VwGH 02.05.2016, Ra 2016/11/0043
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | B-VG Art133 Abs4; VwGG §25a; |
RS 1 | Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des VwGH zur Kontrolle der Entscheidungen der VwG nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt (Hinweis B vom , Ro 2015/03/0021, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2016/11/0011 B RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Das VwG hat die Säumnisbeschwerde deshalb zurückgewiesen, weil bei ihrer Einbringung die gesetzlichen Entscheidungsfristen (sowohl im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung als auch betreffend die Anträge auf Wiederausfolgung des Führerscheines) noch nicht verstrichen gewesen seien. Im angefochtenen Beschluss traf das VwG daher, weil keine Säumnis der belangten Behörde vorliege, weder eine meritorische Entscheidung über die Anträge auf Wiederausfolgung des Führerscheines noch über die Entziehung der Lenkberechtigung oder den zugrunde liegenden Tatvorwurf. Das Schicksal der vorliegenden Revision hängt folglich nur von der Rechtsfrage ab, ob das VwG bei seiner Beurteilung die jeweiligen gesetzlichen Entscheidungsfristen zutreffend angewendet hat. Die Beurteilung dieser Rechtsfrage erfordert auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 MRK nicht zwingend die Durchführung einer Verhandlung (vgl. zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist, den B vom , Ra 2016/11/0027, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom , Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein). |
Normen | FSG 1997 §24 Abs1; FSG 1997 §26; FSG 1997 §29 Abs1; FSG 1997 §39 Abs3; VwRallg; |
RS 3 | Bereits aus der bestehenden hg. Rechtsprechung zu § 29 Abs. 1 FSG 1997 ergibt, dass die dort normierte verkürzte dreimonatige Entscheidungsfrist nicht für einen Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines gilt. So wurde im E vom , 2005/11/0188, ausdrücklich festgehalten, dass unter einem "Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung" nur ein solches zu verstehen ist, welches von Amts wegen (vgl. § 24 Abs. 1 und § 26 FSG 1997) eingeleitet wurde und in dem von der Behörde zu prüfen ist, ob eine Entziehung der Lenkberechtigung vorzunehmen ist. Folglich wurde im zitierten Erkenntnis die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 1 FSG 1997 sogar auf einen Antrag auf Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Entziehungsverfahrens, und zwar ungeachtet des inhaltlichen Zusammenhanges, für nicht anwendbar erachtet (vgl. in diesem Sinne auch das E vom , 2001/11/0079, zum Verfahren betreffend die Befristung der Lenkberechtigung). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. W T, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen das Erkenntnis (den Beschluss) des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 131/012/13686/2015-1, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde (belangte Behörde: Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis (richtig: Beschluss) wies das Verwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers vom gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mangels Säumnis zurück.
Weiters wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
1.2. In der Begründung wurde ausgeführt, die vorliegende Säumnisbeschwerde richte sich gegen die ausständigen Entscheidungen der belangten Behörde einerseits im Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers wegen Verweigerung der Atemluftuntersuchung auf den Alkoholgehalt und andererseits betreffend seine Anträge auf Wiederausfolgung des am vorläufig abgenommenen Führerscheines.
Zum Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dieses am durch einen Ermittlungsschritt zur Feststellung der Verkehrszuverlässigkeit (Strafregisteranfrage) eingeleitet und mit Bescheid der belangten Behörde vom (dem Revisionswerber zugestellt am und bestätigt durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom ) gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren ausgesetzt worden sei (letzteres sei beim Verwaltungsgericht anhängig). Die für das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 29 Abs. 1 FSG geltende dreimonatige Entscheidungsfrist sei daher (gemeint: unter Bedachtnahme auf § 8 Abs. 2 Z 1 VwGVG, wonach die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist, in die Entscheidungsfrist nicht eingerechnet wird) im Zeitpunkt des Einlangens der Säumnisbeschwerde bei der belangten Behörde () noch nicht abgelaufen gewesen. Vielmehr seien seit der Einleitung des Entziehungsverfahrens erst ein Monat und ein Tag der genannten Entscheidungsfrist verstrichen.
Auch hinsichtlich der Anträge des Revisionswerbers vom 20. und sowie vom betreffend Wiederausfolgung des am vorläufig abgenommenen Führerscheines sei die Entscheidungsfrist im Zeitpunkt des Einlangens der Säumnisbeschwerde am noch nicht abgelaufen, weil diese gemäß § 73 AVG sechs Monate betrage, zumal die verkürzte Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 1 FSG für die genannten Anträge nicht gelte. Abgesehen davon sei für die Wiederausfolgung des Führerscheines der § 39 Abs. 3 FSG zu beachten, wonach der vorläufig abgenommene Führerschein binnen drei Tagen, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme, auszufolgen sei, sofern nicht ein Entziehungsverfahren eingeleitet wird. Die letztgenannte Voraussetzung sei gegenständlich angesichts der Einleitung des Entziehungsverfahrens am aber nicht erfüllt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Revisionswerbers.
2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2015/03/0021, mwN).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ra 2014/04/0001 und vom , Zl. Ra 2015/08/0008).
