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VwGH 21.10.2016, Ra 2016/11/0141

VwGH 21.10.2016, Ra 2016/11/0141

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
AVG §69 Abs1 Z2;
RS 1
Neue Schlussfolgerungen können weder Tatsachen noch Beweismittel iSd. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darstellen (Hinweis Erkenntnisse vom , 90/10/0137, und vom , 2003/11/0079).
Normen
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
RS 2
In der - für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (Hinweis Beschlüsse vom , Ra 2014/04/0001, vom , Ra 2016/11/0015, und vom , Ra 2016/11/0026) - werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, wenn jede Verknüpfung mit der vorliegend angefochtenen Entscheidung fehlt. Damit wird auch nicht dargelegt, in welcher Hinsicht das VwG konkret von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen wäre (Hinweis B vom , Ra 2015/02/0159).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der M H in A, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs/Donau, Unterauerstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-41/001-2015, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Mandatsbescheid vom , zugestellt am (im Folgenden nur: Mandatsbescheid), entzog die belangte Behörde der Revisionswerberin die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B "bis einschließlich ". Unter einem wurde angeordnet, dass sich die Revisionswerberin einem Verkehrscoaching zu unterziehen habe. Begründend wurde ausgeführt, die Revisionswerberin habe am zu näher angegebener Zeit einen Pkw mit näher bezeichnetem Kennzeichen auf Höhe der G. Straße in A. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, wobei sie einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hätte. Die Alkoholisierung sei aufgrund des positiv verlaufenen Alkotests mittels Alkomats, welche einen Atemluftalkoholwert von 0,50 mg/l ergeben hätte, erwiesen. Die Revisionswerberin habe einen Laternenmast angefahren. Hinsichtlich der Entziehung der Lenkberechtigung stützte sich die belangte Behörde auf § 26 Abs. 1 zweiter Satz Z. 2 FSG (iVm. § 99 Abs. 1b StVO 1960).

2 Eine Vorstellung wurde - trotz zutreffender Rechtsmittelbelehrung - nicht erhoben.

3 1.2.1. Mit Schreiben ihres Vertreters (ihres Vaters) vom beantragte die Revisionswerberin die Wiederaufnahme des mit dem Mandatsbescheid abgeschlossenen Entziehungsverfahrens. Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass einerseits nach Angaben des Leiters der Werkstätte, in dem der Pkw der Revisionswerberin repariert worden sei, vom keine einzige Felge und nur zwei Reifen "offensichtlich durch die Berührung mit einer Randsteinbegrenzung beschädigt" gewesen seien und vorne am Pkw nur leichte Kratzer bzw. Lackschäden der Stoßstange bzw. Plastikleiste erkennbar seien, andererseits der in Rede stehende Laternenmast, wie beigelegte Fotos vom zeigten, massive Schäden aufweise.

Nach Auffassung des Werkstättenleiters hätte das Niederfahren eines Laternenmastes fast einen Totalschaden am Pkw bedeuten müssen, und der Airbag hätte ausfahren müssen. Angesichts der geringfügigen Schäden am Pkw sei nicht nachvollziehbar, dass die Revisionswerberin mit ihrem Pkw die Schäden am Laternenmast verursacht hätte.

4 1.2.2. Mit Schriftsatz ihres Rechtsvertreters vom zog die Revisionswerberin ihren "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Berufung vom hiermit zurück".

5 1.3.1. Mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom beantragte die Revisionswerberin die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist betreffend den Mandatsbescheid, aushilfsweise die Wiederaufnahme des mit dem Mandatsbescheid abgeschlossenen Entziehungsverfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG und die Herabsetzung der Entziehungsdauer auf einen Monat nach § 26 Abs. 1 erster Satz FSG, weil die Revisionswerberin keinen Verkehrsunfall in alkoholisiertem Zustand verschuldet habe und folglich die Entziehung ihrer Lenkberechtigung für einen Zeitraum von mehr als einem Monat rechtswidrig gewesen sei.

6 Vorgelegt wurde ein Gutachten eines Sachverständigen für Kraftfahrzeuge vom . Darin wurde ausgeführt, der Pkw der Revisionswerberin habe anlässlich einer Untersuchung am lediglich im rechten Frontbereich leichte Kratzer bzw. Lackschäden (Plastikleiste bzw. Stoßstange) aufgewiesen, im Frontbereich erfolgte Reparaturen könnten für den Zeitraum vom 19. Juli bis ausgeschlossen werden. Die Fotos, welche den in Rede stehenden Laternenmast zeigten, "stehen im großen Widerspruch zum Zustand des o.a. Fahrzeuges". Die schwere Beschädigung könne keinesfalls durch den in Rede stehenden Pkw herbeigeführt worden sein.

7 1.3.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurden sowohl der Wiedereinsetzungs- als auch der Wiederaufnahmsantrag abgewiesen.

