behauptet wird. Schon aus dem aufhebenden Erkenntnis vom ergibt sich für den vorliegenden Fall das Gegenteil. Problematisch war nur die Frage eines Eintritts der Verjährung vor Beginn der Betriebsprüfung, bezüglich der Körperschaftsteuer ab den Erstbescheiden als vorangegangener Unterbrechungshandlung.

7 Im Vordergrund der Zulässigkeitsbegründung steht aber die Behauptung, das Bundesfinanzgericht sei nicht "Abgabenbehörde im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO" und daher nicht zuständig, zu beurteilen, ob die Abgaben hinterzogen worden seien. In den Revisionsgründen wird dazu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2000/16/0083, 0084, verwiesen, wonach die Hinterziehungskriterien "von der Abgabenbehörde" darzulegen seien. Das bezog sich auf die Begründungspflichten einer Finanzlandesdirektion als damaliger Berufungsbehörde. Dass im vorliegenden Fall das als Berufung eingebrachte Rechtsmittel vom Bundesfinanzgericht zu erledigen war, stellt auch die Revision nicht in Frage, womit die Zulässigkeitsbegründung in diesem Teil zum Ausdruck bringt, bei der Erledigung der nunmehr als Beschwerde zu behandelnden Berufung dürfe nicht erstmals von Abgabenhinterziehung ausgegangen werden. Hiezu kann auf das Erkenntnis vom , 2002/13/0141, VwSlg 7737/F, verwiesen werden, wo unter Bezugnahme auf § 289 Abs. 2 BAO in der damals geltenden Fassung dargelegt wurde, die Berufungsbehörde habe die Frage, ob eine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 207 Abs. 2 vorliege, "nach eigener Anschauung" als Vorfrage zu beurteilen. § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO umschreibt die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichtes im Bescheidbeschwerdeverfahren mit denselben Worten wie zuvor § 289 Abs. 2 zweiter Satz BAO diejenige der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren, sodass auch in der Frage der Beurteilung des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung gegenüber der dem Erkenntnis vom zugrunde liegenden Rechtslage keine maßgebliche Änderung eingetreten ist. Mit der Frage, ob Ermittlungshandlungen eines Verwaltungsgerichtes gemäß § 209 Abs. 1 BAO zur Verlängerung der Verjährungsfrist führen können, hängt die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, ob Verjährung eingetreten ist, nicht zusammen.

8 Die Revision, in der somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016130007.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-50755

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