3. In der vorliegenden Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
3.1. In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe dem in der Säumnisbeschwerde gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung entgegen dem hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2015/08/0124, nicht entsprochen, wobei auch darauf hinzuweisen sei, dass bislang, nahezu acht Monate nach der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, keine einzige Ermittlungshandlung der belangten Behörde betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung gesetzt worden sei.
Zum letztgenannten Einwand ist zunächst auf die Feststellungen im angefochtenen Beschluss zu verweisen, wonach das Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens betreffend den gegenständlichen Tatvorwurf (Verweigerung der Atemluftuntersuchung) ausgesetzt wurde (vgl. dazu auch den zu dieser Aussetzung ergangenen hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2016/11/0027, in welchem insbesondere der Zweck der Aussetzung - Hintanhaltung von doppelgleisig geführten Verfahren zum selben Tatvorwurf - hervorgehoben wurde).
Gegenständlich hat das Verwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde deshalb zurückgewiesen, weil bei ihrer Einbringung die gesetzlichen Entscheidungsfristen (sowohl im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung als auch betreffend die Anträge auf Wiederausfolgung des Führerscheines) noch nicht verstrichen gewesen seien. Im angefochtenen Beschluss traf das Verwaltungsgericht daher, weil keine Säumnis der belangten Behörde vorliege, weder eine meritorische Entscheidung über die Anträge auf Wiederausfolgung des Führerscheines noch über die Entziehung der Lenkberechtigung oder den zugrunde liegenden Tatvorwurf. Das Schicksal der vorliegenden Revision hängt folglich nur von der Rechtsfrage ab, ob das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung die jeweiligen gesetzlichen Entscheidungsfristen zutreffend angewendet hat. Die Beurteilung dieser Rechtsfrage erfordert auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK nicht zwingend die Durchführung einer Verhandlung (vgl. zum Entfall der Verhandlungspflicht, wenn Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage ist, den bereits zitierten hg. Beschluss, Zl. Ra 2016/11/0027, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom , Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem in der Revision genannten hg. Erkenntnis, Zl. Ra 2015/08/0124, in welchem die Verhandlungspflicht deshalb bejaht wurde, weil es dort (anders als gegenständlich) um einen strittigen Tatvorwurf in einem Verwaltungsstrafverfahren ging. Das Unterbleiben der Verhandlung im vorliegenden Fall stellt daher keine Abweichung von der hg. Rechtsprechung dar.
3.2. Zur Zulässigkeit der Revision wird weiter vorgebracht, es bedürfe einer Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof, ob auch auf den Antrag auf Wiederausfolgung die (dreimonatige) Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 1 FSG anwendbar sei. Dem ist zu entgegnen, dass sich bereits aus der bestehenden hg. Rechtsprechung zur letztgenannten (seit der Stammfassung unverändert gebliebenen) Bestimmung ergibt, dass die dort normierte verkürzte dreimonatige Entscheidungsfrist nicht für einen Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines gilt.
So wurde im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0188, ausdrücklich festgehalten, dass unter einem "Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung" nur ein solches zu verstehen ist, welches von Amts wegen (vgl. § 24 Abs. 1 und § 26 FSG) eingeleitet wurde und in dem von der Behörde zu prüfen ist, ob eine Entziehung der Lenkberechtigung vorzunehmen ist. Folglich wurde im zitierten Erkenntnis die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 1 FSG sogar auf einen Antrag auf Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Entziehungsverfahrens, und zwar ungeachtet des inhaltlichen Zusammenhanges, für nicht anwendbar erachtet (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/11/0079, zum Verfahren betreffend die Befristung der Lenkberechtigung).
Das Verwaltungsgericht ist daher gegenständlich nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen, wenn es die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 1 FSG ausschließlich in Bezug auf das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers für maßgebend angesehen hat.
3.3. Schließlich wird zur Zulässigkeit der Revision die Aktenwidrigkeit der Feststellung, das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung sei binnen drei Tagen ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines (§ 39 Abs. 3 FSG) eingeleitet worden, behauptet. Damit wird aber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht aufgezeigt, weil das Schicksal der vorliegenden Revision von dieser Frage nach dem Gesagten nicht "abhängt" iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG. Wie nämlich bereits unter 3.1. ausgeführt, wurde mit dem Spruch des angefochtenen Beschlusses - Zurückweisung der Säumnisbeschwerde - lediglich deren Zulässigkeit verneint, jedoch (ungeachtet der erwähnten nicht tragenden, auf § 39 Abs. 3 FSG Bezug nehmenden Ausführungen dieses Beschlusses) nicht meritorisch über das (Nicht-)Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausfolgung des Führerscheines abgesprochen.
4. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §38; B-VG Art133 Abs4; FSG 1997 §24 Abs1; FSG 1997 §26; FSG 1997 §29 Abs1; FSG 1997 §39 Abs3; MRK Art6; VwGG §25a; VwGVG 2014 §24; VwGVG 2014 §28 Abs1; VwGVG 2014 §8 Abs2 Z1; VwRallg; |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016110043.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-50735