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VwGH 09.08.2016, Ra 2016/10/0071

VwGH 09.08.2016, Ra 2016/10/0071

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §6 Abs1 impl;
VwGG §25a Abs5;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
RS 1
Aus § 25a Abs. 5 VwGG ergibt sich, dass jede Revision, also auch eine außerordentliche, beim VwG einzubringen ist. War die Revisionsfrist schon im für den VwGH frühestmöglichen Zeitpunkt zur Weiterleitung abgelaufen, kann von einer Weiterleitung abgesehen werden (vgl. B , Ra 2014/18/0135).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/10/0031 B RS 1
Normen
ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;
RS 1
Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad der Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. B , 2013/10/0002).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, in der Revisionssache der Steiermärkischen Krankenanstalten GmbH in Graz, vertreten durch Dr. Uwe Niernberger und Dr. Angelika Kleewein, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Elisabethstraße 50c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 47.11-2616/2015-6, betreffend Rückersatz für Hilfeleistungen gemäß § 31 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die am beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Gemäß § 25a Abs. 5 VwGG ist die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Daraus ergibt sich, dass jede Revision, auch eine außerordentliche, beim Verwaltungsgericht einzubringen ist.

2 Nach § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen.

3 Das mit der vorliegenden außerordentlichen Revision angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom wurde der revisionswerbenden Partei - nach deren eigenen Vorbringen zur Rechtzeitigkeit - am zugestellt, sodass die Revisionsfrist am endete. An diesem Tag um 17:14 Uhr wurde die Revision per ERV beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

4 Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt eine Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die für die Erhebung der Revision geltende Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Revision noch innerhalb der Frist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird oder bei dieser einlangt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2015/07/0151, mwN).

5 Im vorliegenden Fall endete die Revisionsfrist am und war daher schon zu dem für den Verwaltungsgerichtshof frühestmöglichen Zeitpunkt einer Weiterleitung, am , abgelaufen, weshalb von einer Weiterleitung abgesehen werden konnte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2014/18/0135).

6 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über den Antrag der Steiermärkischen Krankenanstalten GmbH in Graz, vertreten durch Dr. Uwe Niernberger und Dr. Angelika Kleewein, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Elisabethstraße 50c, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark eine Beschwerde der Antragstellerin betreffend den Rückersatz für Hilfeleistungen gemäß § 31 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ab.

2 Das Erkenntnis wurde der Antragstellerin am zugestellt, sodass die sechswöchige Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG mit Ablauf des endete. Am um 17.14 Uhr brachte die Antragstellerin eine (außerordentliche) Revision gegen das angeführte Erkenntnis per ERV unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (und nicht entsprechend §§ 24 Abs. 1, 25a Abs. 5 VwGG beim Landesverwaltungsgericht Steiermark) ein. Am Folgetag () wurden die Rechtsvertreter der Antragstellerin telefonisch davon verständig, dass die Revision richtigerweise beim Verwaltungsgericht einzubringen sei.

3 Die beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revision wurde mit hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2016/10/0071-4, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückgewiesen, unter anderem unter Hinweis darauf, dass die Revisionsfrist zu dem für den Verwaltungsgerichtshof frühestmöglichen Zeitpunkt einer Weiterleitung, am , bereits abgelaufen war.

4 2. In dem vorliegenden Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist, welcher am beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingelangt ist, bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, mit der Abfertigung der Revision sei R.K., eine seit in der Kanzlei der Rechtsvertreter der Antragstellerin tätige Mitarbeiterin, beauftragt gewesen; diese sei seit Beginn ihrer Tätigkeit "für die Abfertigung der Poststücke verantwortlich". Ihr sei seither kein Fehler "im Zuge der Abfertigung von Poststücken sowie der Fristenkontrolle" unterlaufen, sodass sie von den Rechtsvertretern der Antragstellerin "mit der selbständigen Abfertigung und Fristenkontrolle betraut" habe werden können. R.K. sei dabei überaus penibel und verlässlich.

5 Im Zuge der allabendlichen abschließenden Fristenkontrolle durch die Rechtsvertreter habe R.K. erklärt, dass die Abfertigung vorbereitet und die Frist daher im Fristenbuch zu streichen sei; bedauerlicherweise habe sie daraufhin die Revision am nicht wie vorgesehen an das Verwaltungsgericht abgefertigt, sondern irrtümlich im Wege des ERV direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

6 Nach der Information durch eine Mitarbeiterin des Gerichtshofs über die fehlerhafte Einbringung (am ) habe R.K. den ihr unterlaufenen Fehler nur damit erklären können, dass sie davon ausgegangen sei, dass die außerordentliche Revision verpflichtend im Wege des ERV einzubringen sei. Sie habe am eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof eingebracht und sei dem Irrtum unterlegen, dass auch die außerordentliche Revision direkt beim Höchstgericht eingebracht werden müsse. Darin sei sie noch durch das Handbuch des Softwarelieferanten bestärkt worden, dem zu entnehmen sei, dass bei Ersteingaben das Schriftstück entsprechend zu bezeichnen sei - "wortwörtlich ¿Revision'". Da R.K. auch das Diktat betreffend die Revision geschrieben habe und sich die Anträge an den Verwaltungsgerichtshof richteten, sei sie sich keines Fehlers im Zuge der Abfertigung bewusst gewesen.

7 3. Der Wiedereinsetzungsantrag erweist sich als unbegründet:

8 3.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

9 3.2. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2015/08/0018, mwN).

10 Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad der Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2013/10/0002, mwN).

11 Der Verwaltungsgerichtshof nimmt somit in ständiger Rechtsprechung an, dass ein Rechtsanwalt seine Mitarbeiter entsprechend zu organisieren und zu überwachen hat. Lediglich hinsichtlich rein manipulativer Tätigkeiten ist bei erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikräften eine Kontrolle nicht erforderlich, sodass etwa verlässlichen Kanzleiangestellten die näheren Umstände der Kuvertierung und Postaufgabe allein überlassen werden dürfen (vgl. die Nachweise bei Mayer/Muzak, B-VG5 Anm. IV.2. zu § 46 VwGG). Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken, wie etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, kann somit ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2016/02/0100, mwN).

12 3.3. Der im vorliegenden Fall der Mitarbeiterin der Rechtsvertreter der Antragstellerin R.K. unterlaufene Irrtum stellt allerdings kein bloßes Versehen bei der Abwicklung technischer Vorgänge bzw. manipulativer Tätigkeiten dar, sondern betraf die (Rechts-)Frage, bei welcher Stelle Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG einzubringen sind. Dazu hätten in der Kanzlei der Rechtsvertreter gegenüber R.K. bzw. weiteren in diesem Zusammenhang herangezogenen Mitarbeitern eindeutige Anordnungen getroffen werden müssen, wobei deren Einhaltung auch zu überwachen gewesen wäre.

13 Dem vorliegenden Antrag ist allerdings nicht zu entnehmen, dass die Rechtsvertreter der Antragstellerin auf die geschilderte Weise ihren Organisations- und Überwachungspflichten nachgekommen wären, sodass ein nur minderer Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht angenommen werden kann.

14 4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §6 Abs1 impl;
VwGG §25a Abs5;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des Einschreiters
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016100071.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-50723