8 1.3.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

9 In Bezug auf den Wiedereinsetzungsantrag führte das Verwaltungsgericht aus, nicht nur sei das Unterlassen der Erhebung einer Vorstellung einzig aus dem Grund, dass der Revisionswerberin die Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches das Vorbringen der Revisionswerberin untermauern könnte, nicht möglich gewesen wäre, kein Ereignis iSd. § 71 Abs. Z. 1 AVG, es sei auch nicht unvorhergesehen gewesen. Die Revisionswerberin habe nicht erst durch das Sachverständigengutachten erstmals Kenntnis davon erlangt, dass eine Kollision zwischen ihrem Fahrzeug und dem Laternenmast behauptungsgemäß nicht stattgefunden habe, sondern bereits zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Wiederaufnahmsantrags. Die Revisionswerberin habe bereits während der Vorstellungsfrist entsprechende Hinweise bzw. Vermutungen für die eigene Schuldlosigkeit zur Hand gehabt, habe doch ihr Vater nach den Angaben im ersten Wiederaufnahmsantrag bereits am 6. und Recherchen zum Zustand des Pkws und des Laternenmastes durchgeführt.

10 In Bezug auf den Wiederaufnahmsantrag führte das Verwaltungsgericht aus, das Gutachten des Sachverständigen vom enthalte keine Tatsachenfeststellungen oder Befundergebnisse, die nicht schon zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden hätten, sondern komme zum selben Ergebnis hinsichtlich der Beschädigungen am Pkw und am Laternenmast, das bereits den Anlass zum ersten Wiederaufnahmsantrag gegeben hätte.

11 1.4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

12 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ra 2014/04/0001 und vom , Zl. Ra 2015/08/0008).

15 2.2.1. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit zunächst aus, es liege ein Fall vor, in dem es erforderlich sei, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen. Das Verwaltungsgericht habe § 26 Abs. 1 zweiter Satz Z. 2 FSG verkannt und nicht geprüft, ob die Revisionswerberin überhaupt einen Verkehrsunfall verschuldet habe und damit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Berechtigung des Wiedereinsetzungsantrags als auch des Wiederaufnahmsantrags nach einem verfehlten Maßstab geprüft.

16 2.2.2. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass es im Ergebnis nur den Versuch darstellt, die Rechtswidrigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Mandatsbescheids aufzuzeigen, der tatsächlich keine Feststellung über ein Verschulden der Revisionswerberin an der von ihm unterstellten Kollision mit dem Laternenmast enthält. Das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes stützt die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags und des hilfsweise gestellten Wiederaufnahmsantrags jedoch nicht tragend auf die Annahme, dass für die Entziehung einer Lenkberechtigung nach § 26 Abs. 1 zweiter Satz Z. 2 FSG das bloße Verursachen eines Verkehrsunfalls ausreichte.

17 2.3.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, der Verwaltungsgerichtshof nehme entgegen der Lehre den Standpunkt ein, dass die Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nicht der geeignete Weg wäre, die Rechtskraft eines Mandatsbescheids zu beseitigen. Abgesehen davon, dass es sich um ältere Rechtsprechung handle, fehle es an Rechtsprechung, ob dies auch dann zutreffe, wenn die zum Mandatsbescheid führenden Ermittlungen und Erhebungen für die Feststellung des Tatbestands ungeeignet sind, etwa weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt offensichtlich unvollständig und ergänzungsbedürftig sei.

18 2.3.2. Auch dieses Vorbringen verkennt die Stoßrichtung der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses. Das Verwaltungsgericht hat einerseits näher begründet, warum das im Wiedereinsetzungsantrag angeführte Ereignis kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis iSd. § 71 Abs. 1 AVG sei, und darauf hingewiesen, dass die Revisionswerberin nicht erst durch das Sachverständigengutachten vom erstmals vom Ausmaß der Schäden an ihrem Pkw und am Laternenmast Kenntnis erlangt habe, sondern bereits Anfang August 2014. Andererseits hat das Verwaltungsgericht die Nichtbewilligung der Wiederaufnahme im Ergebnis (in unbedenklicher Weise) damit begründet, dass das Gutachten vom keine Befundergebnisse enthalten hätte, die der Revisionswerberin nicht spätestens im Zeitpunkt der Einbringung ihres ersten, später wieder zurückgezogenen Wiederaufnahmsantrag bekannt gewesen wären, nämlich das Ausmaß der Schäden an Pkw und Laternenmast (vgl. in diesem Zusammenhang z. B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/10/0137, und vom , Zl. 2003/11/0079, wonach neue Schlussfolgerungen weder Tatsachen noch Beweismittel iSd. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darstellen können).

19 Da es somit schon an entsprechenden nova reperta iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG fehlte, hängt die Behandlung der Revision hängt vor diesem Hintergrund von der Beantwortung der Rechtsfrage, ob eine Wiederaufnahme aus dem Grund des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG auch dann zulässig ist, wenn das wiederaufzunehmende Verfahren durch einen Mandatsbescheid abgeschlossen worden ist, nicht ab.

20 2.4. In der - für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ra 2014/04/0001, vom , Zl. Ra 2016/11/0015, und vom , Zl. Ra 2016/11/0026) - werden mithin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weil jede Verknüpfung mit der vorliegend angefochtenen Entscheidung fehlt. Damit wird auch nicht dargelegt, in welcher Hinsicht das Verwaltungsgericht konkret von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2015/02/0159).

21 2.5. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §69 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016110141.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-50748